Hybride Beratung als Erfolgsfaktor

Leonie Kriett, Director bei Simon-Kucher & Partners
Leonie Kriett, Director bei Simon-Kucher & Partners

Unsere Gastautorin erklärt am Beispiel der Postfinance, warum die hybride Koexistenz von Robo Advisor und persönlicher Beratung Erfolg bringen kann.

Bankkunden wünschen weiterhin persönliche Beratungsleistungen. Der Erfolg der neuen hybriden Anlagelösungen von Postfinance bestätigt dies. Aber auch Zahlen des Beratungsunternehmens Simon-Kucher & Partners zeigen, dass viele Schweizer Privatanleger keine reinen Robo Advisor wollen.

Mit der Fondsberatung Basis, Anlageberatung Plus und E-Vermögensverwaltung, lanciert im Mai 2020, hat Postfinance ihre digitale Anlagelandschaft mit hybridem Beratungsmodell von Grund auf neu konzipiert. Die neuen Anlagelösungen starteten im Frühjahr letzten Jahres von null in den Markt und verzeichnen nach nur 18 Monaten fast eine Milliarde verwalteter Vermögen. Daniel Mewes, CIO und Leiter Asset Management Solutions bei Postfinance, sagt dazu:

Das Erfolgsgeheimnis liegt in der Kombination von einfachen, digitalen Lösungen mit der Möglichkeit, eine persönliche Beratung in Anspruch zu nehmen

Generell haben die digitalen Depoteröffnungen von Privatanlegern seit Beginn der Pandemie massiv zugelegt. Entgegen ersten Vermutungen, dass es sich hierbei um ein vorübergehendes Phänomen handelt, ist mittlerweile klar, dass wir eine tiefergehende Entwicklung beobachten. Die Pandemie hat auch im Bankenumfeld zu einem Digitalisierungsschub geführt. Verstärkt wurde dieser dadurch, dass zahlreiche neue Anlagelösungen mit tiefen Einstiegsvolumina locken, die sich intuitiv und einfach mit mobilen Geräten steuern lassen. Gleichzeitig haben traditionelle Sparinstrumente ihre Reize aufgrund von Negativzinsen und mangelnder Renditen von festverzinslichen Wertpapieren mit geringem Risiko verloren.

Knapp die Hälfte der Kunden will persönliche Beratung

Das Beispiel der Postfinance zeigt am konkreten Fall, wie die Kunden ihr Geld bevorzugt anlegen. Über 80 Prozent wählen für den Abschluss einer Anlagelösung den Filialbesuch. Dort erfahren sie vom Berater, wie sie ihre Anlagen auch digital verwalten können. So durchlaufen Kunden im persönlichen Beratungsgespräch die gleichen Screens, welche sie auch von ihrem Endgerät aus sehen würden und machen sich so damit vertraut.

Die Erfahrung der Postfinance zeigt, dass die Kunden später getätigte Investitionen vorwiegend selbständig online durchführen. Dieser Prozess ist zwar zu Beginn für beide Seiten aufwendig, er lohnt sich aber mittelfristig und führt zu einem deutlich angenehmeren Kundenerlebnis.

Zu ähnlichen Schlüssen wie bei Postfinance kommt auch eine aktuelle Studie von Simon-Kucher & Partners. 47 Prozent der Schweizer Privatanleger verstehen sich als sogenannte "Validatoren". Es handelt sich dabei um ein digital-affines Kundensegment, welches sich Hilfestellungen bei den Anlageentscheidungen in Form von Beratung wünscht, aber über die Möglichkeit verfügen möchte, diese im Anschluss bestätigen oder übersteuern zu können. Validatoren erwarten nicht zuletzt auch komfortable Anlagelösungen und sind bereit, dafür auch ihren Anbieter zu wechseln, sollte dieser keine solche verfügbar haben.

Kurzfristig investieren, langfristig profitieren

Aus Bankensicht lohnt es sich deshalb, in intuitiv bedienbare Digitallösungen zu investieren. Das allein genügt allerdings noch nicht, es braucht auch einen durchdachten Beratungsprozess sowie die Wahlmöglichkeit für die Kunden, auf Wunsch persönliche Beratung in Anspruch nehmen zu können. Digitalisierung bedeutet in diesem Fall einen integrierten Ansatz nach dem Modell der hybriden Beratung.

Es lassen sich folgende Erfolgsfaktoren zusammenfassen, die zu einem erfolgreichen hybriden Anlageberatungs-Ansatz führen: Banken müssen die Investitionen in digitale Tools umfassend sehen. Einerseits sollen die Kunden ihre Bankdienstleistungen von überall her und zu jeder Zeit möglichst einfach nutzen können. Andererseits sollten sie diese Tools auch als Hilfsmittel sehen, welche die Kundenberater entlasten und ihre Service-Qualität verbessern.

Um den maximalen Nutzen daraus zu ziehen, gilt es aber auch in die Befähigung der Kunden bei der Nutzung der digitalen Angebote zu investieren. Diese müssen auf dem Weg hin zu mehr digitaler Selbstständigkeit begleitet werden. Gelingt der Bank dies, kann sie nicht nur ihre bestehenden Kundenbeziehungen festigen, sondern erschliesst sich auch neue Wachstumspotenziale. Denn die Tool-basierte Beratung erlaubt eine einfachere Skalierung und damit die effiziente Betreuung von Privatanlegern.

Fast eine Milliarde in 18 Monaten

Der Postfinance-Case zeigt dies eindrücklich: Während der Robo Advisor True Wealth nach über sechs Jahren dieses Jahr die CHF 500-Millionen-AuM-Marke feiert, steuern die Postfinance-Produkte nach bereits 18 Monaten auf das doppelte Volumen zu. Das Erfolgsgeheimnis von Postfinance liegt definitiv im hybriden Beratungsmodell. Die Kombination der digitalen Anlageberatung mit der Option auf ein persönliches Beratungsgespräch mit dem Kundenberater stellt ein kanaldurchlässiges Interaktionsmodell zwischen Kunde und Bank sicher. Dabei ist im Online- und im Filialbetrieb die gleiche Dienstleistung sowie die gleiche Customer Journey verfügbar.

Die Autorin: Leonie Kriett

Leonie Kriett, Director bei Simon-Kucher & Partners

Leonie Kriett ist als Director für Simon-Kucher & Partners aktiv, einer Unternehmensberatung, die mit über 1’400 Mitarbeitern in 40 Büros weltweit vertreten ist.

Als Preis-, Produkt- und Vertriebsexpertin berät Leonie Banken, FinTechs und Versicherungen in der Schweiz, in Europa sowie in Nordamerika.