Kommentar

Ist das Rennen der Banken bereits eröffnet – oder lässt der Kampf um Neukunden noch auf sich warten?

Vier Banker in schwarzen Anzügen rennen um die Wette
Bild: Getty Images | Photo and Co

Erste Initiativen liefern Hinweise, dass an der Zinsen- und Gebührenfront in Zukunft breitere Bewegungen zu erwarten sind.

Das lange ausgebliebene Rennen im Retailbanking um Neukunden und ihre Einlagen scheint eröffnet, zumindest in sichtbaren Ansätzen. Erfahrungsgemäss haben jedoch die Initiativen vorpreschender Protagonisten das Potenzial, breitere Wellen loszutreten.

Nach der Zinswende haben sich die meisten Banken – nicht alle, eine Mehrheit – darauf verlegt, Sparzinsen tief und Gebühren hoch zu halten. Diese auf den ersten Blick sehr unpopuläre Haltung ist den Banken nicht zu verargen, sie folgt zwei simplen Überlegungen. Zum einen einer ökonomischen Überlegung und zum anderen den Gesetzen von Trägheit und Duldsamkeit.

Die ökonomische Überlegung

Streicht eine Bank für ihre Kundinnen und Kunden zum Beispiel die Gebühren für die Kontoführung, steht dem "Danke" der Kunden eine bisher konstante Einnahmenquelle gegenüber, die plötzlich versiegt.

Bei monatlichen Gebühren von beispielsweise 5 Franken öffnet sich bei einer Million laufender Konten eine Umsatzeinbusse von 60 Millionen Franken pro Jahr. Oder auch sehr viel mehr oder weniger, je nach Multiplikator. Derselbe Multiplikator greift auch bei den übrigen Gebühren. Sind diese Gebühren hoch, fällt das Resultat für die Bank eben noch etwas erfreulicher aus.

Die ökonomische Überlegung führt noch einen Schritt weiter. Ist ein einmaliges "Danke, liebe Bank" die Umsatzeinbusse von 60 oder auch sehr viel mehr Millionen Franken wert? Sind die Kundinnen und Kunden tatsächlich dankbar, honorieren sie auf Dauer den Verzicht ihrer Bank? Oder und schon ganz nahe am Rand der ökonomischen Apokalypse: Merken Kundinnen und Kunden überhaupt, dass ihre Bank ihnen grossherzig Gebühren erlässt und auf viele Millionen Umsatz verzichtet? Wenn das nicht der Fall sein sollte, werden zentrale und planbare Umsatzgeneratoren leichtfertig auf Null gesetzt, ohne dass auf der anderen Seite auch nur ein Hauch von Wirkung erzielt werden könnte. Keine Dankbarkeit, keine Zusatzgeschäfte, kein Imagegewinn, nichts.

All diese Fragezeichen und Zweifel lassen den freiwilligen Verzicht auf Gebühreneinnahmen nach einem schlechten Deal aussehen. Banken machen keine schlechten Deals, wenn sie sich vermeiden lassen. Und dieser Deal – ob's nun tatsächlich ein schlechter wäre oder nicht – hat sich bisher gut vermeiden lassen.

Die genutzten Spielräume von Trägheit und Duldsamkeit

Schweizerinnen und Schweizer kennen mit 93 Prozent zu einem beträchtlichen Teil den Zinsatz nicht, den ihnen ihre Bank auf Spareinlagen gewährt. Das Thema der entgangenen Sparzinsen scheint die Bevölkerung noch nicht übermässig zu beschäftigen. 

Zudem, auch das bestätigen mehrere Studien, ist die Wechselbereitschaft hierzulande sehr gering ausgeprägt. Beim Blick auf den Kontoauszug mag man sich über hohe Gebühren ärgern, aber auch bei diesem Thema bleibt es in der Regel beim kurzen Ärger ohne weitere Folgen.

Die Unterschiede bei gewährten Sparzinsen und bei den belasteten Gebühren zwischen Banken sind inzwischen beträchtlich. Nach der IFZ Retail Banking Studie 2023 der Hochschule Luzern haben Bankkunden bisher allerdings kaum auf diese Unterschiede reagiert.

Das bedeutet: Werden hohe Gebühren bezahlt und tiefe Zinsen akzeptiert, geht eine Bank zu Recht davon aus, dass die Zufriedenheit auf Kundenseite grösser ist als der Missmut. Das will heissen: Gebühren und Kosten – auch versteckte, eine Unsitte zahlreicher Banken – sowie Sparzinsen werden nicht einfach nur von Banken diktiert, sondern ebenso von Kunden gutgeheissen, wenn sie passiv bleiben. Die jeweils gültigen Spielregen werden folglich von beiden Seiten beeinflusst und definiert.

Die Eigenschaften von Trägheit, Duldsamkeit und geringer Wechselbereitschaft – oft mit Treue verwechselt – schaffen Spielräume, die von Banken genutzt werden. In der Regel reagieren Banken erst auf Druck – bleibt dieser Druck aus, ist die Motivation verständlicherweise gering, zuverlässige Umsatzgeneratoren zu drosseln oder sogar auszuschalten. 

Warum trotzdem Bewegung an der Zinsen- und Gebührenfront zu erwarten ist

Der Druck von der Kundenseite auf Banken ist bisher ausgeblieben. Druck kann jedoch auch aus den eigenen Reihen kommen. Will ein Konkurrent im Retailbanking markant zulegen, verfolgt er seine Ziele unter anderem über hohe Sparzinsen oder tiefe Gebühren.

Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) hat diese Woche die Gebühren für das alltägliche Basisbanking auf Null gesetzt, MoneyToday.ch hat berichtet. Konten und Debitkarten gibt's bei der ZKB ab Anfang 2024 kostenlos. Diese Massnahme ist insofern konsequent, als Bankkunden auf marginale Preisdifferenzen praktisch nicht reagieren – auf den eklatanten Unterschied zwischen teuer und gratis möglicherweise schon.  

Die Migros Bank hat einen Tag später nachgezogen und ihre Sparzinsen auf 1.4 Prozent erhöht. Nur für Neugeld und nur für ein Jahr, aber die grossgeschriebene Zahl von 1.4 Prozent steht nun sichtbar im Raum. Damit will die Bank neue Sparerinnen und Sparer anziehen. Im Vergleich zu Konkurrenten, die am anderen Ende der Skala mit 0.23 Prozent operieren, könnte der ausgelegte Köder verfangen.

Der Druck aus den eigenen Reihen wird die eine oder andere Bank dazu bewegen, ihre Sparzinsen- und Gebühren-Politik zu überdenken. Kurzfristige Erdrutsche sind nicht unbedingt zu erwarten, aber der Kampf um Neukunden ist eröffnet. Deshalb wird zusätzliche Bewegung in die Märkte kommen.

Die Zürcher Kantonalbank und die Migros Bank haben bemerkenswerte Signale gesetzt, die bei ihren Konkurrenten ankommen. Kommen sie auch bei bestehenden und bei neuen Kundinnen und Kunden an? Wie bereits ausgeführt reagieren Schweizerinnen und Schweizer nicht auf marginale Unterschiede. Wirklich starke Ausschläge bei den Sparzinsen nach oben und bei den Gebühren nach unten könnten jedoch auch bisher wenig preissensitive Bevölkerungsgruppen zum Reagieren bringen.

Die Büchse der Pandora ist jedenfalls geöffnet – interessanterweise nicht durch Bankkunden, sondern durch Konkurrenten aus den eigenen Reihen.