Point Zero Forum

Verkopft oder nerdig – wie die Diskussionen geführt werden

Das "AI & Blockchain – Navigating the Crossroads with Regulation"-Panel, unter anderen mit Frederik Gregaard, CEO Cardano Foundation, am Point Zero Forum
Das "AI & Blockchain – Navigating the Crossroads with Regulation"-Panel, unter anderen mit Frederik Gregaard, CEO Cardano Foundation, am Point Zero Forum

Die neue Finanzmarkt-Infrastruktur: Reflektionen und Erkenntnisse aus den Keynotes, Workshops und Debatten am Point Zero Forum.

In einem zweiten Wurf berichtet Patrick Comboeuf über DLT, Stablecoins und die Finanzmarkt-Infrastruktur auf dem Weg in den institutionellen Mainstream.

Verkopft oder nerdig – beide Attribute sind durchaus charakteristisch dafür, wie die Diskussion rund um eine moderne, dezentral-geprägte technologische Infrastrukturbasis des Finanzwesens geführt wurde. Bloss, durchgesetzt haben sich diese Ideen auf breiter Front bisher nicht.

Zu schwerfällig, "if it ain't broken, don't fix it" oder "T+2, mehr braucht es doch gar nicht", dachten sich viele Entscheidungsträger wohl im Stillen.

Mittlerweile sind einige von ihnen aus dieser Intertia aufgewacht und hören aufmerksam(er) zu, wenn Protagonisten der neuen Finanzmarkt-Infrastruktur in einem zugänglicheren Ton mit ihnen sprechen. Begriffe wie "Permissionless Blockchain", "Tokens" oder "Kryptoschlüssel" treten mehr und mehr in den Hintergrund und ein niederschwelligeres "Warum eigentlich nicht?" schafft sich eine viel beachtete Bühne.

Beide Seiten – die Bewahrer und die Innovatoren – vereint mittlerweile ein unumstösslicher Glaubenssatz der Finanzdienstleistungs-Zunft:

Follow the money...

Richard Teng, Chief Executive Officer von Binance, betonte in seiner Tour d’Horizon zu Digital Assets 2025 die Wichtigkeit der Adoption dieser aufstrebenden Assetklasse durch institutionelle Investoren.

Die ersten 5 Prozent seien einfach – danach brauche es robuste, berechenbare Regulierung. Erst dann sind die notwendigen Voraussetzungen da, um ein Momentum zu schaffen, den Hai zu reiten.

Teng anerkennt ausdrücklich, dass "Responsible Finance" in der Vergangenheit nicht immer ein Kernattribut der Kryptoindustrie war. Die Frage stellt sich: Hat die Branche aus diesen Fehlern gelernt?

Zwei von drei Aufsichtsbehörden weltweit haben bis heute noch keinen klaren Regulationsrahmen erlassen für dezentrale Finanz-Ökosysteme und deren Produkte. Offensichtlich auch, weil viele Regulierer bis anhin schlicht zu wenig Zeit und Musse ins tiefere Verständnis der Materie und der damit geschaffenen neuen Märkte investierten.

Stattdessen versteckten sie sich gerne hinter Plattitüden und zitierten mantramässig die auch medial noch oft ins Feld geführten Vorurteile – kurz, dieses "Fremdeln" hatte ein gewisses System.

Dabei konnten bisher erst 0.14 Prozent aller Krypto-Transaktionen der Geldwäsche oder anderen kriminellen Aktivitäten zugeordnet werden. Und diese Zahl wird weiter sinken.

Digitales Geld ist mit einem digitalen Audit-Trail ausgestattet. Für das organisierte Verbrechen macht allein das die grossen Kryptowährungen kaum zu einem schlauen Zahlungssystem, wie notabene auch der ehemalige FINMA-Chef Mark Branson seinen Schweizer Branchenkollegen schon vor seinem Aufbruch Richtung seiner aktuellen Rolle bei der deutschen Aufsichtsbehörde einzutrichtern versuchte.

Klarheit ist wichtig und wird in den kommenden ein, zwei Jahren wahrscheinlich stark von den USA geprägt. Heute gehe die erste Anlageinvestition der Ü35-Generation schon längst nicht mehr in Aktien oder Commodities, so Teng, sondern bevorzugt in Kryptos und Digitalwährungen.

Das grösste globale Investment-Haus Blackrock hat sich in den vergangenen Jahren vom lauten Kryptoskeptiker zu einem Fahnenträger für Digital Assets gewandelt. In erster Linie deshalb, weil die Marktaussichten eben einfach attraktiv sind. 

Fast 1.7 Milliarden Menschen sind nach wie vor "unbanked", weil die traditionellen Banken nicht bereit sind, diese Gruppen zu bedienen. Demgegenüber seien Stablecoins und dezentrale digitale Zahlungssysteme grossartige Anwendungsfälle für Krypto, gerade weil die Preisunterschiede gegenüber den traditionellen Finanzdienstleistungen solche Angebote aus Sicht der unterprivilegierten Kundengruppen erst zugänglich machen.

Aber, und da sind sich die meisten Protagonisten am Point Zero Forum einig, der Massenmarkt ist bei Krypto auch dieses Jahr noch nicht erreicht. Harte Restriktionen sind oft ein Zeichen dafür, dass noch zu wenig Verständnis da ist, sowohl auf der Regulierungsseite als auch auf der Seite der erfahrenen Anlagekunden.

Der Ruf nach besserem Konsumentenschutz ist dabei zwar populär, veranschaulicht aber eben auch, warum es die meisten Initiativen schwer haben, Krypto als einen bevorzugten zukünftigen Tech Stack der Finanzmarkt-Infrastruktur zu positionieren. 

Entlarvende Fragen als Boost für eine neue, vielversprechende Anlageklasse?

Auffällig oft nahmen die Teilnehmer der Konferenz in den Networking-Pausen ihre manchmal doch eher unbedarften senioren Marktbegleiter auf die Schippe. Erfahrung und langjährige Domänenexpertise sind zwar in Zeiten von Large Language Modellen absolut zentral. Werden sie jedoch als Feigenblatt für Verhaltensresistenz missbraucht, bahnt sich insbesondere für etablierte Akteure Unheil an.

Fragen wie “Where is your clearing fund?” oder das Argument des schwachen Netzwerks an Korrespondenzbanken könnten tatsächlich darauf hindeuten, dass vielleicht eine neue Assetklasse not tut: Personal Education & Upskilling zu Themenfeldern wie AI, FinTech- und Blockchain-Konzepten.

Krypto, Stablecoins, AI & Co bewegen sich quasi täglich – gerade die Anbieter können kaum länger als auf 36 Monate hinaus planen. Was aber sicher geschehen wird ist, dass mehr und mehr institutionelle Investoren in den Markt kommen. Wenn die USA ihre Regulierung publizieren, werden viele andere Länder sehr rasch folgen, unterstrichen auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Roundtable zur Nutzung der permissionless Blockchain, um Finanzdienstleistungen voranzutreiben.

Manchmal hilft also tatsächlich ein Blick (weit) zurück, um verkrustete Fronten etwas aufzuweichen. Sowohl die ersten florentinischen Geldhäuser als auch die den in anderen Regionen vorzugsweise den Juden anvertrauten Geldgeschäfte einte die Überzeugung, dass ein funktionierendes monetäres System letztendlich dem Fortschritt dient. Und dieser lässt sich, wie die Geschichte zeigt, zwar temporär manchmal etwas (aus-)bremsen, aber auf Dauer eben nicht aufhalten.

Der Autor: Patrick Comboeuf (com)

Patrick Comboeuf, Redaktion MoneyToday.ch

Vordenker für digitale Themen in der Schweiz mit starkem Draht ins Silicon Valley. Ausgeprägtes Gespür für Entwicklungen, digitale Notwendigkeiten und Defizite. Patrick ist Associate Editor bei MoneyToday.ch und als Beobachter und Schreiber für unsere Redaktion unterwegs, um den Scheinwerfer auf Ereignisse und Protagonisten zu richten.