Exklusiv-Interview

Daniel Dahinden von SIX über erreichte Ziele, offene Baustellen und neue Herausforderungen

F10 FinTech Hackathon im Schiffbau Zürich
Interview-Treffpunkt: F10 FinTech Hackathon im Schiffbau Zürich (Bild: Sonya Fricker)

Ein offenes Gespräch mit klaren Statements zur SIX, zum Finanzplatz Schweiz und zu den ehrgeizigen Plänen, Zielen und Anstrengungen, die noch vor uns liegen.

SIX hat die Business Unit Innovation & Digital geschaffen, um mit überzeugenden Innovationen zu neuen digitalen Ufern aufzubrechen. Daniel Dahinden hat die neue Unit vor einem Jahr als Head übernommen, zum Leben erweckt und mit seinem Team versucht, neue Zeichen im Markt zu setzen. Wo liegen die Unterschiede zwischen gestern und heute? Welche Herausforderungen beschäftigen den Finanzplatz Schweiz jetzt und in Zukunft? Ruedi Maeder hat mit Daniel Dahinden am F10 FinTech Hackathon in Zürich die brennenden Themen diskutiert.

Vor einem Jahr haben wir das letzte Mal zusammen geplaudert, als du deinen brandneuen Posten als Head der neu geschaffenen Business Unit Innovation & Digital übernommen hast. Wie war das erste Jahr?

Ein sehr faszinierendes Jahr – wir haben viel bewegt. 

Gutes Stichwort: Wo steht ihr heute?

Aktuell ist viel vorhanden, Menschen, die an verschiedensten Themen arbeiten und einiges ist bereits Realität. Zum Beispiel das White Paper zum Thema "Was sind die Szenarien zur Wertschriften-Wertschöpfungskette". Mit Deal Pool hatten wir ein Go-Live eines Produktes im Bereich, wie man Syndikatsbanken mit Investoren zusammenbringen kann. Wir haben zusätzliche Initiativen initiiert, wie eine Swiss Cloud, eine Compliance Utility mit Privatbanken, das FinSOC ist live gegangen im letzten November, wo wir Cyber Security Monitoring für Banken und Versicherungen anbieten.

Wenn man das alles sieht an einem Stück, kann man stolz sein. Vor allem deshalb, weil wir all diese Herausforderungen gemeinsam mit unserem Team und Partnern bewältigen konnten – mit kreativen, motivierten Leuten. Das gibt mir eine ungeheure Energie, und zwar jeden einzelnen Tag.

Und in persönlicher Hinsicht? Was bedeutet dieses Jahr für den Menschen Daniel Dahinden?

Es war sehr intensiv für mich, zugegeben. Die Unit wurde völlig neu aufgegleist. Es mussten viele Dinge in einem Unternehmen, in einem Ökosystem, organisatorisch neu geregelt werden, du musst vertretbare Andersartigkeiten aufbauen, du musst dich um neue Leute bemühen und sie mit an Bord nehmen und einarbeiten, du musst Ideen priorisieren – quasi das volle Programm äusserst verdichtet, aber gleichzeitig auch extrem bereichernd. Ich bin dennoch froh, dass es sich aktuell nicht so intensiv gestaltet wie in den Spitzenzeiten von 2018.

In einem Unternehmen, in einem Ökosystem, muss man vertretbare Andersartigkeiten aufbauen

Wie seid ihr aktuell aufgestellt im Vergleich zum Start vor einem Jahr?

Inzwischen sind weitere 15 Personen dazu gestossen. Mit dieser Verstärkung sind wir viel breiter aufgestellt, haben zum Beispiel viel mehr Know-how im Bereich Robotik, Automation und auch Data Analytics im Team. Da haben wir schlichtweg beeindruckend viel an Kompetenz aufgeholt, was uns heute sehr unterstützt. Was Themen wie Compliance Utility und Cyber Security betrifft, mussten wir eigene Teams aufbauen. Und wenn wir die Profile nun generell betrachten, die prallen Rucksäcke, welche diese neuen Crew-Mitglieder mitbringen, denke ich, sind wir zum heutigen Zeitpunkt sehr gut aufgestellt, in Know-how und in Erfahrung. Ich bin stolz auf unser Team.


Vom Supertanker zur Schnellbootflotte? Ich habe dir diese Frage bereits vor einem Jahr gestellt. Mit der neuen Struktur, die ihr euch gegeben habt, um mit der neuen Abteilung agiler und flexibler zu werden – hat’s geklappt?

Ja, ich denke schon, aber klar ist auch, wir können noch mehr an Fahrt gewinnen (lacht). Ein wichtiges Element ist: Wir arbeiten sehr Vorhaben-fokussiert und jedes Vorhaben hat einen Owner. Das hat sicher geholfen, dass wir so viel erreichen konnten, 2018 und jetzt auch schon 2019. Aber klar, ein Startup mit 15 Mitarbeitenden, das nur auf ein einziges Thema fokussiert, mag immer noch schneller sein. Im Vergleich zum klassischen Corporate-Umfeld sind wir jedoch erfreulich agil unterwegs und haben bereits viel auf den Boden gebracht. Darauf können wir stolz sein und ich sage: Wow - mit einem riesigen Dankeschön an alle meine Mitarbeitenden.

Verrätst du uns aufs Business bezogen die drei grössten Meilensteine deines turbulenten vergangenen Jahres?

Wenn ich das Wort Business breit genug interpretiere, freut es mich besonders, meine Leute vorwärts zu bringen...

...als Absicht oder als Tatsache?

Tatsache. Der zweite Meilenstein ist Achievement, das heisst, es ist draussen, es ist sichtbar, es ist angekommen. Wir sind hier aktuell am seit 2015 jährlich stattfindenden und von SIX mitorganiserten Hackathon, der dritte schon nach Wien und Singapur, Go-live von Produkten wie Deal Pool und Fin SOC, wir haben zudem ein White Paper rausgebracht und, und, und. Resultate eben, und damit äusserst vielversprechende Highlights. Ausserdem sind wir inzwischenbereits aus dem Built-up-Modus raus und im Running-Modus angelangt, und das ist ganz klar auch ein Milestone, hab ich recht?

Viele Finanzinstitute verzeichnen immer noch gute Resultate und sind daher noch nicht bereit, anstehende Probleme konkret anzugehen

Einverstanden. Es gibt in deiner Unit offensichtlich viele erfolgversprechende Entwicklungen. Wo liegen in deiner Betrachtung die Widerstände, die zu schaffen machen?

Der generelle Punkt ist sicherlich Sense of Urgency. Das Einsehen, dass wir gewisse Dinge jetzt hinterfragen müssen, die heute vielleicht noch funktionieren – aber, wie jeder weiss, in fünf oder zehn Jahren nicht mehr funktionieren werden. Davon ist die Finanzbranche natürlich besonders betroffen. Viele Institute verzeichnen immer noch gute Resultate und sind daher noch nicht bereit, anstehende Probleme konkret anzugehen und neu zu realisieren. Wir lassen jedoch nicht locker und bringen diese Themen immer wieder auf. 

Zum Beispiel die Value Chain, da könnten die Banken eine andere Position besetzen als bisher. Oder auch wir als SIX könnten eine neue Rolle spielen – oder auch andere FinTechs. Aber für viele dieser Ideen, die im Grundsatz zwar gutgeheissen werden, ist es ein steiniger Weg, auch das Commitment zu bekommen. In dem Sinne, dass die Betreffenden dann sagen: Jawohl, ich arbeite mit, ich implementiere das dann auch, das ist brutal anstrengend. Leute an den runden Tisch zu kriegen, um Ideen zu diskutieren, das funktioniert gut. Aber dass sie auch committen, etwas Geld in die Hand nehmen, um die Idee zu implementieren – das ist the Proof of the Pudding und das ist harte Arbeit. Wir bleiben dran, diesen Prozessen muss man Zeit geben.

Die Dringlichkeit wird nicht gesehen oder vertagt – was braucht es, die Banken dazu zu bringen, heute schon mitzuziehen?

Es braucht noch mehr Bereitschaft, in neue Modelle zu investieren. Überspitzt gesagt braucht es den Mut, heute auf Profite zu verzichten zugunsten von später. Heute bestehende Prozesse anpacken, verändern und Rollen neu verteilen, auch wenn ich den Benefit erst in drei oder fünf Jahren sehen und ernten kann.

Und diese Bereitschaft ist aktuell noch gering?

Generell weiss man, wir müssen investieren, aber solange es noch gut geht, ist der Druck und Wille gering, jetzt schon damit anzufangen. Das Risiko liegt darin, dass man das zu spät anpackt und später dann unter Zugzwang und aus der Defensive agieren muss.

Es braucht den Mut, heute auf Profite zu verzichten zugunsten von später

Was braucht’s denn für einen Beschleuniger, mehr Leidensdruck?

Mehr Leidensdruck und auch eine verstärkte Longterm-Sicht. Also eine längerfristige Strategie, die nicht nur kurzfristig über zwei Jahre geht, sondern über fünf bis sieben Jahre plant, was relevant sein oder werden könnte.

Notwendig ist eben auch, sich selber zu hinterfragen, jeder Teilnehmer im Schweizer Finanzmarkt sollte sich hinterfragen und neue Antworten finden: Was ist heute meine Value Proposition und was will ich in fünf bis sieben Jahren überhaupt noch machen und anbieten, wo kann ich mich differenzieren, wo sehe ich mich in Zukunft?

Wenn jeder Einzelne diese Diskussion mit sich selber ernsthaft führt, SIX eingeschlossen, und man sich dann gemeinsam zusammensetzt, dann würden sich spannende neue Konstellationen ergeben. Zum Beispiel in Richtung von mehr Effizienz, ein weit besseres Kundenerlebnis und mehr. Im Resultat begibt sich der Finanzmarkt damit zweifellos auf die Gewinnerspur. 

Allerdings und auch klar: die Frage, wo sehe ich mich in fünf bis sieben Jahren, ist tatsächlich nicht für jeden einfach zu beantworten – als Mitabeitenden und als Unternehmen.

Etwas ganz anderes: Ihr verändert euch in diesen Tagen auch in Bezug auf eure Arbeitsumgebung. Es rappelt hörbar in der Kiste, was geht?

Genau. Wir sind daran, unsere SIX Homebase neu aufzubauen. Im Moment sind unsere Mitarbeitenden noch überall verstreut, die einen im F10, andere im Westhive und hier bei SIX auf verschiedenen Stockwerken – und weil Kommunikation und Austausch extrem wichtig sind, wenn man Neues schaffen will, wollen wir unsere Leute endlich zusammenbringen. 

Die Eröffnung für unsere «SIX Innovation Homebase» findet noch vor den Sommerferien statt, im Hardturmpark, erste Etage. Keine organisatorische Homebase übrigens, sondern eine rein innovative, die auf unterschiedliche Bedürfnisse von aktiven Arbeitsteams und Einzelpersonen Rücksicht nimmt. 

Das kann sein: eine Gruppe diskutiert engagiert über strittige Analysen, während andere Ruhe und Konzentration für die Lektüre oder Entwicklung anspruchsvoller Konzepte brauchen. Wieder andere haben Bedarf auf einen kurzen Austausch mit Kollegen am Whiteboard.

Das Konzept: keiner ist einem festen Arbeitsplatz verpflichtet, jeder bewegt sich frei in den Zonen, die seinem aktuellen Bedürfnis entsprechen. In der Konzentrationszone wird nicht diskutiert und telefoniert, die Kommunikationszonen hingegen laden an Bistrotischchen zu Kaffee und engagiertem Meinungsaustausch ein, in anderen Zonen lässt sich gut Arbeiten...

...dazu fällt mir spontan Google ein, warst du kürzlich da?

Es ist nicht so, dass ich laufend Google Offices besuche (lacht), ich gehe eher von unseren eigenen Bedürfnissen aus, Räume zu schaffen, die auch mir und uns die Arbeit erleichtern. Ich möchte Freude haben bei dem, was ich tue, das bedingt wechselnde Umgebungen. Die Homebase hat auch etwas mit Zuhause zu tun, ich möchte nicht die ganze Zeit am selben Schreibtisch verbringen, wechselnde Locations sind inspirierend und fördern den geistigen Output.

Wichtig ist, dass man sich wohlfühlt. Also arbeiten am Schreibtisch, telefonieren beim Rumlaufen, diskutieren an der Kaffeemaschine, Austausch und Entwicklung von Ideen in anderen Umgebungen – gewissermassen dynamisches und motiviertes Arbeiten in verschiedenen Zonen.

So oder so, das Konzept ist klar nutzerzentriert entstanden, wissenschaftlicher Bezug inklusive.

Keiner ist einem festen Arbeitsplatz verpflichtet, jeder bewegt sich frei in den Zonen, die seinem aktuellen Bedürfnis entsprechen

Letztes Jahr noch war ich Gast am SIX Hackathon, heute nennt sich das Happening F10 FinTech Hackathon. Warum der Wechsel? Hat SIX den Lead aus den Händen gegeben?

Nein, in keiner Weise. Fakt ist: Innovation entsteht dann, wenn unterschiedliche Menschen, Partner und Teams zusammenkommen und gemeinsam wirken, das ist ja eigentlich auch die Basis des Hackathons. Um die Betreuung der immerhin 120 bis 150 Hacker optimal zu gewährleisen, haben wir uns dafür entschieden, Partner miteinzubeziehen mit einem strategischen Hintergrund, der sämtlichen Beteiligten Nutzen bringt. Auch für die Teilnehmer ist es interessanter und attraktiver, wenn verschiedene Firmen hinter einem Hackathon stehen. Nicht alle Teilnehmenden sind gleich interessiert.

F10 bot sich ergänzend als ideale Plattform an, weil sie als Verein dem Zweck dient, neue Ideen zu generieren, mit Talenten vor Ort Kontakte zu knüpfen und Startups zu unterstützen, sei es auf Banken- oder Versicherungsseite, zum Nutzen des Finanzplatzes Schweiz. Die richtigen Partner und deren Verstärkung schaffen natürliche Synergien, welche den Events und deren Teilnehmern zugutekommen. In dieser neuen Konstellation sind wir mit der breiteren Trägerschaft auch in der Lage, viel mehr zu tun, als wenn wir nur alleine agieren würden.


Zum Thema mehr tun: F10 FinTech Hackathons gibt’s neu auch in Wien und Singapur. Wo liegen Unterschiede oder Gemeinsamkeiten in den verschiedenen Kulturräumen?

Da spielen tatsächlich verschiedene Elemente eine Rolle. Konkrete Challenges für die Teilnehmer zu schaffen, die Chance, Talente auszumachen und sich mit ihnen auszutauschen und als drittes Networking und Kommunikation. Diese Elemente finden sich überall und werden überall ähnlich gewichtet.

In Asien war es für uns aufschlussreich, erstmal die ortsspezifischen Interessen herauszuspüren. Zum Beispiel das Thema Payment steht in Asien weiter vorne im Vergleich zu anderen Destinationen. In Singapur trafen wir anfangs auf zurückhaltende Teams, für uns ungewohnt, am nächsten Tag konnten wir uns vor Fragen und Ideen kaum retten. Die Kooperationsbereitschaft und die Bereitschaft zum laufenden Austausch ist spürbar grösser als beispielsweise in Wien.

Das Engagement und die bemerkenswerte Leidenschaft der asiatischen Teilnehmer hat mich positiv überrascht. Auch ihr Hunger, alle waren sie gekommen aus den Philippinen, Malaysia und Indonesien für dieses eine Weekend, Teilnehmer mit grosser Lust auf Opportunities dieser Art, die ihre persönliche Zukunft beeinflussen kann. Die asiatischen Teilnehmenden sehen den Hackathon als grosse Chance. Dies im Kontrast zu Wien, das eben europäisch funktioniert und damit entsprechend zurückhaltender.

Das Thema Payment steht in Asien weiter vorne im Vergleich zu anderen Destinationen

Also beachtliche Unterschiede, was Geografie und Kultur angeht. Erreicht der Hackathon in Asien folglich auch Teilnehmer, die euch in unseren Breitengraden nicht begegnen?

Da ist so, es sind andere Teams und andere Ideen mit eindrucksvollem Potenzial und überraschenden Ideen, das ist spannend.

Ist für den F10 FinTech Hackathon ein Ausbau geplant, nächstes Jahr in Sydney, San Francisco oder anderswo?

2019 werden wir wieder einen Hackthon in Singapur im September und in Wien im November durchführen. Denkbar sind auch neue Formate, aus der Luft gegriffen zum Beispiel eine MBA Challenge in Asien. Oder neue Modelle mit anderen Institutionen als Partner. Weitere spruchreife Pläne kann ich zurzeit noch nicht kommunizieren, allerdings: es ist sehr lebendig bei uns, neue Ideen werden diskutiert.

Ein weiteres grosses Ding ist SIX FinTech Ventures, letztes Jahr gegründet und mit stattlichen 50 Millionen Risikokapital für Startups ausgestattet – wer profitiert nach welchen Kriterien und ist noch Geld in der Kasse?

Einige Investments wurden bereits getätigt, weitere Engagements sind in der Pipeline. Mit dem F10 unterstützen wir Ideen und Startups bereits vom Start weg in einer sehr frühen Phase. Dann haben wir unser P2-Programm im F10, in dem wir ein Startup während sechs Monaten begleiten, bis ein Produkt dasteht, mit dem es an den Markt gehen kann. Und dann wäre es ja unsinnig, wenn man hinterher den Kontakt verlieren würde und einen möglichen Benefit nicht realisiert.

Deshalb unterstützen wir jene Startups, welche einen Wert für den Schweizer Finanzplatz haben, in der nächsten Phase mit SIX FinTech Ventures weiter. Inzwischen haben wir fünf dieser vielversprechenden Startups mit an Bord. Startups mit super Idee, super Teams und viel Biss, um Erfolg zu haben. Weitere, welche besagte Kriterien erfüllen, werden folgen. Wir sehen mittelfristig ein Portfolio von 15 bis 20 Firmen, in welche man 50 Millionen investieren kann. Dies mit der Idee, bei weiteren Finanzierungsrunden mit dabei zu sein – die Spielräume sind da.

Ihr seid also nicht nur Early Stage und für den Anschub mit dabei, sondern begleitet ein Startup auch mit Investitionen weiter, wenn es zum Beispiel den Sprung ins Ausland wagen will. Liegen dann auch 5 bis 10 Millionen drin?

Zehn Millionen dürften etwas hoch gegriffen sein, Fakt ist jedoch, wir bleiben dran und geben den benötigten Support, auch finanziell. Denkbar ist sicher, dass in nächsten Runden 2 oder 4 Millionen investiert werden, wenn wir an ein Produkt und an ein Team glauben. Solange ein Produkt einen Schweizer Fokus/Relevanz hat und die Schweiz davon profitiert, unterstützen wir ein Startup, das in andere Märkte, europäische oder auch mal asiatische, gehen muss, um insgesamt zu gewinnen. Zumal klar ist, Skaleneffekte sind das A und O und die werden eher in grösseren Märkten realisiert.

Wir sehen mittelfristig ein Portfolio von 15 bis 20 Firmen, in welche man 50 Millionen investieren kann

Nach den ersten 12 lebendigen Monaten – du wirkst nicht atemlos, da geht noch mehr – was steht für die nächsten 12 Monate auf deiner Flagge?

Für Innovation & Digital legen wir 2019 der Fokus sicher darauf, dass wir liefern. Delivery ist ein äusserst wichtiges Element. Wir haben einerseits Projekte am Laufen und müssen diese jetzt substanziell vorwärts bringen. Gleichzeitig müssen wir immer erkennen, welche Dinge nicht funktionieren und das eine oder andere rechtzeitig stoppen, zugunsten der erfolgreichen Projekte. Andererseits werden wir wieder neue Ideen entwickeln und priorisieren. Diese beiden Elemente gehen Hand in Hand und sind das A und O unserer Arbeit. 

Nebenbei, selbst wenn wir uns entscheiden, ein Projekt zu stoppen, das die Erwartungen nicht erfüllt, wird das von den zuständigen Teams eher geschätzt. Ein klarer Schnitt wird bevorzugt, weil er Raum schafft. Dann kann man weitermachen mit neuen Ideen, denn die gehen uns nie aus.

In Sachen Digital Assets und Tokenisierung ist SIX mit SDX bereits seit einiger Zeit unterwegs. Kürzlich haben Swisscom und Sygnum einen Deal mit der Deutschen Börse gemacht, um ein paralleles Ökosystem für Digital Assets zu bauen. Was ist das? Konkurrenz im eigenen Land für SIX oder wie ist das zu werten?

Es geht darum, einen neuen Markt aufzubauen und da sind verschiedene Protagonisten am Start. Wir sind im Gespräch mit verschiedenen Playern, auch mit den von dir erwähnten. Unser Vorteil ist sicher, dass wir bereits 2017 mit einem Proof of Concept in diesem Bereich unterwegs waren. Wir haben uns 2018 dafür entschieden, eine digitale Börse aufzubauen, ein digitales Ökosystem mit dem Anspruch, dass es vom Regulator anerkannt ist und unterstützt wird. Wir sind da sehr intensiv dran. Wie sich die Situation in fünf oder in zehn Jahren präsentiert, wird sich zeigen, da mag ich nicht spekulieren. In bestimmten Bereichen belebt Konkurrenz das Geschäft und darüber hinaus: wir bleiben offen.

SIX hat 2018 einen Deal mit Worldline gemacht, alles in trockenen Tüchern – in diesem Zusammenhang eine Frage ohne Umweg: Wann wird Twint international?

Da bin ich per se der falsche Ansprechpartner, das muss der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung von Twint beantworten, und das werden auch sie entscheiden. 

Aber die kleine Auslegeordnung sieht so aus: Twint kann man in der Schweiz weiter mit nationalen Services ergänzen oder man kann skalieren im Ausland. Oder beides. Wohin die Reise geht, wird sich zeigen.

Die Systeme für die Zukunft auf dem Reissbrett zu verändern, kann nicht früh genug angegangen werden

Wo liegen die grössten Herausforderungen für den Finanzplatz Schweiz – heute und bereits ein paar Takte nach vorne gedacht?

Der Kostendruck erstmal, der ist überall da. Themen zwingen sich auf wie Robotik, Automatisierung, wie man ein Tool effizient einsetzen kann. Punkt zwei, das ist die Userseite: Wie kann ich beim Endkunden an Attraktivität gewinnen? Und der dritte Aspekt dürfte Value Chain sein: Was wird sich verändern, welche Startups und Techfirmen besetzen neue Rollen? Das sind die drängenden Fragen von heute für morgen, denn die Systeme für die Zukunft auf dem Reissbrett zu verändern, kann nicht früh genug angegangen werden.

Mit Blick auf die Schweizer Banken: Verlieren wir in der internationalen Betrachtung unser Ranking, behalten wir es oder legen wir sogar zu? Und warum?

Das dürfte wohl darauf ankommen, welche Erhebungen wir zugrundelegen (lacht). Ich denke, international gesehen sind Private Banking und Wealth Management für uns extrem wichtig. Wenn wir die Chance nutzen wollen, weiterhin in dieser Disziplin gut zu sein, müssen wir allerdings entschieden etwas dafür tun.

Immerhin, unser USP, Vertrauen, generell der Sicherheitsgedanke, ist ein Attribut, das bei einer amerikanischen oder asiatischen Bank nicht automatisch aufscheint. Gelingt es, diesen Vertrauensbonus mit ausgezeichneten Produkten, exzellenten Services und gewinnender User Experience zu kombinieren, dann besteht die Möglichkeit durchaus, auch weiterhin top positioniert zu bleiben. Aber wir müssen etwas machen, zwingend. 

Im Retailbereich wird der Margendruck eher noch zunehmen und die Chance ist gross, dass es eine Konsolidierung gibt, innerhalb eines Landes aber auch international. Auch in der Schweiz haben wir in den vergangenen zehn Jahren Banken verloren. Im Investmentbanking und Commercialbanking haben die Amerikaner international in den letzten Jahren die Nase vorn, da spielen Risikoappetit und die Regulatorik dahinter wohl mit eine Rolle.


Wohin geht die Reise: Big Techs sind aktuell sehr aktiv in sämtlichen Finance-Bereichen – friedliche Koexistenz von etablierten Playern und Technologie-Riesen oder schleichende Übernahme?

Es ist kein frohes Nebeneinander, definitiv nicht. Es bestehen Anforderungen des Finanzmarktes, welcher ganz anders beschaffen ist als eine Werbeindustrie, in welcher zum Beispiel Google sehr stark ist. Aber dieses Wissen kann man lernen oder auch einkaufen. Wichtig ist, dass die Spiesse der Protagonisten gleich lang sind. Schliesslich muss man auf den Endkunden achten und sicherstellen, dass dort die relevanten Elemente gewährleistet sind. Und das gilt unabhängig davon, ob der Service von einer grossen Tech-Firma kommt oder von einer etablierten Bank. 

Zudem spielen die gewaltigen Ressourcen der grossen Tech-Firmen eine entscheidende Rolle, da sie datentechnisch Möglichkeiten haben, welche kleinen und mittelgrossen Banken fehlen. Da sehe ich die grosse Herausforderung. Generell ist das Thema der Daten etwas, das für die Finanz- und für andere Industrien hohe Risiken birgt, weil die Big Techs über immense Daten verfügen, um Insights zu generieren. Das verschafft klare Vorteile. Es sei denn, eine kleine Firma schafft es, mit einem der relevanten grossen Tech-Unternehmen zusammenzuarbeiten.

Es ist kein frohes Nebeneinander, definitiv nicht

Aber dann kommt wieder der Aspekt des Vertrauens und der Sicherheit hinzu. Insbesondere dann, wenn’s ums Thema Geld geht, das ist letztlich der Treiber im Finanzmarkt. Die Vergangenheit zeigt, dass man diesen Giganten nur bis zu einem gewissen Grad vertrauen kann. Deshalb gehe ich nicht davon aus, dass es irgendwann keine Banken mehr geben wird. Vielmehr werden sich die Tech-Unternehmen ihnen annähern und sich schlau machen, wie eine Bank funktioniert. 

Generell denke ich, dass auf der Datenseite in Zukunft mehr Rechte an jene gehen werden, denen die Daten letztlich gehören. Vielleicht geht’s in die Richtung, finanzielle Datenrechte geltend zu machen. Möglicherweise schaffen wir es, mit oder auch ohne Regulatorik, ein System auszubauen, in welchem der User seine Daten an Google veräussern kann, statt sie kostenlos abzutreten. Das würde den endlosen Freiheiten von Google und anderen Big Techs entsprechende Grenzen setzen. Diese Diskussion müsste jedoch breit und ohnehin international geführt werden. 

Zum Schluss: SIX Spirit – eine ambitionierte Philosophie und Flagge, welche über SIX und allen Mitarbeitenden wehen soll. Was ist SIX Spirit? Und was genau unterscheidet euch von anderen, die mit viel Trara ein Projekt einläuten, das nach kurzer Zeit wieder sang- und klanglos in der Vergessenheit verschwindet?

Spirit basiert sehr stark auf Werten. Die Werte, welche wir uns auf die Flagge geschrieben haben, sind fundamental einfach und daher wunderbar merkfähig. Collaboration( Keiner gewinnt allein), Trust (Vertrauen schenken, um Vertrauen zu erlangen), und Ownership (Jedes Thema hat einen Verantwortlichen, um ein Thema vorwärtszubringen) – und nicht zu vergessen: Alles stets im Interesse des Kunden.

Wir wollen verstanden werden, und wir wollen verstehen. Ein tragfähiges Fundament, das ein Klima der gemeinsamen Identität und Verbundenheit prägt und dafür bürgt, dass die Dinge sich vorwärts bewegen und vor allem auch einen realen Kundennutzen generieren. Wenn wir unser Engagement jeden Tag aufs Neue sicherstellen und couragiert unseren Einsatz leisten, dann werden wir erfolgreich sein, dann haben wir zufriedene Kunden – Ziel erreicht. 

Der SIX Spirit muss von oben und auf allen Ebenen gelebt werden, unsere Werte spiegeln sich im Tagesgeschäft und werfen einen langen, positiven und sichtbaren Schatten, denn eines ist unbestritten: ohne Vorbild bleibt jede Vision nicht mehr als ein zahnloser Papiertiger.

Der Interviewpartner: Daniel Dahinden

Daniel Dahinden ist Head Business Unit Innovation & Digital und zeichnet seit 1. April 2018 verantwortlich für die Führung der neu geschaffenen Unit bei SIX. Er ist seit drei Jahren bei SIX engagiert, zuvor als Head Corporate Development.

Daniel Dahinden ist Generalist mit breitem Erfahrungshintergrund und gleichzeitig ein ausgewiesener Spezialist in den Bereichen Innovation, Strategie und Business Development. Er hat in Zürich studiert und an der ETH mit dem Master Chemical Engineering abgeschlossen. Zudem hält er den MBA der Nanyang Technological University in Singapur sowie den Master in Strategy & International Management der Universität St. Gallen.

Vor seiner Zeit bei SIX war Daniel Dahinden in verschiedenen leitenden Positionen bei Sulzer und bei Oerlikon engagiert. Zuvor war er als Berater für die Boston Consulting Group tätig.