FinTechs & Neo-Banken

Neo-Banken vor dem Härtetest: die nächsten Jahre trennen die Mittelmässigen von den Besten

Ein Banker überspringt eine Schlucht im Sonnenuntergang
Bild: Tumisu | Pixabay

FinTechs und Neo-Banken wachsen langsamer – Ansprüche und Anforderungen nicht, die nehmen weiterhin zu.

Als die ersten FinTechs und Neo-Banken im Finanzmarkt aufgepoppt sind, fanden sie in ihren Anfangsjahren noch relativ viel Narrenfreiheit und experimentelle Spielwiesen vor. Das Phänomen der Startups mit grossen Ambitionen war neu, Gesetzgeber und Regulierer mussten die damals "jungen Wilden" erst einordnen. Man liess sich Zeit und Aufsichtsbehörden waren tendzenziell auch eher grosszügig, die Startup-Unternehmen waren zu Beginn der FinTech-Bewegung klein und konnten keinen grossen Schaden anrichten. Zudem wollten Aufsichtsbehörden aufstrebende Jungunternehmen nicht ausbremsen, Innovation sollte gefördert werden, so lange die gängigen Regeln eingehalten werden.

Einige der Exponenten aus dem FinTech-Lager sind nach anfänglichen Startschwierigkeiten eher schnell gewachsen, haben durch den Erfolg mit sichtbarer Grösse Investorengelder angezogen und sind dadurch explosionsartig gewachsen.

Billiges Kapital hat FinTechs und Neo-Banken gross werden lassen

Während den Negativzins-Jahren haben viele FinTechs und Neo-Banken von der Epoche des fast unbeschränkt verfügbaren Kapitals profitiert, einige massiv und überproportional. Dazu gehören zum Beispiel Revolut, N26, Klarna und weitere. Waren vorher Finanzierungsrunden von 50 oder 100 Millionen US-Dollar eine fette Schlagzeige wert, haben sich diese Grössenordnungen in Richtung von Superlativen verschoben. In dieser Zeit sind in einzelnen Finanzierungsrunden Summen geflossen, die man vorher nicht gesehen hat: 1 Milliarde US-Dollar für Klarna, 900 Millionen für N26, 800 Millionen für Revolut und weitere Mega-Fundings für andere FinTechs waren fast schon an der Tagesordnung.

Mit dem frischen Kapital aus riesigen Füllhörnern haben die Neo-Banken das gemacht, was zu dieser Zeit angesagt war: sie sind explosiv gewachsen. Kundenzahlen schossen in die Höhe, geografische Expansion ging in die Breite.

Diese Fundings waren teilweise auch mit abenteuerlichen Firmenbewertungen verbunden, die wenig mit realen Umsätzen oder Gewinnaussichten zu tun hatten, mehr mit forciertem Kundenwachstum und dem Blick auf einen baldigen Börsengang.

Seit Geld wieder einen Preis hat: Strategiewechsel

Investorengelder fliessen auch heute noch, allerdings spärlicher und meistens in kleineren Tranchen. Und vor allem verbunden mit der klaren Direktive: nicht mehr wachsen um jeden Preis, konsolidieren, sparen, Rentabilität anpeilen.

Das fällt den einen FinTechs und Neo-Banken schwerer als den anderen – ein Herkulesaufgabe ist es für alle. Auf den oftmalsl abrupt verordneten und eingeleiteten Strategiewechsel – eigentlich eine Schubumkehr – waren die meisten Unternehmen nicht vorbereitet. Steht aufs Mal Rentabilität auf der Zielflagge, sind notwendige Strukturen, umgebaute Firmenkultur, veränderte Angebotsformen oder auch angepasste Pricings nicht über Nacht bereit. 

Dazu kommt: Aufsichtsbehörden schauen genauer hin

Einige der heute bekannten FinTechs und Neo-Banken sind dermassen schnell gewachsen, dass sie sich bereits vor der Trendwende im Investorenzirkus und Finanzierungsmarkt verstärkt auf den Radar der Aufsichtsbehörden gespielt haben. Das hängt nicht nur mit der schieren Grösse zusammen, vielmehr mit den Problemen, die schnelles Wachstum mit sich bringen kann.

FinTechs und Neo-Banken haben mit ihrer Startup-Denke teilweise aufsichtsrechtliche Vorschriften grosszügiger ausgelegt, als FINMAs oder BaFins das dulden wollten. Das war eher ein kulturelles Problem. Bei anderen haben notwendige Prozesse rund um KYC oder Geldwäschebekämpfung nicht Schritt halten können mit dem explosiven Wachstum. Das waren dann strukturelle Probleme.

Für die Aufsichtsbehörden ist das allerdings gehupft wie gesprungen – ist ein FinTech dem Sandkasten entwachsen, hat das Experimentallabor verlassen und eine beachtliche Grösse erreicht, wird eine Neo-Bank behandelt wie eine Bank. Das ist auch richtig so, weil sich eine grosse Neo-Bank rechtlich nicht von einer klassischen Bank unterscheidet.

Einige Neo-Banken sind denn auch in verschiedenen Zusammenhängen von den Aufsichtsbehörden gerüffelt oder verwarnt worden. Dass es für FinTechs und Neo-Banken bitter werden kann, wenn diese gelben Karten nicht ernstgenommen werden, zeigen zwei Beispiele.

Massnahmen der Aufsichtsbehörden als bremsende Faktoren

Nicht gemachte Hausaufgaben führen zu drastischen Massnahmen, welche Geschäftsmodell und Entwicklung für längere Zeit negativ beeinflussen können.

Beispiel N26
Begonnen hat das Trauerspiel mit einer von der BaFin verhängten Busse in der Höhe von 4.25 Millionen Euro "wegen einer hohen Anzahl verspäteter Verdachtsmeldungen". Damit könnte eine Neo-Bank noch leben, festgestellte Mängel haben jedoch zu weiteren verschärften Auflagen und zur Bestellung eines Sonderbeauftragten der BaFin geführt, der die Anordnung vom Mai 2021 zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung überwachen soll.

Im Oktober 2021 hat die BaFin der Neo-Bank einen zweiten Sonderbeauftragen ins Haus gesetzt, der überwachen soll, dass eine "ordnungsgemässe Geschäftsorganisation wiederhergestellt wird und Risiken für die operationelle Resizlienz eingedämmt werden". Knüppelhart kam es für die Berliner Neo-Bank mit der zusätzlichen Auflage, dass N26 nur noch um 50'000 Neukunden pro Monat wachsen darf. Diese Wachstumsbegrenzung trifft eine erfolgreiche Neo-Bank ins Herz ihres Geschäftsmodells.

Offenbar sind die beanstandeten Punkte bis heute nicht zur Zufriedenheit der BaFin bereinigt, die Auflagen sind nach wie vor in Kraft.

Beispiel Solaris
Mit einer Meldung Ende Januar 2023 hat die BaFin verschiedene Massnahmen gegenüber von Solaris publik gemacht. Solaris ist eine der grossen Anbieterinnen in den Bereichen Embedded Finance und Banking as a Service.

Mit ihrer Verfügung ordnet die BaFin für Solaris die "Sicherstellung einer ordnungsgemässen Geschäftsorganisation in den Bereichen Risikomanagement und Geldwäscheprävention an, beschränkt neue Kooperationspartnerschaften und bestellt einen Sonderbeauftragten*.

Neben den unangenehmen Auflagen und Einschränkungen ist für Solaris ein Punkt zusätzlich brisant: das FinTech stellt seine Banklizenz für eine Vielzahl von Leistungen und Prozessen zur Verfügung, die Kunden und Unternehmen ohne Banklizenz nutzen können. Diese Kunden müssen sich deshalb darauf verlassen können, dass in Anspruch genommene Leistungen und Services auch regulatorisch korrekt ablaufen.

Herausforderungen in der Phase der Konsolidierung

FinTechs und Neo-Banken wachsen langsamer – Ansprüche und Forderungen nicht, die nehmen weiterhin zu.

Zum einen steht der bereits angeführte Kraftakt auf dem Programm, den Weg zur Profitabilität zu finden. Das ist auch der Härtetest für das Geschäftsmodell. Neo-Banken müssen beweisen, dass sie in der Lage sind, mit ihren Produkten und Services Geld zu verdienen und Gewinn zu erwirtschaften. Klassische Banken werden zurückgelehnt zuschauen, ob ihnen das auch gelingt.

Je nach Neo-Bank und Investoren gibt's mehr oder weniger Druck in Bezug auf Schritte, Phasen und Tempo. Die finanziellen Möglichkeiten und Spielräume sind unterschiedlich und dadurch ebenfalls mehr oder weniger komfortabel für diese wichtige Phase der Konsolidierung ausgelegt.

Zudem, wie die Beispiel zeigen, stehen vor allem schnell gewachsene FinTechs und Neo-Banken verstärkt im Fokus der Aufsichtsbehörden. Alle Auflagen einzuhalten ist anspruchsvoll, die Compliance ist zeit- und kostenintensiv. Nicht eingehaltene Auflagen und entsprechende Sanktionen dürften jedoch deutlich teurer werden und können die geschäftliche Entwicklung stark behindern.

Dazu kommt ein weitererer Punkt, der Neo-Banken vor zusätzliche Herausforderungen stellen kann. Spielt geografische Expansion praktisch keine Rolle mehr, konzentrieren sich die Anstrengungen der FinTechs auf bestehende Märkte. Dadurch werden andere Neo-Banken verstärkt zur Konkurrenz, die ebenfalls in diesen Märkten sitzen und Marktanteile verteidigen oder ausbauen wollen, weil auch sie nicht mehr "ausserhalb" expandieren.

Unter diesen Prämissen werden die nächsten Jahre spannender, als es die vergangenen waren. Mit viel Geld zu wachsen, ist kein grosses Kunststück, das bekommen fast alle hin. Unter erschwerten Bedingungen zu bestehen und profitabel zu werden, das ist die Herausforderung, welche die Besten von den Mittelmässigen trennen wird.