Challenger-Banken

FinTech N26 – was jetzt, einen Gang zurückschalten oder sogar gestärkt durchstarten?

Läufer bei einem Rennen bei den Startpflöcken
Bild: zhengzaishuru | Getty Images

Durchstarten, sagt die Neo-Bank N26, schwächt Zitate aus der Financial Times ab und ist überzeugt, aus der Zeit von COVID-19 gestärkt hervorzugehen.

Letzten Freitag haben wir einen Artikel der Financial Times (Paywall) aufgegriffen, in dem sich Georg Hauer, General Manager DACH von N26, eher pessimistisch über Lage und Entwicklung der Neo-Bank in Zeiten der Corona-Krise äussert – unsere Story "FinTech und Neo-Bank N26 schaltet einen Gang zurück" kann hier nachgelesen werden

N26 relativiert die Darstellung in der Financial Times mit der Begründung: «Im ursprünglichen FT-Artikel wurden aus unserer Sicht einige Aussagen nicht korrekt wiedergegeben».

Die Sicht von N26 zu ihrer Position in Zeiten von COVID-19

Georg Hauer hat sich mit uns über die Sicht von N26 ausgetauscht. Hauer widerspricht den Aussagen, dass "N26 stark von der Krise betroffen" wäre oder dass "die Umsätze von N26 einbrechen" würden und beschreibt den Einfluss von COVID-19 auf N26 mit folgenden Worten:

«N26 ist von COVID-19 deutlich weniger betroffen als andere Unternehmen. Anfängliche Umsatzeinbussen durch niedrigere Konsumausgaben werden bereits durch die weiterhin sehr stabilen Neukundenzuwächse kompensiert.»

Georg Hauer erklärt weiter, dass N26 durch starke Investoren finanziell sehr gut aufgestellt wäre. Dennoch, so Hauer, hätte N26 frühzeitig kostensenkende Massnahmen durchgeführt, um nachhaltig gut positioniert zu sein und aus der Zeit von COVID-19 stärker (!) hervorzugehen – unabängig davon, wie lange die Zeit der Unsicherheit tatsächlich dauern würde.

Die Challenger-Bank scheint nichts von ihrem Selbstbewusstsein verloren zu haben und Hauer untermauert seine Aussagen mit einigen Trends, die N26 in den vergangenen Wochen beobachtet hat. Diese Trends im Zitat, welche in der Betrachtung von N26 zusätzliches Wasser auf die Mühlen des FinTechs sowie auch anderer mobiler Banken leiten werden:

  • Die Menschen nutzen weniger Bargeld und entscheiden sich überwiegend für kontaktlose Bezahlmöglichkeiten oder bestellen direkt online
  • Der Konsum ist aufgrund der Ausgangsbeschränkungen zurückgegangen, insbesondere im Reisesegment
  • Die Menschen kaufen häufiger online ein – insbesondere ältere Generationen: Bei unseren über 65-jährigen Kunden ist die Anzahl der Online-Einkäufe um fast 30 Prozent gestiegen

Wie N26 von diesen Trends profitieren will, fasst Georg Hauer mit folgendem Statement zusammen:

Diese Trends verdeutlichen, wie immer mehr Menschen digitales Banking nutzen – mobile Banken werden davon mittel- und langfristig am meisten profitieren

Und wie steht es um den Marktstart in Brasilien?

Die Neo-Bank widerspricht der Aussage, dass die Expansionspläne und damit der Marktstart in Brasilien durch die Corona-Krise infrage gestellt wären. Brasilien wäre weiterhin ein wichtiger Bestandteil in der globalen Expansionsstrategie von N26. Allerdings, so Georg Hauer, hätte das FinTech selbst die Strategie für den Markteintritt geändert, aus folgenden Gründen: Anstatt mit einer Partnerbank zusammenzuarbeiten, würde N26 derzeit eine eigene SCD-Lizenz beantragen. Hauer zum Thema:

«Wir planen zur Zeit mit einem Marktstart nächstes Jahr. COVID-19 hat unsere Brasilien-Strategie nicht verändert. Anderslautende Aussagen sind nicht korrekt.»

Was bedeutet das alles für andere FinTechs und Neo-Banken?

Treffen die Erfahrungen und Bebachtungen von N26 zu, sind das auch gute Nachrichten für andere Challenger- und Mobil-Banken. Immer vorausgesetzt, die FinTechs sind gut finanziert und behalten einen langen Schnauf. Umsatzeinbussen durch reduzierten Konsum auf der einen Seite bleiben in diesen Tagen eine Realität, können jedoch möglicherweise durch verstärkte Online-Einkäufe auf der anderen Seite kompensiert werden, zumindest teilweise. Verstärkt durch den aktuell generellen Trend, auch bei reduzierten Konsumverhalten, Zahlungen über Karten oder Mobile Payment zu leisten.

Diese Veränderung im Zahlungsverhalten betrifft alle Anbieter, kann sich in Teilen dann natürlich auch auf FinTechs und Neo-Banken mit entsprechenden Angeboten positiv auswirken.

Wer profitiert und wer verliert?

Wer tatsächlich unbeschadet oder sogar gestärkt aus der Corona-Krise hervorgeht, wird sich erst in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Zumal sehr viele Faktoren mitspielen, nicht zuletzt auch die Frage der individuellen "Verfassung" einzelner Dienstleister. Mit zu diesen Faktoren gehört, wie lange COVID-19 die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Finanzbranche beschäftigen wird. Und auch, ob veränderte Gewohnheiten von Konsumenten in mehrfacher Hinsicht nur vorübergehend eine Rolle spielen oder sich auf Dauer etablieren werden.

Die Auswirkungen der Corona-Krise treffen und beschäftigen die gesamte Wirtschaft – wahrscheinlich noch für längere Zeit. Die tatsächlichen und nachhaltigen Effekte für einzelne Branchen und Anbieter-Segmente sind heute noch sehr schwer abzuschätzen, weil zu viele noch unbekannte Faktoren mit im Spiel sind.

Was sich heute schon abzeichnet: Wer es schafft, erfolgreich zu navigieren und gut durch diese stürmischen Gewässer zu kommen, wird tatsächlich gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Nur schon begünstigt durch den unschönen Begleiteffekt, dass sich die Zahl der heute bekannten Konkurrenten möglicherweise minimieren wird.