Neo-Banken

Geht die Durststrecke für die Neo-Bank N26 bald zu Ende?

Maximilian Tayenthal und Valentin Stalf – die Gründer der Neo-Bank N26
Maximilian Tayenthal und Valentin Stalf – die Gründer der Neo-Bank N26 stehen vor grossen Herausforderungen (Bild: N26)

N26 geschäftet seit mehr als zwei Jahren mit angezogener Handbremse. Licht am Ende des Tunnels für die Neo-Bank?

Bis 2020 war für die Berliner Neo-Bank N26 die Welt in Ordnung. Seit der Gründung 2013 ist N26 sehr schnell und stark gewachsen. Hohe Finanzierung durch treue Investoren haben geografische Expansion und sprunghaft wachsende Kundenzahlen möglich gemacht. 

N26 konnte dem Erzrivalen Revolut in Sachen Wachstum und Expansion das Wasser reichen. Im Heimmarkt Deutschland war die Neo-Bank der erklärte Platzhirsch. Das Versprechen des #nobullshit Banking kam an und alle Indikatoren zeigten für N26 nach oben.

Anfang 2020 meldete N26 die erreichte Marke von 5 Millionen Kundinnen und Kunden. Dazu einen monatlichen Zuwachs von über 200'000 neuen Nutzern, der die Kundenzahlen noch schneller in die Höhe treiben sollte.

Dunkle Wolken ab 2021

Hatte sich N26 schon zuvor auf den Radar der Bankenaufsicht BaFin gespielt, kam es 2021 für die Neo-Bank aufgrund von Compliance-Problemen und Versäumnissen knüppeldick. N26 konnte bei den notwendigen Compliance-Prozessen mit dem schnellen Wachstum der letzten Jahre nicht Schritt halten, die BaFin identifizierte 2021 massive Defizite und Verstösse bei der Neo-Bank.

Ein erstes Bussgeld von 4.25 Millionen Euro, strenge Auflagen der BaFin, zwei Sonderbeauftragte im eigenen Haus und ab November 2021 die denkbar härteste Strafe und Bremse für eine Neo-Bank im Aufschwung: N26 durfte pro Monat nur noch 50'000 Neukunden mit an Bord nehmen.

Die verordenete Wachstumbremse ist bis heute gültig, ist einzig letzten Dezember auf die Schwelle von 60'000 Neukunden angehoben worden. Diese minimale Lockerung macht allerdings keinen Unterschied und darf mehr als Signal der BaFin verstanden werden, dass N26 in Sachen Compliance auf guten Wegen unterwegs ist.

Wann wird die BaFin die Wachstumsbeschränkung aufheben?

Zum Thema der auferlegten Wachstumsbeschränkung wollten sich weder die BaFin noch N26 konkret äussern. Das "Handelsblatt" will jedoch von Insidern erfahren haben, dass die Wachstumsbegrenzung in Kürze aufgehoben werden soll. "Die Gründer Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal hätten inzwischen verstanden, welche Bedeutung gute Kontrollsysteme und die Einhaltung von Regeln für die Entwicklung des Fintechs habe", fasst das "Handelsblatt" die zugetragenen Informationen zusammen. Zudem habe N26 inzwischen die meisten Mängel behoben und sich in Sachen Compliance positiv entwickelt. 

N26 selbst hat vor einigen Tagen kommuniziert, dass die Neo-Bank seit 2022 zahlreiche Massnahmen zur Verbesserung der Meldeprozesse implementiert und mehr als 80 Millionen Euro in die personelle und technische Infrastruktur investiert hätte, um höchste Branchenstandards bei der effektiveren Bekämpfung von Finanzkriminalität und Geldwäsche einzuhalten.

Die BaFin hat N26 am 21. Mai 2024 mit einer weiteren Busse in Höhe von 9.2 Millionen Euro belegt. Dieser, möglicherweise letzte Akt, ist der Preis für frühere Sünden. Die BaFin hatte festgestellt, dass N26 im Jahr 2022 systematisch Geldwäscheverdachtsmeldungen verspätet abgegeben hat.

Was bedeutet die Aufhebung der Wachstumsbeschränkung für N26?

Sollte die BaFin N26 wachstumstechnisch tatsächlich bald wieder in die Freiheit entlassen, wäre das für die Neo-Bank der längst ersehnte Befreiungsschlag. 

Auf wie viele Kundinnen und Kunden N26 über volle zweieinhalb Jahre lang verzichten musste, kann nicht zuverlässig beziffert werden. Der Vergleich mit Erzrivale Revolut zeigt aber ungefähre Relationen. 

Bis im Jahr 2000 haben sich N26 und Revolut in ähnlichen Bandbreiten entwickelt. Revolut ist dann jedoch in den letzten Jahren ungebremst gewachsen und hat sich einen Vorsprung erspielt, der kaum eingeholt werden kann. N26 bedient heute nach zweieinhalb Jahren Durststrecke rund 8 Millionen Kundinnen und Kunden, Revolut weist 40 Millionen aus. 

Die 8 Millionen von N26 werden durch die Neo-Bank selbst auf 4.2 Millionen "ertragsrelevante" Kunden reduziert. Also aktive Nutzerinnen und Nutzer, die für N26 Umsatz und Erträge generieren. Sollte dieses Verhältnis bei Revolut ähnlich sein, liegt der britische Konkurrent mit über 20 Millionen aktiven Kunden auch dann weit vorne.

Ungefähr die Hälte der ertragsrelevanten Kunden von N26 dürfte sich auf den Heimmarkt Deutschland konzentrieren. Trifft diese Schätzung zu, liegt N26 einzig im Heimmarkt mit 2 Millionen Kunden noch vor Revolut. Der britische Herausforderer weist in Deutschland rund 1 Million Nutzerinnen und Nutzer aus. Gerade in Deutschland hat Revolut jedoch in den letzten Monaten in Sachen neuer Funktionen, Services und Marketing massiv zugelegt.

Nach eigenen Aussagen wächst Revolut aktuell bis zu einer Million Neukunden pro Monat. N26 seit zweieinhalb Jahren lediglich um 50'000 Kunden. Die völlig unterschiedlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten haben die Berliner Neo-Bank massiv ausgebremst und faktisch nahezu zum Stillstand verurteilt. Eine gesunde Entwicklung wird erst wieder möglich, wenn die Wachstumbeschränkung fällt und N26 ihre Stärken in Freiheit ausspielen kann.

N26 und Revolut verfolgen unterschiedliche Strategien

Revolut expandiert weiterhin global, N26 verfolgt seit einiger Zeit eine andere Strategie und will sich auf die Kernmärkte beschränken. Aus Grossbritannien, den USA und aus Brasilien hat sich die Berliner Neo-Bank zurückgezogen, vor allem Deutschland, Frankreich und einige weitere Europa-Destinationen dürften im Fokus stehen. 

Deshalb verliert der globale Grössenvergleich zwischen N26 und Revolut an Bedeutung. Im Zentrum steht vielmehr die Frage, ob N26 nach zahlreichen Blessuren und Einschränkungen zur früheren Kraft und Frische zurückfindet. Gelingt das, kommt N26 als aktiver Player mit Tatendrang wieder ins Spiel und bleibt wahrscheinlich auch Platzhirsch in Deutschland. Gelingt das nicht, hat Revolut in Deutschland und in Europa gute Karten, um den Platz der dominierenden Challenger-Bank zu besetzen.