Startups & Crowdinvesting

Startup SmartPurse will sich mit Crowdinvesting finanzieren

Jude Kelly und Olga Miler, die Gründerinnen von SmartPurse
Jude Kelly und Olga Miler, die Gründerinnen von SmartPurse | Bild: SmartPurse

Crowdinvesting gewinnt an Fahrt als Finanzierungskanal für Startups und FinTechs – auch die Finanzplattform SmartPurse setzt auf die Crowd.

Das Startup SmartPurse haben wir vor einigen Monaten porträtiert, hier. Die Finanzplattform der beiden FinTech-Pionierinnen Olga Miler und Jude Kelly hat eine besondere Ausrichtung, sie will in erster Linie Frauen fit machen für den Umgang mit ihren eigenen Finanzen. Männer bleiben allerdings nicht ausgeschlossen, das Unternehmen hat sich das Credo "unabhängiges Finanzwissen für alle" auf die Flagge geschrieben.

Das Startup bietet seit 2021 online digitale Lernprogramme, Live-Kurse und Events, eine Money School, Beratung sowie laufend Informationen und Tipps über Blog und Newsletter. Vieles ist kostenlos, zum Beispiel auch das von Olga Miler betreute Format Money Talks auf "Watson", das regelmässig geballtes Finanzwissen in allgemein verständlicher Form anbietet.

Kurse oder Schulungsangebote mit einem Preisschild bleiben in den Kosten moderat. Zudem gibt's für Menschen mit niedrigem Einkommen Stipendien. Anders als vergleichbare Plattformen betreibt SmartPurse sein Portal unabhängig, werbefrei und verkauft oder vermittelt keine Finanzprodukte – die Gründerinnen fokussieren ausschliesslich auf Information und Finanzbildung, sie wollen mit ihren Finanztrainings Frauen zu finanzieller Unabhängigkeit verhelfen.

Erfolg schaffen die Gründerinnen, frisches Kapital kommt von der Crowd

Nach Aussagen von Miler und Kelly wächst ihr Startup schnell, Plattform und Angebote stossen auf eine breite Resonanz. Um mit der steigenden Nachfrage Schritt zu halten, braucht das Unternehmen frisches Kapital. Was zahlreichen Startups und FinTechs in den letzten Monaten gelungen ist, hat auch SmartPurse auf dem Schirm, das Startup setzt mit Crowdinvesting auf die Community.

SmartPurse hat eine Crowdinvesting-Kampagne lanciert und möchte mit Unterstützung der Crowd das Geschäftsmodell weiter skalieren. Die Kampagne ist im Juli auf der Plattform Conda gestartet und hat ein Fundingziel von 400'000 Franken. Bisher sind 34 Investoren mit knapp 200'000 Franken an Bord, die mit ihrem finanziellen Engagement zu Aktionärinnen und Aktionären des Startups werden.

Der Einstieg ist, ausgerichtet auf die unterschiedlichen persönlichen Budgets der Community, ab 550 Franken möglich. SmartPurse hat allerdings, neben Kleininvestoren, auch Investorinnen und Investoren mit grösseren Anlagebudgets im Visier. Mehrere Aktionärs-Pakete zwischen 5 Aktien (Pionier mit CHF 2'750) und 91 Aktien (Game Changer mit CHF 50'050) sind mit unterschiedlichen Prämien und Benefits verbunden. Die bisher realisierte Durchschnitts-Investition von rund 5'800 Franken ist ein Hinweis darauf, dass bereits grössere Summen investiert oder Pakete gezeichnet worden sind.

Wo die Crowdinvesting-Initiative der Plattform für eine "finanzklügere Schweiz" landen wird, zeigt sich in neun Tagen beim Abschluss der Kampagne. Was das Startup SmartPurse auf seiner bisher zweijährigen Reise erreicht hat, kann heute schon betrachtet werden, im folgenden Video.

Crowdinvesting als Finanzierungs-Instrument im Aufwind

SmartPurse steht mit seiner aktuellen Kampagne in einer wachsenden Reihe von Startups und FinTechs, die in den letzten Monaten Crowdinvesting-Kampagnen lanciert und teilweise sehr erfolgeich abgeschlossen haben. Dazu gehören zum Bespiel Neon, Inyova, Lend, Relai, ElleXX und weitere. Erfolgreich heisst zum einen, dass die individuell gesetzten Finanzierungsziele erreicht worden sind. Erfolgreich bedeutet aber auch, dass die inzwischen erreichbaren und tatsächlich realisierten Summen grösser geworden sind.

So hat zum Beispiel die Crowdinvesting-Kampagne des Impact-Investing-FinTechs Inyova 7 Millionen eingespielt und die Neo-Bank Neon hat mit zwei Kampagnen insgesamt 13.6 Millionen Franken eingesammelt. Diese Summen, mittlerweile weit entfernt von Peanuts, bringen nicht nur beachtliche Kapitalerhöhungen, sie schaffen auch zusätzliche Verbindungen und Kitt zu Mitgliedern aus der Community, die als Aktionäre zu wertvollen Botschaftern des Unternehmens werden. Es schafft Unterschiede, ob man "nur" als zufriedener Kunde ab und zu über ein Startup redet oder als überzeugte Anteilseignerin Freunden und Bekannten das eigene Unternehmen näherbringt.

Hat Crowdinvesting auch Nachteile?

Wenn man mögliche Kapitalverwässerungen, die bei jeder Kapitalerhöhung stattfinden, nicht als unerwünschten Einschnitt sehen will, sind eher keine Nachteile in Sicht. Dasselbe gilt für das Mitspracherecht der neuen Aktionärinnen und Aktionäre. Eine veränderte und vergrösserte Aktionärsstruktur bringt einen administrativen Mehraufwand. Das damit verbundene Mitspracherecht kann jedoch eher als Vorteil gewertet werden, wenn neue engagierte Investoren mit im Boot sind, denen die Entwicklung ihres Unternehmens am Herzen liegt. 

Einige Startups lassen Mitsprache nicht zu, indem sie keine Stammaktien ausgeben, sondern Partizipationsscheine anbieten. Das kann allerdings zu Enttäuschungen bei Kleininvestoren aus der Community führen, die sich diesen Unterschieden teilweise erst nach dem Kauf von Aktien bewusst werden. Richtig beteiligt an einem Unternehmen fühlt sich nur, wer auch eine Stimme hat und diese einlegen kann.

Der wichtigste Punkt, den Startups bei Crowdinvesting-Ambitionen im Auge behalten sollten, liegt allerdings anderswo. Unternehmen mit einer grossen Community wollen aus Kunden Aktionärinnen und Aktionäre machen. Das ist aus genannten Gründen grundsätzlich eine gute Idee. Die schon bestehende Nähe zwischen Unternehmen und Community führt oftmals dazu, dass Crowdinvesting-Kampagnen von viel Euphorie auf beiden Seiten begleitet werden. Mit Ehrlichkeit und Offenheit, ohne überzogene Bewertungen und ohne unrealistische Zielversprechen, können Startups verhindern, dass diese Euphorie später in Ernüchterung und Frustration umschlägt.

Die Community ist im Gegensatz zu professionellen Investoren eher geduldig, möchte jedoch abgegebene Ziel- oder Dividendenversprechen eines Tages ebenfalls erfüllt sehen. Erweisen sich innerhalb einer Crowdinvesting-Kampagne geschürte Erwartungen später als viel zu hoch fliegende Traumtänzereien ohne Realitätsbezug, wird auch eine geduldige Community möglicherweise etwas rachsüchtig. Das könnte zu harschen Reaktionen und Publizität in sozialen Netzwerken führen, die sich kein Startup wünscht.

Deshalb: von der Community entgegengebrachtes Vertrauen muss gerechtfertigt und abgegebene Versprechen müssen eingelöst werden. Zu euphorische oder selbstverliebte Startups, die das weder wollen noch können, sollten die Finger von Crowdinvesting lassen. Ein zu kraftvoll geworfener Bumerang kann mit etwas Zeitverzögerung einem Unternehmen unerwartet heftig und gnadenlos ins Genick krachen.