Digitale Identität

E-ID Schweiz: Düstere Prognosen für die digitale Identität der Schweiz

Symbolische Darstellung der E-ID
Bild: hidesy | Getty Images

Fragt man Experten und Exponenten aus der Branche, bekommt das E-ID-Projekt schlechte Noten und die E-ID selbst eine düstere Prognose.

Wir haben ad hoc in der Branche rumgefragt, wie die Situation zum aktuellen Stand der E-ID eingeschätzt und bewertet wird. Statements und Meinungen sind erstaunlich einhellig, Ärger und Enttäuschung schwingen mit.

Die gehörten Meinungen und formulierten Prognosen fassen wir sinngemäss komprimiert zu einem kurzen Stimmungsbild zusammen. Das ist nicht repräsentativ, zudem höchst unwissenschaftlich, aber interessant. Ein Stimmungsbild eben, angesiedelt irgendwo zwischen frustriert, fatalistisch und düster. Gehörte Kraftausdrücke und Verunglimpfungen, ausgelöst durch unkontrollierte Frustrationsausbrüche, lassen wir mit Bedacht aussen vor.

Zum Gesundheitszustand der digitalen Identität (E-ID) für die Schweizer Bevölkerung

Die meisten Exponenten nehmen bei der E-ID keinen fühlbaren Puls mehr wahr und schreiben die offizielle digitale Identität für die Schweiz in der angedachten und geplanten Form ab. In nahezu schon beunruhigender Einigkeit aus den folgenden Gründen:

Die Situation bei der E-ID ist deutlich komplexer als das verabschiedete Gesetz vermuten lässt. Vieles ist im Gesetz nicht geregelt und wird auf Ebene Verordnung entschieden – ohne Mitspracherecht durch das Volk.

Das wiederum wird von Gegnern als zusätzliches Argument gegen das E-ID-Gesetz ins Feld geführt. Schweizerinnen und Schweizer mögen keine Black Box mit Wundertüte, deren Inhalt und mögliche Auswirkungen sie nicht kennen.

Deshalb schlechte Chancen für das Gesetz, gute Chancen für das Referendum. Zumal die Schweizer Bevölkerung, und das ist das Hauptargument der Gegner, in mehreren Umfragen für den Staat als Herausgeber der E-ID votiert hat.

Zusammengefasst liest sich der Tenor in Richtung von: Hausaufgaben bei der Ausarbeitung des E-ID-Gesetzes nicht gemacht, Kritik nicht gewürdigt, Widerstand unterschätzt, des Volkes Stimme ignoriert und nicht nachgefragt – jetzt haben wir den selbst angerichteten Salat.

Die vorherrschende Prognose als Szenario

Auch bei hartgesottenen Optimisten war wenig Erfreuliches zu vernehmen, die weitergeführte Einigkeit schlägt sich nieder in trüben Szenarien und düsteren Prognosen für die nähere Zukunft:

  • Das Referendum kommt zustande.
  • Das E-ID-Gesetz wird durch das Schweizer Volk in zwei Jahren gekippt und bachab geschickt.
  • Danach steht die offizielle und nationale Lösung für eine digitale Identität wieder auf Feld 1, alles beginnt (einmal mehr) von vorne, weitere zwei bis drei Jahre trennen die Schweizer Bevölkerung von einer nationalen E-ID.
  • Inzwischen herrscht in der Schweiz buntes technologisches Treiben, zahlreiche Gruppen und Tech-Unternehmen entwickeln weiter, bieten ihre eigenen Lösungen an, keine wird sich durchsetzen, weil bei allen Akzeptanz, nationale Breite und der Rückhalt des Staates fehlt.
  • Kein Problem, die Schweiz hat soeben die Tore weit geöffnet für die Big Techs dieser Welt, die werden sämtliche Lücken ausfüllen und mit komfortablen Lösungen Erfolg haben, weil sie die Schweiz und den Rest der Welt bereits in ihrem Nutzer- und Kundenstamm führen – so geht's auch ohne Staat, Millionen und Milliarden User sind sich das von Big Techs gewohnt.
  • Kommt die nationale und offizielle E-ID, ausgegeben vom Staat, dereinst doch noch in einigen Jahren auf den Markt, hat sie nur dann Chancen auf Erfolg, wenn sie Dinge kann, die Big Techs und andere Anbieter nicht können, wenn die E-ID so wie ein Pass funktioniert, vielleicht sogar einer ist.

Fazit: Die aktuelle Stimmung liest sich getrübt und erinnert nicht an eine Party, welche den Geburtstag der offiziellen Schweizer E-ID begleiten soll. Man könnte sich auch kürzer fassen und etwas salopp sagen: Der Mist ist geführt, der Karren steckt im Dreck.

Es sein denn, davon geht allerdings niemand aus, das Referendum kommt nicht zustande. Wäre dem so, wäre das nach vorherrschender Meinung jedoch nur der Unterschied zwischen Regen und Traufe, weil eine nicht-staatliche Lösung längerfristig einen schweren Stand haben würde.

Die Zukunft wird zeigen, wohin die Reise geht. Über Aufhellungen an der Stimmungsfront und über Wetterveränderungen werden wir berichten.

Apropos Aufhellungen

Wer jetzt sagt: "Die liegen alle falsch (vielleicht), ich bin nicht gefragt worden (stimmt), alles kommt gut (wer weiss?)!", der soll mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg halten: Er oder sie, Person oder Interessengemeinschaft, Unternehmen oder Institution, bekommt von uns redaktionellen Raum, um unseren Leserinnen und Lesern seine positive Betrachtung und Sicht der Dinge vorzustellen. Wir sind gespannt, Beiträge zur vorgezogenen Aufhellung der Grosswetterlage sind hier willkommen.