Geldautomaten werden laufend weniger. Revolut operiert antizyklisch und will Europa mit einem eigenen Geldautomaten-Netz überziehen. Warum?
Was im Look daherkommt wie ein zu gross geratenes Smartphone, ist keins. Es ist eine neu gedachte Generation von Geldautomaten der Challenger-Bank Revolut.
Neu gedacht deshalb, weil der Revolut-Geldautomat mehr kann als herkömmliche ATMs. Und in Zukunft noch weitere Funktionen bekommen soll. Also vielleicht doch ein Smartphone mit laufenden Updates, einfach in Gross, damit es im Stadtbild auffällt – mit markantem Branding, damit klar wird, wer da eine mobile Bank betreibt.
Banken in zahlreichen Ländern verkleinern seit Jahren schon ihr Netz von Geldautomaten, aus durchaus nachvollziehbaren Gründen: die Nutzung von Bargeld nimmt ab, zudem sind Geldautomaten im Unterhalt aufwendig und auch in der Bargeld-Logistik kostenintensiv.
Was bringt Revolut dazu, eine völlig entgegengesetzte Schiene zu fahren und antizyklisch ein eigenes Netz von Geldautomaten in Europa aufzubauen?
Revolut schafft in europäischen Städten neue Touch Points
Challenger- und Neo-Banken haben keine Filialen, sie funktionieren ausschliesslich digital über das Smartphone. Dieser kostensparende Vorteil hat mit dazu beigetragen, dass Revolut innerhalb von knapp zehn Jahren weltweit 55 Millionen Kundinnen und Kunden gewinnen konnte. Davon mehr als eine Million in der Schweiz.
Fehlende Filialen können zuweilen auch als Nachteil empfunden werden. Eine klassische Bank ist im Stadtbild sichtbar und man kann sie besuchen, eine Neo-Bank nicht.
Mit den neuen Geldautomaten schafft Revolut gewissermassen einen Ersatz für fehlende Filialen. In der Gestalt von Smartphone-ähnlichen Geräten mit markantem Branding, die Revolut in Innenstädten ein Gesicht geben. Neue physische Touch Points, die von Kunden angesteuert und genutzt werden können. Das ist Teil der Service-Strategie.
Nicht-Kunden können die Ersatzfilialen ebenfalls besuchen – vor allem diese Tatsache ist Teil einer cleveren Marketing-Strategie.
Revolut macht Geldautomaten zum Neukunden-Generator
Die Geldautomaten im smarten Design werden – neben den Service-Funktionen – zur permanenten Werbefläche für die Challenger-Bank. Vor allem jedoch können sie an strategisch günstig gewählten und stark frequentierten Standorten direkt neue Kundinnen und Kunden generieren.
Kunden, die nicht bei Revolut registriert sind, können die Automaten ebenfalls nutzen. Nicht kostenlos, wie Revolut-Kunden, aber zu einem wettbewerbsfähigen Preis.
Der Clou liegt jedoch in einer zusätzlichen Funktion: Nicht-Kunden können innerhalb weniger Minuten direkt am Geldautomaten ein Revolut-Konto eröffnen und erhalten sofort eine physische Karte, die ihnen die Türen zu allen Leistungen der Challenger-Bank öffnet. Damit macht Revolut die eigenen Geldautomaten nicht nur zum Service-Center, sondern auch zum Neukunden-Generator.
Mit der Modernisierung der Geldautomaten will Revolut nach eigenen Aussagen die physisch-digitale Lücke schliessen und das Markenversprechen auf reale Erlebnisse erweitern. Die Challenger-Bank wandelt die Geldautomaten in physische Kontaktpunkte um, die Präsenz markieren, das Vertrauen stärken, die Kundenakquise fördern und die Nutzer dort abholen sollen, wo sie sich gerade aufhalten, insbesondere an Verkehrsknotenpunkten und in belebten Stadtzentren.
Manjot Bhatia, Operating Partner bei Revolut, zur Vision und den ehrgeizigen Plänen, die mit der Einführung von eigenen Geldautomaten verbunden werden: «Die Einführung unseres eigenen Geldautomaten-Netzwerks ist ein entscheidender Schritt, um die Vision von Revolut näher an unsere Kunden heranzubringen und ihnen ein wirklich globales, nahtloses Finanzerlebnis zu bieten. Durch die Neuerfindung eines der wichtigsten physischen Berührungspunkte im Bankwesen, den Geldautomaten, bieten wir nicht nur einen intelligenteren Zugang zu Bargeld, sondern stärken auch unsere Markenpräsenz, vertiefen die Kundenbindung und legen den Grundstein für die nächste Phase unseres Wachstums in ganz Europa.»
Mir dieser Aussagen unterstreicht Bhatia die grossgedachte Vision von Revolut, ganz Europa mit Stellvertreter-Filialen in Form von Geldautomaten zu überziehen.
Start im Pilotmarkt Spanien
Als Pilotmarkt werden in Spanien die ersten 50 Revolut Geldautomaten in Madrid und Barcelona aufgestellt, weitere 150 Geräte sollen in anderen grossen Städten wie Valencia und Málaga folgen. Revolut-Nutzer können den nächstgelegenen Geldautomaten jederzeit über eine integrierte Karte in der App finden, die auch Angaben zu Öffnungszeiten, Adressen und Wegbeschreibungen enthält.
Revolut hat Spanien deshalb als Pilotmarkt ausgewählt, weil das Land heute noch zu den Bargeld-Nationen zählt. Nach Aussagen der spanischen Zentralbank werden über 60 Prozent aller Zahlungen am Point of Sale noch mit Bargeld getätigt. Dennoch ist Spanien auch ein Markt, in dem die digitalen Dienstleistungen von Revolut bereits stark vertreten sind. Fast 5 Millionen Kundinnen und Kunden nutzen unter anderem interne Sparfunktionen, das beliebte lokale P2P-System Bizum und Funktionen zur Steuerzahlung.
Nach der Einführung des neuen physischen Produkts in Spanien hat Revolut die Märkte Deutschland, Italien und Portugal im Visier. In nächsten Schritten soll die Geldautomaten-Expansion auf weitere Länder ausgedehnt werden.
Absurd oder clever?
Erscheint die Idee einer europaweiten Geldautomaten-Offensive in Zeiten schwindender ATM-Netze auf den ersten Blick absurd oder zumindest ziemlich verwegen, zeigt ein zweiter Blick eine clevere Strategie. Eine neue Generation von Geldautomaten, die mehr kann als bisherige, wird zum physischen Service-Center für Bankgeschäfte als Ersatz für fehlende Filialen. Aus der Sicht von Neo- und Challenger-Banken vor allem aber zum Botschafter mit markanter Präsenz und zum Neukunden-Generator.
Abgesehen von der Möglichkeit der Kontoeröffnung mit direkter Ausgabe der Karte, sind die Funktionen der neuen Geldautomaten zum Start im Umfang noch nicht berauschend. Man darf jedoch davon ausgehen, dass Revolut die Software der zu gross geratenen Smartphones laufend updaten und die Automaten klüger machen wird.
Die Schweizer Neo-Banken-Landschaft im Überblick
Die Zusammenstellung der in der Schweiz aktiven Neo-Banken mit den jeweils zuletzt gemeldeten Nutzerzahlen vermittelt einen ungefähren Eindruck der aktuellen Grössenverhältnisse und Marktanteile.
Schweizer Neo-Banken | Markteintritt | Kunden insgesamt | davon in der Schweiz |
Alpian (F-ISPB) | Oktober 2022 | 20'000 | 20'000 |
Kaspar& | März 2022 | 7'000 | 7'000 |
Neon | März 2019 | 237'000 | 237'000 |
Radicant (BLKB) | August 2023 | 10'000 | 10'000 |
Yapeal | Juli 2020 | 10'000 | 10'000 |
Yuh (Postfinance & Swissquote) | Mai 2021 | 300'000 | 300'000 |
Zak (Bank Cler) | März 2018 | 70'000 | 70'000 |
Aktive Schweizer Apps: 7 | | | |
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Ausländische Neo-Banken | Markteintritt | Kunden insgesamt | davon in der Schweiz |
N26 | Schweiz 2019 | 8 Millionen | keine Angaben |
Revolut | Schweiz 2017 | 55 Millionen | 1'000'000 |
Wise | März 2010 | 16 Millionen | keine Angaben |
Aktive ausländische Apps: 3 | | | |
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Neo-Banken Verticals | Markteintritt | Kunden insgesamt | davon in der Schweiz |
Relio | Oktober 2023 | Angaben folgen | Angaben folgen |
Aktive Vertical Apps: 1 | | | |
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Neo-Banken in Umwandlung | | | |
CSX (Credit Suisse) UBS plant keine eigenständige Weiterführung der App Wechselangebot an Kunden: Key4 Banking Pure von UBS | Oktober 2020 | 400'000 | 400'000 |
Coop Finance+ (Coop) Coop plant keine eigenständige Weiterführung der App Wechselangebot an Kunden: Lila Set von Valiant | Oktober 2023 | keine Angaben | keine Angaben |
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Neo-Banken in Liquidation | | | |
FlowBank FINMA: Konkurs eröffnet am 13. Juni 2024 | November 2020 | keine Angaben | keine Angaben |
Swiss4 FINMA: Konkurs eröffnet am 4. März 2025 | April 2024 | keine Angaben | keine Angaben |
Hinweis der Redaktion: Neo-Banken, die ihre aktuellen Kundenzahlen nicht korrekt gespiegelt sehen, weil länger nicht kommuniziert, dürfen Letzteres jederzeit gerne nachholen, hier, damit Ersteres auf den neusten Stand gebracht werden kann.