Die Kunden-Arena der Postfinance soll sich nach aktuellen Presseberichten leeren – wirklich?

Ansicht der PostFinance Arena in Bern
Bild: © PostFinance AG 2017, alle Rechte vorbehalten

Die Postfinance Arena darf sich mit gelockerten Bestimmungen bald wieder füllen – plant die Bank auf der anderen Seite die Reihen ihrer Kunden zu lichten?

Nach den Recherchen und einem Bericht unserer Kollegen von der Finanz und Wirtschaft, geht die Postfinance ungewöhnliche Wege, um Kundeneinlagen und damit Kunden abzubauen.

Die FuW berichtet von Plänen der Postfinance, welche sich "gesundschrumpfen, ihre Bilanz um ein Viertel reduzieren und deshalb 30 Milliarden Franken Kundengelder abbauen" wolle. Grund: Als systemrelevante Bank muss die Postfinance zusätzliches Eigenkapital von 3 Milliarden Franken für Notsituationen bereitstellen. Als verkleinerte Postfinance könnte die Bank aus der Systemrelevanz entlassen werden und würde mit dem vorhandenen Eigenkapital ohne Aufstockung auskommen, vermutet die Autorin des Berichts

Eine gewagte These, welche von der Postfinance bisher nicht kommentiert worden ist.

Von der Politik im Stich gelassen

In guten Jahren hat die Postfinance zuverlässig mit massgeblichen Erträgen zum guten Ergebnis der Post beigetragen. In Zeiten von Negativzinsen sind die Gewinne dahingeschmolzen, weil die Bank mit kurz gehaltenen Flügeln keine Erträge im Kredit- und Hypothekengeschäft generieren darf. Die Diskussion währt schon ewig, ob der Bereich Kredite für die Postfinance geöffnet werden soll. 

Aller Voraussicht nach hat die vom Bundesrat portierte Aufhebung des Kredit- und Hypothekarverbots im Parlament wenig bis keine Chancen. Wie auch immer entschieden wird – die Postfinance braucht klare Leitplanken und Vorgaben, die erfüllbar sind. Das Zinsdifferenzgeschäft als Haupteinnahmequelle der Bank erodiert seit 2009 – erst langsam, in den letzten Jahren zunehmend brutal. Ergo braucht die Postfinance einen anderen Rahmen oder dann eben zusätzliche Geschäftsfelder, die Erträge möglich machen.

Die neuen Projekte der Postfinance in Richtung Neo-Bank sind interessant, im Ausgang jedoch noch völlig offen und kaum geeignet, kurzfristig neue Ertragsquellen zu öffnen. 

An die Postfinance werden aus verschiedenen politischen Lagern unterschiedliche Erwartungen und Forderungen gestellt, die jeweils notwendigen Instrumente will man der Bank nicht zur Verfügung stellen. Auch klare Vorgaben oder Rezepte ist die Politik bisher schuldig geblieben, wie der Spagat in die eine oder andere Richtung zu schaffen sein sollte.

Grösse als Problem?

Die Postfinance hatte über Jahre einen hohen Zufluss an Kunden und Geldern, zumal Konto und Kontoführung kostenlos zu haben waren. Eine erste Abwanderungswelle setzte die Bank mit der Einführung von Kontogebühren (Anfang 2019) und der Belastung von Strafzinsen auf Guthaben in Gang. Der Schwellenwert für Negativzinsen wurde von zuerst 500'000 Franken am 1. Dezember 2019 auf 250'000 Franken reduziert.

Diese unpopulären Massnahmen haben die Postfinance einige zehntausend Kunden gekostet, an der weiterhin beeindruckenden Grösse jedoch wenig geändert. Nach Angaben der Postfinance Mitte 2020:

Bilanzsumme 125 Milliarden Franken, 4,4 Millionen Konten und 2,7 Millionen Kundinnen und Kunden.

Kundenvertreibung als Strategie?

Nach dem Bericht der Finanz und Wirtschaft soll die Postfinance eine schwer vorstellbare Strategie verfolgen. So sollen ab nächstem Jahr Strafzinsen bereits auf Guthaben ab 100'000 Franken bezahlt werden müssen, aktuell liegt der Schwellenwert bei 250'000 Franken. Dass Kunden Gelder deswegen abziehen, soll nach FuW nicht nur in Kauf genommen werden, dies soll der erwünschte Effekt sein, um Kundengelder massiv abzubauen.

Ob diese Massnahme allein geeignet wäre, die gigantische Summe von 30 Milliarden Franken an Kundengeldern innerhalb von nützlicher Frist loszuwerden, bleibt fraglich. Sicher jedoch würden nicht nur Gelder abwandern, sondern zusammen mit ihren Einlagen auch Kunden in grosser Zahl die Flucht ergreifen.

Wachrüttler mit Signalwirkung als Druckmittel?

Trotz aller Schwierigkeiten und Zwickmühlen, in der sich die Postbank seit längerem und auch aktuell befindet: Sollte die FuW mit ihren Recherchen richtig liegen, würden wir von unserer Seite die von der Postfinance nicht bestätigte Strategie eher als durchgesickertes Druckmittel werten, um die aktuelle Diskussion in den Räten zu befeuern und in Bahnen zu lenken, welche die Postfinance zur vollwertigen Bank machen könnten. 

Sollten wir uns täuschen, wäre der Plan ein Einlagen-reduzierendes und Kunden-vertreibendes Konzept, das in seiner Einmaligkeit das Potenzial hätte, in die Geschichtsschreibung nationaler und internationaler Finanzplätze einzugehen.

Auch in der Ausbildung für Bankerinnen und Banker müsste ein neues Kapitel geschrieben werden. Stand bisher im Vordergrund, wie Kunden zu begeistern, zu gewinnen und zu halten sind, müssten ergänzend die tauglichen Rezepte für erfolgreiche Kundenvertreibung in die didaktisch griffige Form eines Lehrmittels gegossen werden.