Digitale Transformation im Bankwesen – Fünf Schritte zum Erfolg

Vilve Vene, CEO und Mitgründerin von Tuum
Vilve Vene, CEO und Mitgründerin von Tuum (Bild: Tuum)

Die Digitalisierung von hochregulierten Unternehmen und Institutionen ist eine komplexe Mammutaufgabe – unsere Gastautorin weiss, wie sie bewältigt werden kann.

Das Thema Digitale Transformation ist auch für Banken ein alter Hut, dennoch stehen die meisten Geldhäuser nach wie vor am Anfang ihrer Reise. So hat laut einer aktuellen Studie von Cornerstone Advisors knapp über ein Drittel (36%) der Unternehmen, die an digitalen Transformationsprojekten arbeiten, diese gerade einmal zur Hälfte erfüllt. Ob das den Tatsachen entspricht, scheint allerdings fragwürdig, denn gleichzeitig geben auch vier von zehn solcher Unternehmen an, bislang weder Cloud Computing noch APIs eingesetzt zu haben. Klar ist: Hochregulierte Unternehmen und Institutionen weitestgehend zu digitalisieren ist eine komplexe Mammutaufgabe. Allerdings gibt es durchaus Technologien und Erfahrungswerte, mit denen diese Aufgabe bewältigt werden kann.

Wie also kann es aussehen, wenn Banken ihre digitale Transformation erfolgreich umsetzen? Vilve Vene, CEO und Mitbegründerin von Tuum, ist seit mehr als drei Jahrzehnten im Bankwesen und der Technologiebranche unterwegs. Auf Basis ihres Erfahrungsschatzes hat sie nun identifiziert, welche fünf Schritte Banken unbedingt angehen müssen, wenn sie digital werden wollen.

1. Die digitale Transformation muss von oben getrieben werden

Die digitale Transformation umfasst weit mehr als nur die Implementierung neuer oder verbesserter Technologien. Vielmehr müssen Geschäftsabläufe im gesamten Unternehmen überdacht und eine enge Zusammenarbeit zwischen Geschäfts- und Technologieverantwortlichen sichergestellt werden. Denn: Eine erfolgreiche Strategie für die digitale Transformation kann nicht nur aus fundierten technologischen Entscheidungen der IT-Fachleute bestehen, sondern muss zudem mit den strategischen Prioritäten der Bank in Einklang gebracht werden.

Traditionell wurde die IT-Strategie einer Bank getrennt von den Strategien des Kerngeschäftes betrachtet, dabei wurden CIOs in der Regel nicht einmal in die strategische Entscheidungsfindung einbezogen. Wollen Banken allerdings moderne Technologien erfolgreich und nachhaltig in ihr Geschäft integrieren, muss sich dies unbedingt ändern.

Soll Technologie zum Kern einer Bank werden, müssen Banken anfangen zu denken, zu handeln und zu arbeiten wie ein Technologieunternehmen

Neben den Veränderungen auf der Führungsebene müssen die Banken auch ihre derzeitige Arbeitsweise ändern. Denn während die digitale Transformation ein langfristiger Prozess ist, neigen Banken zu einer kurzfristigen Denkweise und setzen ihre Prioritäten auf jährliche Umsatzziele. Zudem sind Banken von Natur aus risikoscheu – Transformationsprojekte werden demnach mit Argusaugen geprüft und überwacht, was dem Tempo der Veränderungen nicht unbedingt zugute kommt. Wenn Technologie also zum Kern einer Bank werden soll, müssen Banken anfangen zu denken, zu handeln und zu arbeiten wie ein Technologieunternehmen. Sprich: Weg von kurzfristigem Denken und übermässiger Bürokratie hin zu mehr Agilität, funktionsübergreifender Zusammenarbeit und kundenorientierter Entscheidungsfindung.

2. Technologie darf nicht zu einer Belastung werden

Technologien sollen Unternehmen dabei unterstützen ihre Ziele zu erreichen. Trotzdem sehen sich viele Banken durch ihren Technologie-Stack eingeengt, denn sie arbeiten häufig mit alten, gewachsenen Systemen. Das Ergebnis sind ausufernde, monolithische, siloartige Rahmenbedingungen aufgrund derer Banken ein Vermögen ausgeben, um Schritt zu halten und dennoch still zu stehen.

Neobanken oder etablierte Banken, die sich erfolgreich transformiert haben, haben diese Probleme nicht. Denn: Ihre Banking-Plattformen sind agil und einfach zu warten. So lassen sich neue Finanzprodukte schnell entwickeln und einführen. Diese modernen Plattformen werden in der Cloud gehostet und nutzen APIs für eine einfache, unkomplizierte Integration – das bietet greifbare Vorteile gegenüber herkömmlichen Banking-Technologien.

3. Schrittweises Vorgehen ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Transformation

Wie aber können Banken auf solche Technologien umstellen? Zahlreiche Beratungsunternehmen, darunter Deloitte und McKinsey, haben verschiedenste Strategien für den Wandel entwickelt. So unterschiedlich die Details dieser Strategien auch sein mögen – im Kern folgen sie alle einer ähnlichen Struktur:

  • Big Bang: Das alte System wird platt gemacht und durch ein völlig neues ersetzt. Ein solches Vorgehen mag bei kleineren Unternehmen mit weniger komplexen Abläufen funktionieren, birgt aber generell ein hohes Risiko. Ein bemerkenswertes Beispiel für einen solchen – schief gelaufenen – Big Bang: die deutsche Apobank, deren Umstellung auf ein neues IT-System die Bank einen dreistelligen Millionenbetrag kostete und mit Vorlauf rund vier Jahre dauerte. Die Krux: Während dieser Umstellung tritt die Bank technologisch auf der Stelle. Innovationen sind nicht möglich bis die Umstellung abgeschlossen ist.
  • Facelifting: Beliebt, aber nur mässig erfolgreich. Denn: Während Middleware eingesetzt wird, um einige Einschränkungen des Altsystems über API-Integrationen zu beheben, bleibt das Backend unverändert. So kann zwar das Frontend aufgehübscht werden – aber die Funktionen werden nicht erweitert.
  • Greenfield: Hier wird ein paralleles, Cloud-natives, neues System neben dem bestehenden aufgebaut. So können zwar schnell Ergebnisse erzielt werden, allerdings ist dieser Ansatz sehr teuer. Denn: Hier summieren sich die Kosten, um ein neues System zu implementieren, während gleichzeitig das alte und das neue System am Laufen gehalten werden müssen.
  • Progressive Migration: Hier wird schrittweise ein neuer Tech-Stack aufgebaut, und zwar jeweils ein Produkttyp (vertikal) oder eine Geschäftsfunktion (horizontal). Aufgrund der komplexen IT-Strukturen favorisieren Banken in der Regel eine vertikale progressive Migration. So lassen sich die Mitarbeiter in jeder Implementierungsphase schulen, was mögliche Wissenslücken verringert.

Prinzipiell ist dieser letzte Ansatz – die schrittweise Migration – der erfolgversprechendste. Das Tempo der Veränderungen lässt sich hoch halten, während gleichzeitig die Risiken reduziert werden. Zudem zahlt ein solcher Ansatz sowohl auf kurz- als auch auf langfristige Strategien ein. So lassen sich Im Laufe der Zeit alle vertikalen Bereiche auf ein neues, modernes Kernsystem umstellen und die Bank kann auch im digitalen Zeitalter erfolgreich sein.

Neue technologische Möglichkeiten sollten Hand in Hand mit einem besseren Kundenservice gehen

4. Die Bedürfnisse der Kunden in den Mittelpunkt stellen

Neue technologische Möglichkeiten sollten Hand in Hand mit einem besseren Kundenservice gehen. Traditionell haben Banken einen produktorientierten Ansatz verfolgt, indem sie standardisierte Angebote mit bestimmten Vorteilen, Parametern und Regeln eingeführt haben, ohne auf die spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Kunden einzugehen. Dieser Ansatz mag früher funktioniert haben. Heute aber verlangen die Verbraucher zunehmend nach einem individuelleren Erlebnis anstelle eines 0815-Angebots. Prinzipiell sollte das auch kein Problem sein, denn Banken haben heute mehr Zugriff auf Kundendaten als je zuvor. Veraltete Systeme und isolierte Strukturen führen aber dazu, dass sich diese wertvollen Daten nicht richtig analysieren lassen. Abhilfe schafft eine moderne Plattform, über die Kundendaten in verwertbare Erkenntnisse umgewandelt werden können – für einen wirklich personalisierten Service.

5. Kontinuierliche Innovation geht nur, wenn Technologie ständig optimiert wird

Eine Bank, die ihre Denkweise, Unternehmenskultur und technologischen Fähigkeiten verändert hat, kann sich bewegen wie ein Technologieunternehmen: Indem die Bank schnell neue Angebote einführen und kontinuierlich testen kann, wird Innovation leichter. Werden ausserdem interne Abläufe erfolgreich umgestaltet, lässt sich auch die Art und Weise, wie sie mit den Kunden interagiert, revolutionieren, so dass Kunden durch kontinuierliche Innovation einen zusätzlichen Nutzen haben.

Die Autorin: Vilve Vene

Vilve Vene, CEO und Mitgründerin von Tuum

Vilve Vene ist CEO und Mitgründerin von Tuum, einem FinTech aus Estland, das eine moderne, flexible Core-Banking-Plattform anbietet.

Bereits vor über 25 Jahren – lange bevor "FinTech" ein gängiger Begriff wurde – entwickelte Vilve innovative Finanztechnologie.