Neo-Banken

Soll die Neo-Bank Neon verkauft werden – oder doch nicht?

Die Gründer der Neo-Bank Neon 2018: Michael Noorlander, Simon Youssef, Julius Kirscheneder und Jörg Sandrock
Die Neon-Gründer 2018: Michael Noorlander, Simon Youssef, Julius Kirscheneder und Jörg Sandrock | Bild: Neon

Ist heute, sieben Jahre nach Gründung der Neo-Bank Neon, ein guter Zeitpunkt für den Exit? Die Gerüchteküche sagt: Ja. Wir glauben: Nein.

Die Neo-Bank Neon ist 2018 von Michael Noorlander, Simon YoussefJulius Kirscheneder und Jörg Sandrock gegründet worden. Ausgestattet mit rund einer Million Franken von Business Angels aus einer ersten Finanzierungsrunde ist Neon im März 2019 pink und bunt im Markt gestartet.

Noorlander ist ein gutes Jahr später ausgestiegen, hat jedoch bei seinem persönlichen Exit die Anteile am Unternehmen behalten.

Zusätzliches Kapital – vor allem aber Publizität – gab's im Juni 2019, als in der "Höhle der Löwen" gleich vier Privatinvestoren bei Neon eingestiegen sind. Zu einer damals überraschend hoch angesetzten Unternehmensbewertung von 10 Millionen Franken. 

Das für schweizerische Verhältnisse grosse Geld kam danach. Einerseits von professionellen VCs wie TX Group, Backbone Ventures und weiteren über mehrere Finanzierungsrunden sowie durch zwei Crowdinvesting-Kampagnen.

Die kommunizierten und nicht kommunizierten Finanzierungsrunden haben der Neo-Bank bis heute zwischen 30 und 40 Millionen Franken eingebracht. Davon stammen 13.6 Millionen Franken aus der Crowd, von insgesamt 6'700 Kunden und anderen Kleininvestoren.

Heute hat Neon 237'000 Personen auf der Kundenliste und um die 60 Personen auf der Lohnliste. Die Neo-Bank arbeitet noch nicht profitabel.

Die spriessenden Blüten aus der Gerüchtetküche

Mit Bezug auf Informationen eines Insiders hat Inside Paradeplatz vor einigen Monaten berichtet, die Neon-Macher würden infolge (vermuteter) Panik wegen dem Schweizer Revolut-Feldzug einen Käufer für ihre Neo-Bank suchen. Ein halbes Dutzend Banken würde sich für die Übernahme von Neon interessieren, so die Insider-Quelle.

Im Januar doppelten unsere Kollegen von der Handelszeitung mit eigenen Recherchen nach und nährten die Gerüchte mit der Feststellung, "dass sich da etwas tut". Weitere Quellen hätten direkt bestätigt, von einem Angebot zu wissen. Klar wäre, dass das Neon-Dossier bei zahlreichen Banken auf dem Tisch liegen würde. "Kommt der grosse Deal?", fragten die Kollegen, liessen dabei allerdings offen, um welche Art von Deal es sich handeln könnte.

Im April verschaffte Blick den Vermutungen zusätzliche Reichweite, allerdings ohne die Gerüchte mit neuen Fakten zu untermauern.

Und was meint Neon selbst zu den Gerüchten?

Wir haben Mitgründer und CMO Julius Kirscheneder auf die immer mal wieder hochkochenden Gerüchte angesprochen. Kirscheneder sagt:

Die Suppe kocht ja regelmässig immer wieder hoch... ist ja Startup-inhärent und nein, da gibt es nichts zu erzählen

Ein explizites Nein zu möglichen Verkaufsplänen sieht zwar anders aus, aber ist die Geschichte – welche genau auch immer – noch nicht reif, gibt es verständlicherweise auch nichts zu erzählen. 

Zur Frage, wann Neon die Schwelle der Profitabilitä erreichen würde, meine Kirscheneder, dass seine Neo-Bank im letzten Jahr schon ein positives EBITDA erreicht hätte und natürlich würde die effektive Profitabilität Ziel für Neon bleiben. 

Was spricht gegen einen Verkauf von Neon?

Die professionellen Investoren wären einem Exit ziemlich sicher nicht abgeneigt. Neon ist im sechsten Jahr im Markt und schreibt noch nicht die Gewinne, die Investoren sehen möchten. Das dämpft die Lust auf weitere Engagements.

Die Gründer wären wahrscheinlich ebenfalls nicht die grossen Exit-Bremser. Das Geschäft wird in der Schweiz herausfordernder und deutlich härter, dafür sorgt die Konkurrenz – allen voran die Challenger-Bank Revolut.

Was spricht denn bei so viel möglicher Übereinstimmung von Investoren- und Macherseite gegen einen Verkauf? Die Hürden haben in unserer Betrachtung vor allem mit vier Faktoren zu tun:

1. Der Übernahmepreis
Für schweizerische Verhältnisse ist Neon hochfinanziert. Investoren möchten ihre Engagements in der Regel vergoldet und multipliziert sehen. Zu hochgesteckte Preisvorstellungen minimieren jedoch den Kreis der möglichen Käufer.

2. Das Angebot
Das Geschäftsmodell von Neon ist für einen starken Exit nicht ideal. Banking und Abwicklungs-Technologie kommen bei Neon von der Hypothekarbank Lenzburg. Ein Käufer kauft deshalb keine komplette Neo-Bank mit Infrastruktur, im Kern sind lediglich die 237'000 Kunden, eine App und ein gewisses Know-how wertvoll. Auch das schränkt den Kreis der möglichen Käufer ein.

Für eine Bank mit eigenen Systemen sind diese Lücken nicht unbedingt ein Nachteil, lassen aber, siehe Punkt 1, die Kosten pro Kunde in die Höhe schiessen.

Dazu kommt: Neon ist mit guten Leistungen und einem soliden Angebot unterwegs. Letzteres aber nicht in der ausgebauten und breiten Form wie zum Beispiel Yuh oder Revolut. Wünscht ein Käufer eine analoge Flughöhe, muss er noch kräftig dazuinvestieren.

3. Ein möglicher Imageschaden
Neon hat einige VCs und rund 6'700 Kleininvestoren aus dem Crowdinvesting im Boot. Die Neo-Bank hat diesen Kleininvestoren explizit versprochen, dass bei einem Exit, "alle Investoren genau gleich behandelt und genau denselben Preis für die Wertschriften erhalten" würden. 

Ein Versprechen, das möglicherweise nicht eingelöst wird. Bei einem Exit hat nicht Neon selbst das Sagen, sondern der Käufer und die VCs. Und diese könnten eine ganz andere Entscheidung treffen, die eine Übernahme wesentlich "kostengünstiger" oder lukrativer macht.

Die Kleininvestoren haben beim Crowdinvesting keine Stimmrechts-Aktien gekauft, sondern Partizipationsscheine mit einem möglichen Pferdefuss. Dannzumals mit dem Passus, dass die Gesellschaft (also Neon) jederzeit das Recht hat, ausgegebene Partizipationsscheine zum Ausgabepreis von 200 Franken zurückzukaufen, zuzüglich 10 Prozent Jahreszins, berechnet ab Ausgabedatum.

Diese Option bedeutet, dass vor einem lukrativen Exit sämtliche Crowd-Investoren billig rausgekauft werden könnten und folglich nicht am finanziellen Erfolg des Exits beteiligt wären.

Würde ein Exit mit dieser gezogenen Rückkaufs-Option über die Bühne gehen, würde der Aufschrei der empörten Kleininvestoren zweiter Klasse zum medialen Thema. Für den Käufer und die VCs wäre der Deal mit einem grossen Imageschaden verbunden. 

4. Der eingeschränkte Kreis der Käufer
Eine klassische Bank, die im digitalen Neo-Banken-Bereich zulegen möchte, kommt grundsätzlich als Käuferin in Frage. Hier könnten jedoch die Punkte 1 und 3 im Wege stehen.

Dasselbe gilt für die meisten Neo-Banken, die sich Neon schlicht nicht leisten können. Jene, die könnten, aufgrund kapitalkräftiger Mutterhäuser im Rücken, werden es kaum tun. Dazu gehören Alpian, Radicant, Yuh und Zak. Sie alle haben Apps, Bankenhintergrund und damit funktionierende Systeme und Infrastruktur. Ergo würden sie "nur" 237'000 Kunden kaufen – zu einem sehr hohen Preis. Das werden ihre scharf kalkulierenden Mütter kaum erlauben und bezahlen wollen.

Die einzige unabhängie Neo-Bank, die sich Neon leisten könnte, ist Revolut. Diese Challenger-Bank mit mehr als 1 Million Kunden in der Schweiz will jedoch jedes Jahr mehr Neukunden generieren, als Neon im Moment insgesamt hat. Zudem bringen App, Technologie und Know-how von Neon für Revolut keinen zusätzlichen Mehrwert, der nicht bereits im Unternehmen vorhanden wäre.

Wird Neon bald schon verkauft?

Wir glauben: Nein. Aus all den angeführten Gründen. Sollten tatsächlich Gespräche im Gange sein und das Neon-Dossier bei zahlreichen Banken auf dem Tisch liegen, wie unsere Kollegen recherchiert haben, dürfte es eher um Finanzierungsrunden und Kapitalerhöhungen gehen.

Die letzte grössere Finanzierungsrunde liegt einige Zeit zurück und Neon braucht wahrscheinlich frisches Kapital. Sollten die bestehenden langjährigen Investoren auf der Bremse stehen und sich nicht weiter engagieren wollen, finden Pitches eben ausserhalb statt. Das würde auch die Dossiers erklären, die offenbar im Umlauf sind.

Grundsätzlich möglich bleiben Fusionen. Diese dürften jedoch aufgrund unterschiedlicher Kulturen, Vorstellungen und Voraussetzungen auch eher schwierig zu bewerkstelligen sein.

Allerdings und unabhängig von unseren Betrachtungen, von Meinung und Glauben: sorgen Fakten und Realitäten für eine unerwartete Überraschung, werden wir darüber berichten. 


Die Schweizer Neo-Banken-Landschaft im Überblick

Die Zusammenstellung der in der Schweiz aktiven Neo-Banken mit den jeweils zuletzt gemeldeten Nutzerzahlen vermittelt einen ungefähren Eindruck der aktuellen Grössenverhältnisse und Marktanteile.

Schweizer Neo-Banken Markteintritt Kunden insgesamt davon in der Schweiz
Alpian (F-ISPB) Oktober 2022 20'000 20'000
Kaspar& März 2022 7'000 7'000
Neon März 2019 237'000 237'000
Radicant (BLKB) August 2023 10'000 10'000
Yapeal Juli 2020 keine Angaben keine Angaben
Yuh (Postfinance & Swissquote) Mai 2021 300'000 300'000
Zak (Bank Cler) März 2018 70'000 70'000
Aktive Schweizer Apps: 7      
       
Ausländische Neo-Banken Markteintritt Kunden insgesamt davon in der Schweiz
N26 Schweiz 2019 8 Millionen keine Angaben
Revolut Schweiz 2017 52.5 Millionen 1'000'000
Wise März 2010 16 Millionen keine Angaben
Aktive ausländische Apps: 3      
       
Neo-Banken Verticals Markteintritt Kunden insgesamt davon in der Schweiz
Relio Oktober 2023 Angaben folgen Angaben folgen
Aktive Vertical Apps: 1      
       
Neo-Banken in Umwandlung      
CSX (Credit Suisse)
UBS plant keine eigenständige
Weiterführung der App
Wechselangebot an Kunden:
Key4 Banking Pure von UBS
Oktober 2020 400'000 400'000
Coop Finance+ (Coop)
Coop plant keine eigenständige
Weiterführung der App
Wechselangebot an Kunden:
Lila Set von Valiant
Oktober 2023 keine Angaben keine Angaben
       
Neo-Banken in Liquidation      
FlowBank
FINMA: Konkurs eröffnet am
13. Juni 2024
November 2020 keine Angaben keine Angaben
Swiss4
FINMA: Konkurs eröffnet am
4. März 2025
April 2024 keine Angaben keine Angaben

Hinweis der Redaktion: Neo-Banken, die ihre aktuellen Kundenzahlen nicht korrekt gespiegelt sehen, weil länger nicht kommuniziert, dürfen Letzteres jederzeit gerne nachholen, hier, damit Ersteres auf den neusten Stand gebracht werden kann.