Blockchain & ICO

ICOs auf dem Weg zu Initial Coin Offerings 2.0

ICO auf dem Monitor
Bild: Peshkov | Getty Images

Daniel Kohler und Tim Stockschläger mit persönlichen Betrachtungen zu ICOs und weshalb die Zukunft im Security Token liegt.

Die Themen Blockchain und Initial Coin Offering sind breit in der Diskussion und reissen die Finanzbranche hin und her:

Für die einen herrscht Aufbruchsstimmung, andere malen Untergangsszenarien. Über 22 Milliarden US-Dollar können Startups dieses Jahr über ICOs einsammeln. Der Begriff erinnert nicht nur stark an "IPO", sondern will letzteren auch Konkurrenz machen. Schon der Name ICO macht dies deutlich.

Doch was genau sind eigentlich Token Sales und wo liegen die Vorteile? Und können Tokens tatsächlich einen klassischen IPO ersetzen?

Ein kurzer Rückblick

Das Thema Token Sales war bis 2017 der breiten Öffentlichkeit noch völlig unbekannt. Zum Jahresende explodierte das Angebot von Tokens parallel zur Preisexplosion bei Bitcoin. Der Preis von Bitcoin geriet im Frühjahr 2018 in eine starke Krise, doch ICOs haben sich behauptet. Weit über 2'000 solcher Token werden nun am Markt gehandelt. Einige Investoren durften sich über eine zumindest kurzfristig traumhafte Rendite freuen. Andere Investoren mussten schmerzhaft erfahren, dass unter den Startups auch Betrüger am Werk waren. Das muss sich ändern, damit ICOs eine Zukunft haben.

Eine nüchterne Analyse

Nachdem sich der erste Hype so langsam legt, wird es Zeit für eine nüchterne Analyse. Was taugen Token Sales wirklich und welches tatsächliche Potenzial verbirgt sich dahinter? Es gilt zunächst, zwischen zwei Arten zu unterscheiden: Security Token und Utility Token. Rund 99 Prozent der derzeit angebotenen Token bezeichnen sich als Utility Token.

Diese Utility Token sind tendenziell mehr als Währung zu verstehen, mit denen Kunden in einem abgeschlossenen Ökosystem bezahlen können. Kunden kaufen diese Utility Token und können dafür beispielsweise Speicherplatz bei einem Cloud Service Startup nutzen. Security Token hingegen verstehen sich eher als Wertanlage oder Aktie.

Utility Token haben keine Zukunft

Wieso Utility Token keine Zukunft haben, lässt sich leicht verstehen. Diese gleichen im Prinzip einem Treuesystem wie Bonusmeilen von Airlines. Wer viel fliegt sammelt Miles und kann zusätzlich weitere Meilen kaufen und diese später gegen Freiflüge eintauschen. Genau darin liegt aber das Problem.

Welcher Investor würde ernsthaft in solche Miles investieren? Diese Miles sind nur sinnvoll für Kunden, wenn sie über lange Zeit im Wert konstant bleiben und Nutzern einen prognostizierbaren Wert liefern. Zudem werden solche Bonusprogramme laufend verändert und umgestellt. Für Utility Token heisst das, wenn ein Unternehmen entscheidet, dass es den Token nicht mehr braucht, haben Investoren keine Ansprüche gegenüber dem Unternehmen. Die Token verfallen wertlos. Die Vergangenheit hat gezeigt, wie schnell das gehen kann.

Warum Security Token den Finanzmarkt revolutionieren können

Die Zukunft liegt deshalb in den Security Token oder Asset Backed Token. Die grundlegende Idee hinter den Token hat nämlich tatsächlich das Potenzial, den Finanzmarkt zu revolutionieren.

Nicht ohne Grund investieren sämtliche Grossbanken Millionen an Forschungsgeldern für die Entwicklung von Blockchain-Applikationen. Ihre Angst: Kunden könnten in Zukunft ohne Banken auskommen. Security Token sind also ein bisschen wie das Self-Publishing in der Buchbranche. Die Vorteile dabei liegen klar auf der Hand.

Der Handel von Tokens erfolgt 24/7 zu jeder Zeit an dezentralen Handelsplätzen über die ganze Welt verteilt. Die Transaktionsgebühren sind minimal und nicht zu vergleichen mit Ordergebühren von konventionellen Banken. Die Transaktionen erfolgen nahezu in Echtzeit.

Viele Banken in Europa veranschlagen noch immer zwei Tage für das Settlement von Wertpapieren. In der heutigen Zeit ist das eine gefühlte Ewigkeit.

IPOs und ICOs

Die wichtige Veränderung liegt jedoch in dem Prozess, wenn aus IPO eine ICO wird. Ein klassischer Börsengang, sprich ein IPO, verschlingt Unmengen an Gebühren für hochdotierte Berater, Anwälte und Banker. Diese Prozesse haben sich über Jahrzehnte etabliert. Es wäre falsch zu behaupten, ein Wettbewerb fände nicht statt. Im Gegenteil. Doch echte Alternativen gab es bislang nicht.

Innovative ICOs hingegen können zu einem Bruchteil der Kosten erfolgen, die klassische IPOs verschlingen. Die gesparten Millionenbeträge sind seitens der Unternehmen besser in Forschung & Entwicklung angelegt. Das erfreut zwar nicht die Banken, ist jedoch sowohl für Unternehmen als auch Investoren vorteilhaft.

Natürlich ist das eine verkürzte Darstellung. Die Technologie ist noch in der Entwicklung und die Regulierung muss sich dieser Entwicklung anpassen, bevor sie massenmarkttauglich wird.

Die Blockchain-Technologie

Die unglaublichen Summen, die Banken in die Forschung stecken, zeigen: Blockchain gehört die Zukunft. Inzwischen kristallisieren sich mit dem Fürstentum Liechtenstein, Singapur und der Schweiz Länder heraus, die der neuen Technologie sehr offen gegenüberstehen.

Der Standort Liechtenstein ist weltweit derzeit einzigartig. Das Land profitiert von extrem kurzen Wegen und schnellen Reaktionszeiten von Behörden und Ämtern. Innerhalb weniger Tage sind Bewilligungen erteilt und Gesuche beantwortet. Das viel zitierte Blockchain-Gesetz soll in Kürze Unternehmen noch mehr Rechtssicherheit bieten. Das Land wäre damit allen anderen Staaten einen grossen und wichtigen Schritt voraus.

Utility Token versus Security Token

Viele Startups haben sich vor Umwegen gescheut und "aus der Not heraus" einen Utility Token entworfen. Ihre Idee: Utility Token benötigen fast gar keine Regulierung. Denn eigentlich ging es vielen jungen Unternehmen darum, eine Wertanlage zu schaffen. Doch die Anforderungen an Security Token, die eher mit Wertpapieren zu vergleichen sind, sind deutlich strenger.

Ein Security Token sollte also echte Ansprüche, etwa auf eine Aktien oder Immobilie, beinhalten. In unserem neuen Unternehmen Edexa beispielsweise tragen wir sämtliche Investoren nahezu in Echtzeit in das Investorenbuch ein. Anleger profitieren von einer vergleichbaren Sicherheit, wie sie am Aktienmarkt gegeben ist. Die Token können nicht einfach entwendet, sondern nur von einer zuvor identifizierten Person gehalten und an einem zertifizierten Handelsplatz getauscht werden. Utility Token hingegen können – und wurden – oft entwendet und gehackt. Investoren droht daher der Totalverlust. Eine nachhaltige Wertanlage ist mit Utility Token also grundsätzlich nicht denkbar.

Doch nicht nur für Investoren, auch für KMU bringen die Security Token positive Nachrichten. Derzeit nutzen fast alle Startups in einem Token Sale die Blockchain-Technologie als Basis für ihr Geschäftsmodell. In der Krypto-Community, die sich über die letzten Jahre und insbesondere in den letzten Monaten rasant entwickelt hat, ist das ein entscheidender Punkt. Tatsächlich ist die Blockchain zwar für viele Wirtschaftsbereiche interessant, wird aber kurz- und mittelfristig nicht sämtliche konventionellen Prozesse ersetzen.

Trotzdem sollten auch Unternehmen, die nicht primär mit der Blockchain arbeiten, das Potenzial der Blockchain für die Finanzierung nutzen. Immerhin notieren am Aktienmarkt auch Unternehmen, die nicht aus der Finanzbranche stammen. Und viele Startups haben die Blockchain nur deshalb in ihr Geschäftsmodell integriert, um sich über ein Initial Coin Offering zu finanzieren. In Zukunft ist das über die Security Token nicht mehr notwendig. Richtig umgesetzt, profitieren also beide Seiten: Investoren wie auch Unternehmen.

Die Grafik von Edexa gibt's auch als Download, gleich hier.

Der Gastautor: Daniel Kohler

Daniel Kohler, CEO von IO-Market, gründete zusammen mit Partnern im Jahr 2000 die Firma IO-Market AG. Das Unternehmen, ein Software-Anbieter aus Liechtenstein, verfügt über 20 Jahre Erfahrung im Bereich digitaler Services entlang der Supply Chain. Die neu gegründete Tochterfirma Edexa nutzt diese Expertise und entwickelt Supply Chain-Lösungen auf der Blockchain.

Daniel studierte in den 1990er-Jahren Elektrotechnik/ Informatik an der Fachhochschule in Zürich und absolvierte anschliessend ein Wirtschaftsstudium im Bereich der Unternehmensführung in St. Gallen.

Der Gastautor: Tim Stockschläger

Tim Stockschläger ist Head of Communications & Marketing bei IO-Market, einem Software-Anbieter aus Liechtenstein mit 20 Jahren Erfahrung im Bereich digitaler Services entlang der Supply Chain. Die neu gegründete Tochterfirma Edexa nutzt diese Expertise und entwickelt Supply Chain-Lösungen auf der Blockchain.

Tim studierte Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Augsburg und Leipzig. Nach seinem Engagement bei der Deutschen Bank im Corporate Relationship Management spezialisierte er sich auf Blockchain & Kryptowährungen.