Apple Pay – Fakten, Fragezeichen und Prognosen

Bild: Quelle Apple Inc.

Dass Apple Pay auf die Schweiz schielt, ist nicht neu. Und die aktuelle Konkretisierung ist auch noch nicht DER Paukenschlag.


Öffnung auf der einen und Blockade auf der anderen Seite

Die Änderung der Politik von Apple gegenüber Entwicklern ist wegweisend: Apple öffnet sich und bietet Schnittstellen für Entwickler, welche so eigene Apps mit Apple-Funktionen kombinieren können. Das ist gut, das ist sehr gut – für Entwickler, für Apple und in der Konsequenz vor allem für User. Diese Neuerungen sind denn auch mit Gewicht an der Entwicklerkonferenz 2016 in die WWDC Keynote von Apple eingeflossen.

Dass Apple mit Apple Pay in der Schweiz starten möchte, ist mehr am Rande und eher beiläufig kommuniziert worden. Das ist interessant. Weil diese Zurückhaltung atypisch ist und Gründe haben dürfte. Zumal Apple Pay erst in wenigen Ländern aktiv läuft – deshalb ist aktuell jeder zusätzliche Markteintritt von Bedeutung. Und die Frage stellt sich, weshalb grosse Märkte wie zum Beispiel Deutschland hinter der Schweiz zurückstehen müssen? Ausserdem: So offen aktuell gegenüber Entwicklern agiert wird, so restriktiv gibt sich Apple beim Thema NFC. Die Funktion bleibt weiterhin blockiert und ausschliesslich den Apple-Services vorbehalten. Eine Haltung, die sich als Bumerang erweisen könnte.

Wann startet Apple Pay in der Schweiz?

Je nach Gesprächspartner variiert der Startzeitpunkt zwischen "diesen Sommer" (Visa) und "in einigen Monaten" oder "demnächst" oder "bald" (Apple und Umfeld). Zwischen diesen diffusen Angaben liegt Spielraum, den das neue TWINT nutzen kann.

Wer ist bei Apple Pay mit an Bord?

MasterCard und Visa sind mit dabei. Entscheidend ist jedoch, welche Kartenherausgeber Apple Pay unterstützen werden. Im Moment sind das Bonus Card, Cornèrcard und Swiss Bankers. Aktuell scheinen zahlreiche Banken und Herausgeber wenig Lust zu verspüren, Apple Pay Rückenwind zu geben. Bleibt diese Unlust bestehen, kann Apple keinen furiosen Start in der Schweiz hinlegen, TWINT wird davon profitieren.

Die momentane Bilanz: Apple Pay versus TWINT

Die Startvoraussetzungen sind interessant verteilt – aktuell ziemlich ausgewogen, allerdings aus völlig unterschiedlichen Gründen oder präziser: aufgrund unterschiedlich ausgeprägter Stärken und Schwächen. Einige zentrale Punkte, die über den Erfolg der einen oder anderen Lösung mitentscheiden können, haben wir in Kurzform zusammengestellt.

Apple Pay

  • Komfort und Coolness
    Apple versteht sich meisterhaft darauf, Funktionen in coolem Look und einfach in der Bedienung anzubieten. Auch und gerade das Bezahlen mit einer Berührung, ohne Scans, Codes und Umwege, wird gut ankommen (Touch ID).
  • Apple-Kosmos
    Alles in einem Gerät auf dem der angebissene Apfel steht, verbunden mit weiteren Features – User mögen das. Zudem hat Apple mit iPhone ein Ökosystem etabliert, dessen Vorteile auch in der Kommunikation von Apple Gewicht und Überzeugungskraft haben.
  • iPhone-Land Schweiz
    Was sich wie eine perfekte Voraussetzung anhört, muss auf den zweiten Blick keine bleiben. 54 Prozent iPhone User können sich freuen. Fast ebensoviele Nicht-iPhone-User weniger, die wohl smart bezahlen möchten, aber eben über ihre Android-Phones.
  • Zurückhaltung der Kartenherausgeber
    Ziehen die herausgebenden Banken weiterhin an einem Strick, kann der Start für Apple Pay ziemlich harzig werden. Apple hat allerdings aus dem Markteintritt in anderen Ländern bereits "Erfahrung" damit, mit überschaubarem Partner-Portfolio zu starten und dennoch eher schnell zu wachsen (Druck von Usern und Markt auf Banken).
  • NFC
    Exklusiv für Apple Pay reserviert, blockiert für andere Anbieter. Aus der Sicht von Apple einleuchtend. Denkbar bleibt jedoch, dass der faktische Vorteil zum ideellen Bumerang werden kann, dass bestimmte Gruppen von iPhone-Usern diesen indirekten Druck schlicht nicht goutieren und deshalb auf andere Lösungen setzen. Im Moment dann eben ohne NFC.
  • Wundertüte
    Apple ist immer für Überraschungen gut. Deshalb: Apple hat mit seiner mobilen Bezahllösung in Zukunft noch viel vor. Auch und gerade im E-Commerce, M-Commerce und peripheren Bereichen. Apple denkt (fast) immer vor allem in User-Dimensionen: was gewünscht ist, Nutzen bringt, das Leben einfacher macht und User bindet, das wird geliefert.

TWINT (nach Fusion mit Paymit)

  • Ein starkes Produkt
    Gelingt Paymit und TWINT die Zusammenführung der Stärken beider Anwendungen, dann entsteht ein wirklich gutes Tool mit zahlreichen Mehrwertleistungen.
  • Rückenwind der Banken
    Bei Paymit und TWINT zusammengenommen sind alle grossen Banken und zahlreiche kleinere Player mit im Boot. Bleibt diese starke Basis dem fusionierten Produkt erhalten, dann steuern die Banken selbst massgeblich den Erfolg ihrer eigenen Anwendung – oder eben die Verbreitung von Apple Pay. Wichtig bleibt allerdings auch hier: Was wünschen die Kunden, welche Lösung überzeugt User und Handel? Apple, Banken und Partner werden den Kampf nicht unter sich allein und unter Ausschluss der Kunden austragen können.
  • Bestehende Partnerschaften
    Neben den Banken weitere starke Partner im Verbund zu haben, ist ein klarer Pluspunkt. Swisscom auf der einen Seite, Migros, Coop, Brack und andere als direkte Verbindung zu zahlenden Konsumenten auf der anderen Seite. Das garantiert nicht unbedingt Exklusivität auf Dauer, aber immerhin den Start auf selbst besetztem Terrain, das direkt bewirtschaftet werden kann.
  • Gesamtmarkt und Flexibilität
    Das neue TWINT fokussiert nicht exklusiv auf iPhone-Anwender, das Produkt ist auch offen für Android und damit für den gesamten Markt. Zudem ist die Zahlungsanbindung nicht nur über Kreditkarten möglich, sondern auch über eine direkte Kontoanbindung der teilnehmenden Banken. Beide Punkte erweitern Markt, Zielgruppen und liefern Argumente für die Kommunikation.
  • NFC
    NFC ist im Moment durch Apple blockiert. Paymit und TWINT wissen sich jedoch zu helfen und setzen auf QR-Code, Bluetooth, Beacons – und NFC als mögliche Erweiterung, wenn Cupertino über kurz oder lang den Segen dazu gibt und die Funktion öffnet.
  • Kommunikation
    Der Finanzplatz Schweiz und alle beteiligten Partner verfügen gemeinsam über eine massive Kommunikations-Kraft. Werden Kräfte strategisch gebündelt, Konzepte intelligent konzertiert und mutige Massnahmen realisiert, lässt sich dadurch viel bewegen. Zudem wird der Markteintritt von Apple Pay helfen, Zahlungen übers Smartphone generell zu promoten und als Gewohnheit zu etablieren – davon wird auch TWINT profitieren.
  • Swissness
    Den Punkt von Schweizerkreuz und Armbrust sollte man nicht überschätzen, jedoch auch nicht ganz ausser Acht lassen. Stimmen Angebot, Leistungen, Komfort, Flexibilität und Coolness, kann bei gleichwertigen Lösungen zuweilen ein Hauch von Solidarität zum Zünglein an der Waage werden.

Aus unserer Sicht sind die Spiesse gleich lang und das neue TWINT hat sehr gute Voraussetzungen für einen starken Fusions-Relaunch und auch für einen dauerhaften Erfolg in der Schweiz. Wenn TWINT in den Bereichen Coolness, Einfachheit, Tempo und Komfort am Ball bleibt und nachlegt, dann lassen sich die Chancen noch vergrössern.

Und alle anderen?

Im Moment stehen primär die Lösungen von Apple und von TWINT im medialen Fokus – der Horizont sollte allerdings noch etwas breiter gefasst werden. SwissWallet hat weiterhin Pläne, die PostFinance App mit einem riesigen Kundenportfolio auch, Muume hat kürzlich 2,2 Mio Wachstumsfinanzierung erhalten, Google, Samsung und weitere Internationale entwickeln ebenfalls Strategien für unseren Markt – und alle wünschen sich ein grosses Stück vom überschaubaren Schweizer Kuchen.

Die nächsten Wochen und Monate bleiben spannend.

Details zu Apple Pay Schweiz: Website Apple

Details zu TWINT: Website TWINT | Website Paymit

Stichworte im Lexikon zum Thema: Mobile Lösungen Schweiz | NFC | QR-Code | E-Commerce