Embedded Finance

Kontextuelles Retail-Banking: So einfach wie die Erstellung eines Social-Media-Accounts

Frau und Mann schauen zusammen in einen Laptop
Bild: sanjeri | Getty Images

Warum die Stichworte Banking as a Service, Embedded Finance und Kontextuelles Banking für klassische Finanzinstitute immer wichtiger werden.

Sei es bei der Onlinebuchung einer Reise inklusive Transfer zum und vom Flughafen, Unterkunft und Sightseeing-Programm oder dem kontaktlosen Bezahlen im Supermarkt – wir wollen Zugang zu Dienstleistungen, die einfach und schnell sind und unseren persönlichen Bedürfnissen entsprechen. Unser Privatleben ist oft hektisch und stressig. Da kann es frustrierend sein, wenn Dienstleistungen kompliziert oder schwer zugänglich sind. Wir entscheiden uns also eher für Unternehmen, die uns ein integriertes, nahtloses Kundenerlebnis bieten. In Bezug auf Finanzdienstleistungen bedeutet dies, innerhalb einer bestehenden User Journey Zugang zu Bankprodukten wie Sparkonten oder Darlehen zu haben.

Diese Verlagerung hin zu kontextuellen Finanzdienstleistungen bringt mit sich, dass Banken ihre Rolle neu denken müssen, um nicht an Relevanz zu verlieren. Die erfolgreiche Retail-Bank bettet ihre Dienstleistungen in andere Nutzererfahrungen, wie zum Beispiel die von Online-Einzelhandelsmarken ein und agiert innerhalb eines grösseren, vernetzten Finanzökosystems, das von Enablern – in der Regel FinTech- und BigTech-Unternehmen – orchestriert wird.  

Loyalität und Vertrauen neu denken

Für Banken mag die Idee, die Customer Journey durch Banking as a Service (BaaS) neu zu gestalten, einst wie eine Bedrohung gewirkt haben. In Wirklichkeit "gehört" jedoch niemandem ein Kunde. Über Jahre aufgebaute, loyale und vertrauensvolle Beziehungen spielen eine grosse Rolle bei der Entscheidung, welche Anbieter oder Marken die Kunden nutzen, aber in einer "On-Demand" -Ära, in der sich Trends schnell ändern, spielen Personalisierung, Komfort und Kosten oft eine grössere Rolle.

Wenn Brands, also die Unternehmen, die Finanzdienstleistungen vertreiben, die Bedürfnisse ihrer Kunden verstehen und ihre Dienstleistungen kontinuierlich an diese Bedürfnisse anpassen, ist es wahrscheinlicher, dass sie die Kundenbindung erhöhen. Eine Studie von Finastra zeigt, dass der häufigste Entscheidungsgrund von Brands für BaaS die Senkung der Betriebskosten ist. Dicht gefolgt von der Erhöhung der Kundentreue und -bindung, zum Beispiel durch ein besseres Kundenerlebnis, und einem verbesserten aktuellen Produkt- oder Dienstleistungsangebot, das durch einen besseren Zugang zu Daten weiter ausgebaut wird.

Davon profitieren auch Retail-Banken. Mit dem Vorteil eines starken Vertrauensverhältnisses können die Banken die neuen technologischen Möglichkeiten nutzen und ein viel nahtloseres, personalisiertes und unkompliziertes Erlebnis bieten. Ihre Bankmarke kann in dieser User Journey weiterhin sichtbar sein, was es ihnen ermöglicht, die Kundenbindung aufrechtzuerhalten und gleichzeitig den Service für bestehende Kunden zu verbessern und neue Kunden anzusprechen. Die Banken können den verbesserten Zugang zu den Daten ihrer Kunden zusätzlich nutzen, um ihre Angebote noch besser auf die individuellen Bedürfnisse zuzuschneiden. Die Personalisierung ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg von Retail-Banken.

Die wichtigsten Anwendungsfälle definieren

Die Implementierung oder das Angebot einer BaaS-Lösung sollte immer mit der Identifizierung einer Schwachstelle im Kundenservice und eines anschliessenden Anwendungsfalls beginnen. BaaS sollte eingeführt werden, um ein echtes Bedürfnis zu befriedigen, nicht um auf einen Trend aufzuspringen.

Unsere Umfrage hat ergeben, dass sich die Anbieter von BaaS-Lösungen derzeit vor allem auf das Privatkundengeschäft konzentrieren, wobei dieser Markt weiter wachsen wird. Bankkonten und Bankkarten haben derzeit die höchste Marktdurchdringung, gefolgt von elektronischen Geldbörsen (eWallets). Das grösste Wachstumspotenzial haben Point-of-Sale-Finanzierungen (PoS), deren Markt sich in den nächsten drei Jahren mehr als verdoppeln dürfte.

Ein Beispiel dafür, wie Bankkonten und PoS-Finanzierung genutzt werden können, ist die Planung eines Urlaubs. Hotelbuchungen und Flüge, insbesondere wenn es sich um Langstrecken handelt, können für den Einzelnen teuer sein, wenn er sie im Voraus bezahlen muss, ganz zu schweigen von den Ersparnissen, die für die Ausgaben während des Urlaubs erforderlich sind. Mit einer PoS-Finanzierungslösung kann der Kunde die Kosten in Raten und oft zinslos begleichen. Die Fluggesellschaft oder das Hotel könnte dem Kunden ausserdem ein Sparkonto anbieten, um ihn bei seinen Ausgaben zu unterstützen. 

Ein weiterer an Relevanz gewinnender Anwendungsfall ist die Vermögensverwaltung. Ein Krankenversicherer könnte seinen Kunden beispielsweise Vermögensverwaltungslösungen wie Investmentfonds oder Prämienpakete für Gesundheitsleistungen anbieten, die ihnen bei der Ruhestandsplanung oder beim Sparen für medizinische Auslagen helfen. 

Zusammenarbeit ist der Schlüssel

Viele glauben, dass die Implementierung von BaaS eine grosse Investition und massiven zeitlichen Aufwand erfordert. Tatsächlich war es für Banken jedoch noch nie so einfach, ihre Dienste in andere User Journeys zu integrieren. Mit der zunehmenden Nutzung offener APIs wird dies so einfach wie die Einrichtung eines Social-Media-Kontos.

Die Partnerschaft mit einem Enabler kann diesen Prozess zusätzlich vereinfachen. Enabler ermöglichen es, BaaS in grossem Massstab zu implementieren, und zwar viel schneller und zu geringeren Kosten als bei Partnerschaften, die auf Punkt-zu-Punkt-Verbindungen basieren. Indem sie als Marktplatz fungieren, bieten sie mehreren Embeddern Zugang zu zahlreichen Anbietern und umgekehrt. Doch wie wählt man den richtigen Partner aus?

Ein wichtiger Aspekt, auf den Sie achten sollten, ist die Frage, ob der Partner die von Ihnen erwarteten technologischen Vorteile bietet oder nicht. Ihr BaaS-Partner muss erstens die technologische Komplexität beseitigen, indem er die Integration sowohl für den Anbieter als auch für die Brand übernimmt. Zweitens sollte er die Markteinführung beschleunigen und sein bestehendes Netzwerk von FinTech-Anwendungen nutzen. Und schliesslich müssen sie in der Lage sein, den Vertrieb zu skalieren und den Anbietern dabei zu helfen, mehr Kunden über die Infrastruktur der Plattform zu erreichen.

Erfolgreiche Retail-Banken sind offen, kooperativ und bieten kontextuelle Finanzdienstleistungen an. Sie unterstützen ein Umfeld, in dem die Kunden Zugang zu Finanzdienstleistungen haben, die für sie relevant sind, wie und wo sie es wünschen. Es ist spannend, diese Branche zu beobachten, und ich freue mich darauf, zu sehen, wie sich neue Anwendungsfälle und Anwendungen für BaaS entwickeln werden.

Der Autor: Klaus Able

Klaus Able, Geschäftsführer Finastra, Deutschland

Klaus Able ist Geschäftsführer bei Finastra Deutschland. Das Technologie-Unternehmen bietet Lösungen im Bereich Open Finance, um Finanzinstitute mit Marktplätzen, Patnern und FinTechs zu vernetzen.

Vor seiner Zeit bei Finastra war Able in den Sparten Banken-Software und Banken-Systeme während zwei Jahrzehnten in führenden Positionen bei Temenos und Misys Banking Systems engagiert.