Startups & FinTechs

"Die Höhle der Löwen" Schweiz: Ein Bitcoin-FinTech, dazu ein Nagelstock und ein Didgeridoo "für ä tüüfe gsundä Schlaf"

Das Team von Relai in der Höhle der Löwen
Das Team von Relai beim Pitch in der Höhle der Löwen (Bild: CHMedia | 3+)

Welche Bitcoin-Frage Investorinnen und Investoren diskutiert haben: "Das grösste legalisierte Schneeballsystem der Welt" oder "das Gold des 21. Jahrhunderts"?

Ist Bitcoin die beste Spar-Technologie? Julian Liniger, Co-Gründer und CEO des Bitcoin-Startups Relai, ist überzeugt davon. Liniger macht im Pitch in der "Höhle der Löwen" auch gleich klar Schiff mit seinem Glauben an das Finanzsystem und meint: "Das heutige Finanzsystem ist kaputt und macht es praktisch unmöglich zu sparen, aufgrund von Inflation, Negativzinsen und versteckten Bankgebühren verliert Erspartes an Wert."

Ist Relai die einfachste Bitcoin-Investing-App der Welt?

Unter dieser Prämisse stellt das Team den Investoren die Relai App vor. Besonders unkompliziert ist die App vor allem deshalb, weil Relai mit einer Selbstbeschränkung unterhalb des regulatorischen Radars fliegt. Regulatorische Anforderungen zu KYC (Know Your Customer) oder AML (Anti Money Laundering) spielen (noch) keine Rolle, so lange ein Kunde nicht mehr als 1'000 Franken pro Tag oder 100'000 Franken pro Jahr bewegt und in Bitcoin investiert.

Das Startup segelt in dieser Nische und verzichtet deshalb auf die Prozesse von Registrierung und Verifizierung, das macht kurze Wege möglich. Investitionen in Bitcoin sind ab 10 Franken möglich. Die vergleichsweise fürstlichen Gebühren von 3 Prozent pro Transaktion sind mit der Einführung von Relai 2.0 auf 2.5 Prozent reduziert worden.

Das Angebot von Relai an die Investorinnen und Investoren: 500'000 Franken für 5 Prozent der Firmenanteile.

Der richtige Löwe macht den Unterschied

Von sieben Löwinnen und Löwen sind jeweils fünf in wechselnder Besetzung pro Sendung dabei. Glück für das Team von Relai, in der sechsten Ausgabe der dritten Staffel war Tobias Reichmuth mit an Bord. Reichmuth gehört zu den Investoren, die aktiv in der Krypto-Szene engagiert sind – er war es denn auch, der die Bedenken der übrigen Investoren als Fürsprecher für Relai und die Krypto-Branche zerstreut hat. Zumindest jene von Bettina Hein.

Bleibt Bitcoin für Roland Brack "das grösste legalisierte Schneeballsystem der Welt", glaubt Patrick Mollet, dass es Relai nicht braucht, weil mehr und mehr Banken auf den Bitcoin-Zug aufspringen werden. Mit jedem Anbieter mehr, meint Mollet, wird der Vorteil von Relai kleiner. "Falsch", kontert Tobias Reichmuth, "Banken werden nur Private- und nicht Retail-Kunden bedienen"

Erkennt Bettina Hein ebenfalls zumindest "ein paar Elemente von Schneeballsystem", stört sich die Investoren vor allem am hohen Energieverbrauch beim Mining. Reichmuth wirft sich auch hier in die Bresche für Relai und für die Branche: "Gold Mining braucht mehr Energie als Bitcoin Mining – und es ist das Gold des 21. Jahrhunderts".

Nach so viel Fürsprache gibt's kein zurück, Relai bekommt den Zuschlag für den Deal. Tobias Reichmuth investiert 300'000 Franken für 3 Prozent und er überzeugt auch Bettina Hein, die mit 200'000 Franken gegen 2 Prozent der Firmananteile beim Bitcoin-FinTech einsteigt.

Die FinTech-Bilanz in der dritten Staffel der "Höhle der Löwen"

In der 2021er-Staffel waren vier FinTechs im Rennen. Tilbago in der ersten Sendung und das Vosorge-FinTech Sparbatze in der Folge 4 vermochten die Löwinnen und Löwen nicht zu einem Investment zu bewegen, abgeräumt haben dann Findependent in der Folge 5 und aktuell Relai in der sechsten Ausgabe.

Bei den Deals steht nicht unbedingt das Geld im Vordergrund. Beide FinTechs haben nach dem Handschag nicht nur Investoren mit an Bord, sondern vor allem engagierte Mitmacher. Roland Brack und Lukas Speiser werden Findependent, Bettina Hein und Tobias Reichmuth werden Relai mit Know-how, strategischer Begleitung und Kontakten unterstützen und weiterbringen. Das kann im Leben eines FinTechs sehr viel bewirken.

Deshalb ist die "Höhle der Löwen" Schweiz nicht nur eine Gründershow mit Unterhaltungswert, das ist sie natürlich schon, die Höhle ist jedoch vor allem auch eine Bühne für Startups mit überzeugenden und starken Geschäftsmodellen, die schneller wachsen und skalieren wollen. Startups und FinTechs mit dem Mut, ihr Geschätsmodell öffentlich auf den Prüfstand zu stellen, können in mehrfacher Hinsicht profitieren. Im schlechtesten Fall legen sie an Bekanntheit zu und erhalten wertvolle Inputs. Im besten Fall holen sie Investorinnen und Investoren mit an Bord, welche die weitere (Erfolgs-) Geschichte des Unternehmens massgeblich beeinflussen können.

Und die anderen Startups in der Folge 6 der "Höhle der Löwen"?

Von der natürlichen Traubenschorle Adam + Uva haben sich die Investoren Lukas Speiser und Tobias Reichmuth begeistern lassen. Sie werden zu Winzern mit je 40'000 Franken für jeweils 5 Prozent der Firmenanteile.

Kein Deal für das Team Nagelstock, dafür viel Sympathien für die Macher des Après-Ski-Spiels, das als Alternative zum Töggelikasten ein Revival feiern soll.

Die hohe Bewertung (1 Million für 15 Prozent) von Silent Sleep hat die Investorinnen und Investoren zu einem "grundsätzlich guten Produkt" auf Distanz bleiben lassen. Ein medizinisches Didgeridoo, das beim Bespielen Schlafapnoe therapieren und damit auch gleich die Ursachen von Schnarchen beheben soll. Wird's demnächst nachts deutlich ruhiger in der Schweiz und sind tagsüber mehr ausgeschlafene Menschen unterwegs, könnte das mit der Erfindung der Gründer von Silent Sleep zusammenhängen.

Die Bio-Gewürze und Kräuter von Ehrenwort Genussmomente sind ohne Deal geblieben, ebenso das glamouröse Desinfektionsmittel Création d’Alain. Letzteres ist insofern originell, als es gewissermassen als eierlegende Wollmilchsau der Desinfektionsmittel positioniert ist Angereichert mit reinem 999er-Silber und 24-Karat-Gold soll es die Haut nicht nur von bösen Viren befreien, sondern auch pflegen, verjüngen und vor Sonne schützen. "Coole Idee", befanden die Löwinnen und Löwen, "eher ein Accessoire als blosse Desinfektion". Dennoch stand die Hoffnung für die Menschheit und damit gleichzeitig die Befürchtung für das Startup im Vordergrund, dass irgendwann nicht mehr desinfiziert werden muss. Überleben die Viren nicht, sinken auch die Überlebenschancen für das Startup.