Die Neo-Bank Radicant, eine Tocher der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB), hat eine wechselvolle und nicht sehr gradlinige Geschichte. Darüber haben wir bereits mehrmals berichtet, zum Beispiel hier und hier.
Die kürzliche Wertberichtigung von 105.5 Millionen Franken und die angekündigten Rücktritte von drei Spitzenleuten haben die Wellen in der Politik und auch medial hochgehen lassen. In den Medien nicht durchwegs sachlich, von "Totgeburt", "Bruchlandung", "Radicant-Desaster" und "Grössenwahn der Kantonalbanken" war und ist da die Rede.
Mit sehr viel Distanz zu Innovation und zur FinTech-Szene – das trifft auf einige Schreiber und auch auf Teile der Baselbieter Politik zu – sind die Urteile schnell gemacht. Es ist wirklich nicht alles gut gelaufen und die Abschreiber gehen tatsächlich ins grosse Geld.
Mit etwas unschweizerischer Nähe zu Startups, Innovation und Risikokapital lassen sich einige schnell gefällte und beflissen nachgeplapperte Urteile allerdings auch wieder etwas relativieren.
Dennoch, und das schleckt keine Geiss weg, die Neo-Bank Radicant gehört zu den kostspieligen Startups. Das bleibt auch dann eine Tatsache, wenn die einstigen Konzept-Experimente und Umwege inzwischen unter neuer Führung durch eine klare und erfolgversprechende Strategie ersetzt worden sind.
BLKB gibt eine unabhängige Untersuchung in Auftrag
Die Baselbieter Politik hatte die ungeliebte BLKB-Tochter Radicant aufgrund der hohen Kosten immer schon im Visier, operiert seit längerem auf Abschuss und forderte aufgrund der jüngsten Ereignisse eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) "zur Aufklärung der Misere".
Eine PUK soll's jetzt nicht sein, zumindest im Moment noch nicht, aber eine Untersuchung durch unabhängige Experten. Diese Flucht nach vorne tritt der Bankrat der BLKB an, offenbar in Abstimmung mit dem Haupteigner der Kantonalbank, dem Kanton Basel-Landschaft.
Damit ist die geforderte PUK nicht vom Tisch, die Landräte Peter Riebli (SVP), Manuel Ballmer (GLP) und Marco Agostini (Grüne) bleiben am Ball und fordern weiterhin die Einsetzung einer PUK. Sie vertreten die Ansicht, dass das Projekt Radicant "gegen alle Warnungen mit Steuergeldern und politischer Rückendeckung vorangetrieben worden" sei.
Die Mitteilung der BLKB zur ersten Phase der Aufarbeitung durch unabhängige Experten bringen wir im Originalwortlaut, ohne Einbettung und Schnörkel von unserer Seite:
"Die am 3. Juli 2025 von der BLKB angekündigten Wertberichtigungen und personellen Veränderungen haben in der Politik und in der Öffentlichkeit zu einer breiten Diskussion geführt. Die Diskussionen haben gezeigt, dass eine sachliche Darstellung und sorgfältige Aufarbeitung der Hintergründe und Abläufe notwendig sind, um eine fundierte und objektive Grundlage für die weitere politische und öffentliche Diskussion zu haben.
Anlässlich einer Bankratssitzung vom 11. Juli 2025 hat der Bankrat der BLKB deshalb in enger Abstimmung mit dem Haupteigner, dem Kanton Basel-Landschaft, entschieden, die GW&P AG Schweiz als unabhängigen Sachverständigen damit zu beauftragen, die Umstände, Ereignisse und Abläufe zu beurteilen, die im Zusammenhang mit den am 3. Juli 2025 angekündigten Wertberichtigungen auf die Beteiligung an der Radicant Holding AG stehen und in der Periode vom 1. September 2024 bis 3. Juli 2025 stattfanden. Dabei sollen auch die Rolle und Verantwortung des Bankrats und der Geschäftsleitung der BLKB beleuchtet werden. Der abschliessende Bericht wird voraussichtlich bis Ende August 2025 vorliegen.
Die Ergebnisse der Begutachtung werden dem Haupteigner zur Verfügung gestellt. Ebenso wird die Öffentlichkeit zeitnah informiert werden."
Interessant ist, dass offenbar nur die Phase zwischen 1. September 2024 und 3. Juli 2025 im Fokus steht. Das ist die Zeitspanne der Fusion von Radicant und Numarics, die unter das Dach der Radicant Holding AG gestellt worden sind. Diese Fusion hat mit der Wertberichtigung der BLBK-Anteile an der neuen Holding von 105.5 Millionen Franken geendet.
Um die jüngsten Ereignisse einordnen zu können, ist allerdings die ganze Entwicklungsgeschichte der Neo-Bank nicht ganz unwesentlich – und die hat bereits im April 2021 begonnen. Die Radicant Bank ist das Produkt einer Entwicklung, bei der zahlreiche Protagonisten an den Fäden gezogen, die teilweise nicht mehr an Bord sind. Weder bei der BLKB noch bei Radicant.
Die Fusion von Radicant und Numarics steht am vorläufigen Ende dieser Entwicklung, hängt jedoch direkt mit der Vorgeschichte zusammen.
FinTechs, Startups und Neo-Banken funktionieren nicht wie eine Kantonalbank. Erfolg oder Misserfolg von FinTechs, die von Banken lanciert worden sind, die Schweiz kennt inzwischen einige Beispiele, lassen sich nur vor dem Hintergrund der ganzen Geschichte erklären.
Ohne diesen Hintergrund kann Mut zur Innovation und Bereitschaft zum Risiko schnell als "Grössenwahn der Kantonalbanken" abgekanzelt werden. Dieses salopp formulierte und wenig fundierte Urteil nehmen einzelne Medien bereits vorweg.
Zu welchen Schlüssen die beauftragten Experten kommen, werden Politik, Medien und die Öffentlichkeit voraussichtlich Ende August erfahren.