Regulierung

Macht SEC-Chef Gary Gensler FinTechs, Neo-Brokern und der Krypto-Branche das Leben schwer?

Gary Gensler, United States Securities and Exchange Commission
Gary Gensler, United States Securities and Exchange Commission (Bild: SEC)

Dass der Chef der US-Börsenaufsicht laut über ein Verbot von "Payment for Order Flow" nachdenkt, schlägt Neo-Brokern heftig auf die Laune.

Die eingetrübte Laune hat existenzielle Gründe. Zahlreiche Neo-Broker bieten provisionsfreien Aktienhandel an. Das von verschiedenen Seiten kritisierte Geschäftsmodell basiert darauf, dass Neo-Broker wie Robinhood und andere FinTechs notwendige Erträge nicht direkt über ihre Kunden, sondern über Drittparteien generieren. Nur so ist es möglich, den Service für Kunden kostenlos und ohne Gebühren zu betreiben.

PFOF als Geschäftsmodell von Neo-Brokern

PFOF heisst "Payment for Order Flow" und bedeutet, dass Neo-Broker die Auträge ihrer Kunden oftmals an grosse Häuser mit eigenen Handelsplätzen weiterleiten. Diese Market Maker, welche ausserbörslich im Vergleich zur direkten Börsenplatzierung teilweise bessere Kurse bieten, wickeln die Order ab. Für diesen "Umweg" und das platzierte Volumen erhalten die Neo-Broker von diesen grossen Brokerhäusern Provisionen.

Diese PFOF-Zahlungen sind schon länger im Gespräch und auch in der Kritik  – sie werden von Regulierungsbehörden generell eher argwöhnisch betrachtet. Aus verschiedenen Gründen nicht ganz zu unrecht. Ausser Frage steht, dass Neo-Broker Erträge generieren müssen – wenn nicht direkt bei den Kundinnen und Kunden, dann eben indirekt. Beim indirekten Weg über Market Maker können allerdings Interessenkonflikte entstehen, weil die Handelshäuser mit den höchsten PFOF-Zahlungen für Neo-Broker interessanter sein können als jene mit den besten Kursen. Dadurch würden die Kunden der Neo-Broker benachteiligt und würden zu viel für ihre Aktien bezahlen.

SEC-Chef Gary Gensler stellt das Geschäftsmodell auf den Prüfstand

Der Chef der US-Börsenaufsicht, Gary Gensler, hat letzte Woche gegenüber Medien das Geschäftsmodell PFOF grundsätzlich infrage gestellt und konkret die Möglichkeit eines Verbots von "Payment for Order Flow" in die Diskussion eingebracht. Nach Gensler werde die SEC die Praxis von PFOF prüfen – er stellte in Aussicht, dass die US-Börsenaufsicht in den kommenden Monaten entsprechende Empfehlungen vorlegen würde. Macht Gensler ernst, könnten diese Empfehlungen auch ein Verbot der PFOF-Praxis beinhalten.

Welche Auswirkungen hätte ein PFOF-Verbot?

Für Robinhood, Charles Schwab, TD Ameritrade und andere US-amerikanische Unternehme wäre ein Verbot ein harter Schlag. Je nach Anbieter werden zum Teil beträchtliche Anteile der Erträge über "Payment for Order Flow" generiert. Das bisher gut funkionierende und deshalb auch erfolgreiche Geschäftsmodell wäre Geschichte und müsste neu ausgerichtet werden.

Europäische Neo-Broker, welche ebenfalls teilweise mit PFOF-Modellen unterwegs sind, zum Beispiel Trade Republic, wären von einem Verbot in den USA erstmal nicht direkt betroffen. Mit Ausnahme der Märkte und Länder, die das Geschäftsmodell via "Payment for Order Flow" heute schon mit einem Verbot belegt haben. 

Die aktuell auch hierzulande geführte Diskussion um PFOF würde durch ein Verbot in den USA möglicherweise jedoch auch in Europa eine zusätzliche Dynamik bekommen. Die europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA hat im Juli 2021 entsprechende Warnflaggen bereits gesetzt und sieht beim Geschäftsmodell der Rückvergütungen im Zusammenhang mit "Payment for Order Flow" die Kompatibilität mit der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II "in den meisten Fällen unwahrscheinlich". Das heisst, auch bei der ESMA steht PFOF nicht nur unter Beobachtung, das Geschäftsmodell ist möglicherweise bereits angezählt.

Ein Verbot der PFOF-Praxis würde die grossen Neo-Broker nicht vom Platz fegen, sie wären jedoch gezwungen, zentrale Teile ihres erfolgreichen Geschäftsmodells auf neue Beine zu stellen.

Macht SEC-Chef Gary Gensler FinTechs, Neo-Brokern und der Krypto-Branche das Leben schwer?

Gensler gehört nicht zu den Gegnern neuer Technologien mit Abwehrreflexen gegenüber FinTechs und der Krypto-Branche, im Gegenteil. Als Verantwortlicher der Börsenaufsicht macht er sich jedoch Gedanken zum Schutz von Anlegerinnen und Anlegern und damit zur Regulierung von FinTechs. Und auch zu Kryptomärkten. Gensler macht aus dem Blickwinkel von Regulierung und Anlegerschutz richtigerweise keinen Unterschied zwischen traditionellen und neuen Märkten und ihren jeweiligen Anbietern.

In neuen Technologien sieht Gensler durchaus Potenzial, räumt diesen Technologien und Branchen jedoch keinen Sonderstatus ein. Auch das ist richtig, weil Neo-Brokerage, Krypto- und DeFi-Märkte zu Breitenbewegungen werden sollen – das schaffen sämtliche Neo-Bereiche nur dann, wenn sie vernünftig reguliert sind und deshalb Anlegerinnen und Anleger auf sicherem Terrain handeln dürfen.

Auch bei den Kryptos hat Gensler in den letzten Wochen vermehrt auf "Zustände" hingewiesen, die ihn an "den Wilden Westen" erinnern würden. Insbesondere mit einem Seitenblick auf Decentralized Finance (DeFi) vertritt Gensler die Ansicht, dass DeFi nicht so dezentralisiert funktionieren würde wie die programmatische Bezeichnung vermuten lässt. Auch beim Thema DeFi und Kryptos generell steht für Gensler der Anlegerschutz im Vordergrund, den er nicht oder noch zu wenig gewährleistet sieht.

Insofern macht Gary Gensler als Chef der US-Börsenaufsichtsbehörde weder Neo-Brokern, noch FinTechs, noch der DeFi-Szene das Leben schwer, er holt einfach Anlauf zu in seiner Betrachtung notwendigen und praktikablen Regulierungs-Initiativen. In den USA kann noch einiges auf die Branche zukommen, in Europa ebenfalls. Das dürfte sich letztlich für alle Beteiligten positiv auswirken, weil im Finanzbereich auf Dauer nur Bestand und Zukunft haben kann, was klar, moderat und fortschrittlich reguliert ist.

Letzeres wird möglich, wenn Regulierer am Ball sind, die mit Hintergrund, Sachverstand, Know-how und Augenmass agieren. Mit Gensler scheinen pragmatische Wege begehbar, welche den Interessen aller Marktteilnehmer Rechnung tragen.