Künstliche Intelligenz

Ist die erste Welle der KI schon Geschichte?

Künstliche Intelligenz als Figur auf einem Surfbrett als Wellenreiter

Warum Big Techs ihre Führungsrolle in der KI verlieren könnten. Und warum KI-Agenten an Bedeutung gewinnen werden.

Ein Kommentar von Raj Shant, Managing Director bei der Vermögensverwaltung Jennison Associates, zur bisherigen Entwicklung der KI-Industrie. Und seine Überlegungen zu Veränderungen, welche die Rollen möglicherweise neu verteilen.

Bei jeder grossen Revolution gibt es ein wiederkehrendes Muster. Die ersten grossen Erträge stammen aus den Bereichen Hardware und Infrastruktur. Bei der generativen KI waren dies GPU-Chips und Rechenzentren.

Mit der Veröffentlichung des R1-Modells von Deepseek wurde der Übergang zu Software und Anwendungen beschleunigt, die daraufhin leichter zugänglich wurden. Somit befinden wir uns in der späten Phase des Investitionszyklus und in der frühen Phase von Anwendung und Verbreitung.

Hyperscaler: Diese Unternehmen profitieren am stärksten

Die grössten Profiteure der Infrastruktur-Investitionsphase waren Hardware-Unternehmen wie Nvidia und Broadcom. Von der erwarteten "Token-Explosion" werden voraussichtlich die Hyperscaler profitieren, da sich die Technologie in den meisten Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft weiterverbreitet.

Dies wird zu einer Zunahme der Nutzung sowie zu einer grösseren Breite und Tiefe der ausgeführten Aufgaben führen. Zu den wichtigsten Rechenzentrumsbetreibern zählen Amazon AWS und Microsoft Azure.


Raj Shant, Managing Director bei der Vermögensverwaltung Jennison Associates:

Generell sollte man immer davon ausgehen, dass die KI-Version, die wir heute verwenden, die schlechteste ist, die wir jemals nutzen werden, da sich KI so schnell verbessert


Wie zuvor FAANG – Facebook (jetzt Meta), Amazon, Apple, Netflix und Google (jetzt Alphabet) – verliert auch die Abkürzung "Mag 7" (Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Meta, Nvidia und Tesla) bereits an Bedeutung und Kohärenz. Besser ist es, von Big Tech zu sprechen, die in dieser Anfangsphase der KI-Revolution aufgrund der hohen Kosten generell vorne liegen.

Diese Kosten sind für alle, ausgenommen die finanzstärksten Unternehmen, de facto nicht tragbar. In den nächsten Phasen der Einführung und Verbreitung besteht jedoch die Chance, dass Big Tech seine Führungsrolle verliert, wenn KI-native Unternehmen an Bedeutung gewinnen.

Europa unter Druck, Chancen in den USA und China

Europäische Unternehmen sind mit dem Risiko eines restriktiven regulatorischen Rahmens konfrontiert, während der amerikanische Markt Innovation priorisiert. Die attraktivsten Chancen werden wahrscheinlich noch lange Zeit in den USA und China zu finden sein.

SAP gilt derzeit zwar als Marktführer, aber es bleibt abzuwarten, ob generative KI neue Chancen für etablierte Softwareunternehmen bietet oder ob neuere, günstigere und schnellere KI-Agenten auf den Markt kommen, die den Kunden neue Optionen bieten.

Warum KI-Agenten an Bedeutung gewinnen

Generell sollte man immer davon ausgehen, dass die KI-Version, die wir heute verwenden, die schlechteste ist, die wir jemals nutzen werden, da sich KI so schnell verbessert. Das gilt auch für die KI-Agenten, die heute vorgestellt werden.

Möglicherweise werden KI-Agenten letztendlich die bahnbrechende Anwendung sein, die generative KI in den Mainstream bringt. Eventuell werden sie aber auch einfach die vorherrschende Methode sein, um Unternehmen und Privatpersonen die Leistungsfähigkeit der KI zur Verfügung zu stellen – ohne dass es einer eigenständigen App bedarf.

In den nächsten Phasen der Einführung und Verbreitung besteht die Chance, dass Big Tech seine Führungsrolle verliert, wenn KI-native Unternehmen an Bedeutung gewinnen

Die Veränderungen sind rasant und tiefgreifend. Sie bergen für einige Unternehmen enorme Chancen, für andere hingegen existenzielle Risiken. Die grössten Erfolge in den nächsten drei bis fünf Jahren könnten AI-native Unternehmen erzielen, die gerade erst gegründet werden.