Bitcoin

Die Europäische Zentralbank nutzt die Gunst der düsteren Stunde und trägt den Bitcoin bereits zu Grabe

Grabstein mit der Inschrift "Bitcoin"
Bild: D-Keine

"Bitcoin's last stand", titeln Ulrich Bindseil und Jürgen Schaaf im Blog der Europäischen Zentralbank – die beiden Autoren sehen die letzte Stunde des Bitcoin gekommen.

Der Bitcoin ist nach wie vor die Ur-Mutter und das Flaggschiff der Kryptobewegung. Das wird er aufgrund seiner besonderen Geschichte und Eigenschaften wahrscheinlich auch bleiben. Der Bitcoin hat die bekannten Krisen der jüngeren Vergangenheit nicht ausgelöst. Im Zentrum des Luna- und des FTX-Debakels standen andere digitale Konstrukte, welche die Bezeichnung "Währung" nicht unbedingt verdienen.

Zudem, und das ist bei der FTX-Pleite exemplarisch der Fall: die Krise ist nicht durch ein System und auch nicht durch eine dahinterliegende Technologie ausgelöst worden, sondern schlicht durch Menschen, welche mit den Möglichkeiten der Systeme und Technologien leichtfertig, fahrlässig oder sogar betrügerisch umgegangen sind.

Kryptogegner machen keine Unterschiede, sie nutzen das Momentum

Aufgeblasene Token, die den Anlegerinnen und Anlegern um die Ohren fliegen, haben immer das Potenzial, die ganze Kryptobranche mit in den Abgrund zu reissen. Das ist auch verständlich. Wenn "irgendwas mit Krypto" in die Hosen geht, ist in Anbetracht der eingefahrenen Verluste weder Raum noch Bereitschaft vorhanden, Unterschiede zu sehen – dann steht erstmal der gesamte Bereich in einem schiefen Licht. 

Bitcoin und Ethereum gehören zu den Coins mit eigener Blockchain und Protokollen, deshalb sind beide sehr breit genutzte digitale Coins. Das macht sie noch nicht zu harten Währungen, diese Phase liegt in der Zukunft. Aber Unterschiede zu jener Art von Token, die gewissermassen über Nacht aus dem Nichts entstehen, hochgehypt werden und trotzdem ein Nichts bleiben, sind dennoch ziemlich offensichtlich. 

Bei der Pleite von FTX standen weder Bitcoin noch Ethereum Pate, sondern ein FTX Token namens FTT, der als "das Rückgrat des FTX-Ökosystems" bezeichnet worden ist. Wird das Rückgrat des FTX-Ökosystems aus unterschiedlichen Gründen gebrochen, ist auch der FTT weg vom Fenster. Dafür können die Coins Bitcoin und Ethereum gar nichts, einige andere seriöse Token ebenfalls nicht. Aber, "irgendwas mit Krypto", deshalb werden Bitcoin und Ethereum sowie andere Token in einen Topf geworden und in einem Atemzug mit FTT genannt. 

Auf diesem Boden und in diesem Klima lassen sich hervorragend düsterste Szenarien malen. In der finalen Konsequenz stimmen jeweils zahlreiche überzeugte Kryptogegner in den Abgesang auf eine ganze Branche ein. Das wiederholt sich bei jedem grösseren Krypto-Debakel. Fällt das Debakel zeitlich zufällig in die Saison eines anhaltenden Krypto-Winters, fühlen sich die warnenden Experten zusätzlich bestärkt, sie haben das immer schon kommen sehen, es wollte nur keiner zuhören. 

Im Kern haben sie gar nichts kommen sehen. So viel Experte kann gar niemand sein, um im Kryptobereich verlässliche Voraussagen zu machen. Es ist vielmehr so, dass sich ein zufälliges Ereignis mit ihrer immer schon gepflegten Abneigung gegenüber Kryptos und ihrer zementierten Meinung deckt. Diese Meinung zu haben und zu äussern, ist selbstverständlich genauso erlaubt, wie die gegenteilige Ansicht zu vertreten. Wichtig bleibt jedoch, das eine wie das andere nicht unbedingt mit Expertise zu verwechseln. 

Der EBZ-Blog sieht den Bitcoin auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit

Ein interessanter Kommentar ist aktuell im Blog der Europäischen Zentralbank (EZB) zu lesen. Die Autoren, Ulrich Bindseil (Generaldirektor Marktinfrastruktur und Zahlungsverkehr bei der EZB) und Jürgen Schaaf (Berater von EZB) verweisen darauf, dass ihr Artikel nicht unbedingt die Ansicht der EZB spiegeln muss. Änlichkeiten sind wahrscheinlich dennoch nicht ganz zufällig, immerhin wird der Kommentar im Blog der Europäischen Zentralbank publiziert.

Bindseil und Schaaf holen zu einem veritablen Rundumschlag aus, sprechen von Kryptowährungen, fokussieren im Weiteren jedoch praktisch ausschiesslich auf den Bitcoin. Nach Ansicht der Autoren war die "Stabilisierung" des Bitcoin vor der FTX-Pleite um die 20'000 US-Dollar lediglich "ein künstlich herbeigeführtes letztes Aufbäumen vor dem Weg in die Bedeutungslosigkeit". Ein Niedergang, der "bereits absehbar war"

Im konzeptionellen Design und in der Technologie des Bitcoin orten die beiden Experten Mängel. Deshalb, leiten die Autoren daraus ab, "wurde Bitcoin noch nie in nennenswertem Umfang für legale Transaktionen in der realen Welt verwendet"

Im Weiteren sprechen Bindseil und Schaaf dem Bitcoin mit sattsam bekannten Argumenten jede Existenzberechtigung ab, gehen auf Manipulationen ein, welche den Bitcoin-Kurs nach oben getrieben hätten, um sich dann der Regulierung zuzuwenden. Den Nutzen von Regulierungen stellen beide massiv infrage, weil dadurch der Eindruck entstehen könnte, der Bitcoin wäre legitimiert. Zudem, so die Autoren, wäre ein Heer von Krypto-Lobbyisten durch Grossinvestoren finanziert. Die Zahl der Lobbyisten hätte sich zwischen 2018 und 2021 nahezu verdreifacht und deren Namen würden sich mitunter lesen wie das Who's who der US-Aufsichtsbehörden und Regulatoren.

Auch den neuen Technologien – DLT/Blockchain – stehen die beiden Autoren äusserst kritisch gegenüber, sehen bisher nur einen begrenzten geschaffenen Wert für die Gesellschaft –  und sie kommen zum kühnen Schluss:

Der Glaube, dass der Innovation um jeden Preis Raum gegeben werden muss, hält sich hartnäckig

Die Warnung an Banken und Finanzinstitute verbinden Bindseil und Schaaf mit der gewagten Feststellung, dass die vermeintliche Sanktion der Regulierung auch die konventionelle Finanzindustrie dazu verleitet hätte, den Kunden den Zugang zu Bitcoin zu erleichtern. Dies würde Vermögensverwalter und Zahlungsdienstleister ebenso wie Versicherungen und Banken betreffen. Der Einstieg von Finanzinstituten würde jedoch Kleinanlegern suggerieren, dass Investitionen in Bitcoin solide wären.

Deshalb, so das Fazit in und zwischen den Zeilen der Autoren: keine Regulierung, die könnte als Genehmigung oder Legitimierung missverstanden werden, keine Banken, keine Anlagen in Bitcoin und kein Bitcoin. Das alles sollte sich nach Ansicht der Autoren allerdings von selbst erledigen, immerhin haben sie ja im Einstieg ihres Artikels bereits behauptet, dass der Bitcoin nach einem "künstlich herbeigeführten letzten Aufbäumen vor dem Weg in die Bedeutungslosigkeit" stehen würde.

Bemerkenswerte Überlegungen und verwegene Betrachtungen

Wären Bindseil und Schaaf von ihrer These des bevorstehenden Bitcoin-Niedergangs tatsächlich überzeugt, hätten sie sich all die Warnungen an die Regulatoren und an die Finanzinstitute sparen können. Das haben sie jetzt aber nicht. Möglicherweise sind auch bei den beiden Autoren letzte Restzweifel vorhanden, ob der Bitcoin demnächst zu Grabe getragen werden kann.

Einige weitere lesenswerte Argumente sind in den bemerkenswerten Überlegungen der Autoren mit im Spiel. Der Artikel ist in englischer Sprache in voller Länge im Blog der Europäischen Zentralbank zu finden – über den Link gleich unten.