Kryptomarkt

Wer glaubt, Bitcoin und DeFi wären nach einem Krypto-Winter mausetot, könnte ziemlich falsch liegen

Eine Allee im Winter mit verschneiten Bäumen
Bild: LeManna | Getty Images

Ein bisschen Feintuning und Oberflächen-Kosmetik reicht diesmal möglicherweise nicht für einen neuen Frühling – ein Krypto-Winter könnte das hingegen schaffen.

Erbitterte Kryptogegner und Schwarz-Seher-Experten prognostizieren nun seit Jahren schon und wiederholt den Niedergang und den sicheren Tod von allem, was mit Bitcoin, Altcoins und DeFi zu tun hat. Sie alle haben bisher auch in den härtesten Krypto-Wintern nicht recht bekommen. Nach der Schneeschmelze ist der Bitcoin und mit ihm der ganze Krypto-Umzug wie Phönix aus der Asche zu neuen Ufern aufgebrochen und zu neuen Höhen aufgestiegen.

Aktuell werden Krypto-Aversionen allerdings sehr gut genährt, teilweise vom Markt und einzelnen Protagonisten selbst verbockt. Gute Zeiten für Kryptogegner, die in den Abgesang einstimmen, der den Kryptomarkt auf dem Sterbebett begleiten soll.

Wahrscheinlich erfüllen sich die düsteren Prophezeihungen der Singenden auch dieses Mal nicht. Es könnte aber schon einige Strophen und Verse lang dauern, bis Bitcoin, DeFi & Co. zu dem geworden sind, was sie sein wollen und auch sein könnten.

Steht ein Krypto-Winter vor der Tür?

Sicher ist im Kryptomarkt nie wirklich etwas, aber die Zeichen mehren sich, dass ein eher harter Winter einbrechen könnte. Das Vertrauen in den Markt ist generell erschüttert, die Zinserhöhungen der Nationalbanken und die eintrübende Wirtschaftslage halten nicht gerade dagegen. Eine wachsende Zahl von Börsen, Plattformen und Kryptoläden strafft die Crew und entlässt Personal in beträchtlichen Grössenordnungen. Die Inflation, eigentlich ein Unterstützer von Bitcoin (war mal so und wird irgendwann auch wieder so sein), tut das Gegenteil und verschärft die Situation. Die schlechten Nachrichten häufen sich und gute Nachrichten werden im Moment nicht gehört. Euphorie und Gier haben Angst und Panik Platz gemacht – das Heer der Kleinanleger hat heute einen deutlich grösseren Einfluss auf die Kursentwicklung als man denken könnte. Langfristig orientierte Anleger sind hier nicht gemeint, die tun das, was sie immer getan haben: Hodln. Und zukaufen, wenn die Kurse in den Keller gehen.

Das und mehr und alles zusammengenommen, lässt einen Krypto-Winter – möglicherweise mit weiterhin fallenden Kursen – zumindest wahrscheinlicher erscheinen als eine baldige Gegenbewegung mit aufsteigenden Kursen.

Wie konnte es so weit kommen?

Ein Faktor allein oder ein einzelnes Ereignis kann Dellen verursachen, hat in der Regel jedoch nicht die Kraft, den gesamten Kryptomarkt in den Winter zu schicken. Seit einiger Zeit sind jedoch extrem viele Faktoren gleichzeitig mit im Spiel, die sich gegenseitig jeweils noch verstärken und die allgemeine Stimmung auf den Nullpunkt gebracht haben – einige dieser Faktoren haben wir bereits benannt, auf andere kommen wir zurück. Insgesamt ist ein höchst brisanter Mix am köcheln, der durchaus das Potenzial hat, den nächsten Krypto-Winter einzuläuten.

Unsere Redaktion hat Mitte November 2021, als der Bitcoin mit deutlich über 60'000 US-Dollar temporäre Höchststände feierte, etwas spielverderberisch ausgeführt: "Warum die aktuelle Bitcoin- und Krypto-Party schneller vorbei sein könnte als gedacht". In dieser Story haben wir neben anderen Einflüssen den Fokus vor allem auf zwei Faktoren gerichtet: Regulierung und Stable Coins. 

Wir sind weiterhin überzeugt, dass diese beiden Punkte Hauptrollen spielen, aktuell und auch in Zukunft, neben Zinsen und nicht vorhersehbaren geopolitischen und wirtschaftlichen Einwirkungen. 

Einflussfaktor Stable Coins

Als mitverantwortlicher Auslöser für den aktuellen Crash steht sicher das Debakel mit dem Luna-Coin des Terra-Ökosystems und dem algorithmischen Stable Coin TerraUSD (UST). Dass algorithmische im Vergleich mit physisch abgesicherten Stable Coins zusätzliche Risiken in sich tragen, war bekannt, man hat's halt einfach versucht und teuer dafür bezahlt. Das Terra Ökosystem ist in die Luft geflogen, in kurzer Zeit haben sich Milliardenwerte in nichts aufgelöst.

Dass Stable Coins nicht unbedingt Stabilität garantieren, ist Insidern bekannt, war dann jedoch für eine Vielzahl von Anlegerinnen und Anlegern eine schmerzhafte Überraschung: statt weiterhin regelmässig satte Erträge einzufahren, gab's praktisch einen Totalverlust ihrer Einlagen. Dieses Waterloo hat den gesamten Kryptomarkt erschüttert und alle Werte und Kurse in den Keller gehen lassen. Im Kielwasser dieses Desasters haben DeFi-Lending-Plattformen wie Celsius Auszahlungen an ihre Kunden gestoppt, was neue Schockwellen ausgelöst hat. Kommen aus dieser Richtung weitere Insolvenzen, wird das den Kryptomarkt zusätzlich massiv belasten.

Bei explodierenden Stable Coins hätten wir eher auf Marktdominator Tether (USDT) getippt. Ein mit US-Dollar gedeckter Stable Coin, der jedoch seit Jahren nicht vollständig offenlegen will, in welcher Form und Zusammensetzung diese Deckung gewährleistet ist, wir haben bereits mehrfach berichtet. Das Problem Tether ist jedoch im Begriff, sich zu entschärfen. Tether verliert an Bedeutung und Marktkapitalisierung, andere Stable Coins holen auf. Zum Beispiel der USD Coin (USDC) von Circle (Centre) – ein Stable Coin, der nicht scheibchenweise und geheimniskrämerisch informiert, sondern sich transparent in die Karten blicken lässt.

Fazit
Fliegt noch ein weiterer Stable Coin oder ein grösseres DeFi-Projekt in die Luft, geht auch dem ganzen Kryptomarkt die Luft aus. Nicht für immer, aber sicher für einen ausgedehnten Krypto-Winter lang.

Einflussfaktor Regulierung

Eine solide und dennoch moderate Regulierung ist für den Kryptomarkt von zentraler Bedeutung. Ohne gut gestellte Leitplanken wird der Markt nicht massentauglich und das Vertrauen in Krypto und DeFi bleibt so volatil wie der Markt selbst. In Sachen Regulierung ist schon einiges passiert, zahlreiche Initiativen sind jedoch erst im Gespräch in verschiedenen Räten und haben ihre verbindliche Form noch nicht gefunden.

Im Moment kommen verschiedene Regulierungs-Initiativen in eine heisse Phase, im EU-Raum wie auch in den USA. Die Entscheiderinnen und Entscheider lassen sich grob in zwei Lager aufteilen. Jene, welche Kryptos und DeFi als zukunftsfähige Innovation und Bewegung erkennen, allerdings mit Risiken behaftet, die kanalisiert werden müssen. Hier sind moderate Regulierungen zu erwarten, welche der Branche Raum für weitere Innovationen und Entwicklungsmöglichkeiten bieten. 

Das andere Lager sieht im Kryptomarkt praktisch nur Risiken, noch weniger für Anlegerinnen und Anleger, mehr für Staaten, Fiatwährungen, Nationalbanken, Central Bank Digital Currencies (CBDCs), klassische Banken und mehr. Hier stehen vor allem Stable Coins und DeFi im Fokus. Beide Bereiche möchte man gerne so weit wie möglich einschränken oder gleich wegregulieren. Der Druck aus dieser Fraktion dürfte aktuell noch deutlich zunehmen, aus naheliegenden Gründen: implodierende oder explodierende Stable Coins und DeFi-Projekte mit Totalverlust liefern den Kritikern beste Argumente, um den Markt sehr straff bis zur Knebelung zu regulieren.

Hier sind Protagonisen der Kryptobranche selbst in der Pflicht und einige von ihnen haben es geschafft oder sind gerade dabei, die besten Steilpässe für eine strenge Regulierung zu liefern.

Dazu kommt, dass Stable Coins, ob explodierend oder nicht, oftmals als unnötige und gefährliche Konkurrenz zu den digitalen Zentralbankwährungen gesehen werden. Diese CBDCs stehen bei praktisch allen Zentralbanken als Projekt auf der Agenda – und da möchte man nicht gegen private und teilweise untransparente Stable Coins antreten, sondern den Markt geplant und kontrolliert bewirtschaften.

Fazit
Von Seiten der Regulierer ist noch einiges zu erwarten, das die Flügellänge und damit die mögliche Flughöhe verschiedener Teilnehmer am Kryptomarkt eher stark beeinflussen könnte.

Der drohende Krypto-Winter als Zäsur

Einen langen Krypto-Winter wünscht sich niemand – kommt er, dann dürfte er jedoch auch positive Auswirkungen zeigen. Anbieter und der Kryptomarkt könnten sich konsolidieren. Faule Eier könnten erkannt und benannt werden und richten deshalb in Zukunft möglicherweise weniger Unheil an, das der gesamten Kryptobranche schadet. Ein kühler Krypto-Winter ohne Überhitzungstendenzen schafft Raum und Ruhe für neue Ideen, neue Projekte und neue Unternehmen.

Deshalb ist ein möglicher Krypto-Winter, auch wenn die Kurse noch weiter einkrachen sollten, keine Katastrophe – vielmehr eine vielleicht sogar notwendige Zäsur.

Möglicherweise sogar für den Teil der Branche, der durch Klotzen und Übertreibungen auffällt. Würden sich einige der grossen Player darauf besinnen, ihre Millionen weniger in Formel-1-Sponsorings, mehr in Information und PR zu stecken, könnte das einen Krypto-Frühling vielleicht sogar beschleunigen. Zumal viele Menschen mit Bitcoin & Co. weniger Begriffe wie Langfristigkeit, Kapitalanlage und Wertspeicher verbinden, mehr auf hohes Risiko mit kurzfristigen Gewinnen setzen und FOMO-getrieben mit geliehenem Geld zocken. Das mag Kryptobörsen und DeFi-Anbietern kurzfristig höhere Eträge einbringen, langfristig werden ihnen fehlende Information, null PR und schlechte Presse durch eine wachsende Zahl an Verlierern schaden.

Der Kryptomarkt besteht nicht nur aus Angeboten auf der einen Seite sowie aus wissenden oder unwissenden Anlegerinnen und Anlegern auf der anderen Seite. Anbieter stehen hier in der Pflicht, nicht nur sich selbst, sondern auch die Branche und ihre Besonderheiten sichtbar und verstehbar zu machen. Ein "Projekt", das nur gemeinsam angepackt werden kann. 

Ziehen zahlreiche innovative Mitspieler und seriöse Anbieter gemeinsam an einem Strick, werden sich die düsteren Prognosen der erbitterten Kryptogegner und Schwarz-Seher-Experten auch dieses Mal nicht erfüllen. Ihr Abgesang würde nicht im Krypto-Grab enden, sondern durch einen starken Frühling abgelöst werden.