Report

«Banken haben die historische Chance, Teil der Lösung und nicht Teil des Problems zu sein»

Schild auf der Autobahn mit Aufschrift: Recovery, just ahead
Bild: alexsl | Getty Images

Können Banken den europäischen Aufschwung befördern? Ja, glauben die Experten der Strategieberatung Oliver Wyman – wenn sie die richtigen Schritte gehen.

Die Coronakrise ist nicht spurlos an Wirtschaft und Gesellschaft vorbeigegangen. Wie können Banken die Wirtschaft dabei unterstützen, sich von den Folgen dieser Krise zu erholen? Immerhin müssen einige der grössten Herausforderungen bewältigt werden, vor denen Europa im Moment steht. 

Ein aktueller Report thematisiert Ausgangslage, Probleme und mögliche Lösungen. Mit Blick auf europäische Finanzinstitute und mit einem speziellen Fokus auf die Schweizer Banken.

Ein Viertel der Erträge des Bankensektors steht auf dem Spiel

Nach einem der stärksten Einbrüche des Bruttoinlandsproduktes, den die Wirtschaft je erlebt hat, stehen bis zu ein Viertel (160 Milliarden Euro) der Erträge im europäischen Bankensektor auf dem Spiel. Dann, wenn es der Branche nicht gelingt, einen Beitrag zur Lösung einer Reihe neuer Herausforderungen zu leisten, vor die sich die Gesellschaft durch die Pandemie gestellt sieht.

Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Report "Ready To Lead: How Banks can drive the European Recovery" der internationalen Strategieberatung Oliver Wyman.

Das Bankensystem ist mit hohen Eigenkapitalquoten gut aufgestellt, um die wirtschaftliche Erholung in Europa massgeblich mit voranzutreiben. Diese komfortable Position ist vor allem auf niedrigere Rückstellungen als erwartet und Dividendensperren zurückzuführen. Die harte Kernkapitalquote (CET1) liegt im Branchendurchschnitt bei 15,4 Prozent und hat sich damit gegenüber den 14,4 Prozent aus dem Jahr 2019 weiter erhöht. Weniger als 1 Prozent des gesamten Eigenkapitals in der Branche entfällt auf Banken mit einer CET1-Quote von unter 12 Prozent.

Die Konsensschätzung zu Kreditausfällen bei Instituten, welche an die europäische Bankenaufsicht berichten, lag für das Jahr 2020 bei rund 200 Milliarden Euro. Letztendlich waren es 110 Milliarden Euro, immer noch mehr als das Doppelte an Ausfällen im Vergleich zu 2019. Seither haben 30 Prozent der Banken, die Quartalsberichte veröffentlichen, Rückstellungen aufgelöst, im Durchschnitt 12 Prozent pro Geldhaus, Tendenz steigend.

Der Branche stehen allerdings noch härtere Zeiten bevor – mit der durch die enorme Liquidität am Markt verursachten Blasenbildung an den Kapitalmärkten, niedrigen Zinsen, einem spekulativen Goldrausch bei digitalen Vermögenswerten und dem Schreckgespenst steigender Inflationsraten. In Ländern, die sich wegen der Pandemie zu besonders strengen Lockdown-Massnahmen gezwungen sahen und deren Volkswirtschaften besonders stark in Mitleidenschaft gezogen wurden, sackten die Erträge um bis zu 11 Prozent ab. Bei den risikogewichteten Aktiva betrug der Rückgang knapp 5 Prozent.

Die zentralen Herausforderungen

Der Report skizziert fünf Herausforderungen, welche die Banken in Europa meistern müssen, damit die Wirtschaft zurück auf den Wachstumspfad findet:

  • Beendung von Notfallkreditprogrammen
  • Umstellung auf die Massnahmen der Europäischen Union zur Erholung der Kapitalmärkte im Rahmen der Kapitalmarktunion und des Corona-Wiederaufbaufonds "Next Generation EU"
  • Finanzierung des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft
  • Bereitstellung des Zahlungsverkehrs, Kreditvergabe und anderer Bankprodukte in einer digitalen Wirtschaft                          
  • Aufbau der Finanzinfrastruktur der Zukunft, einschliesslich digitalem Zentralbankgeld

Tobias Würgler, Partner und Leiter Financial Services bei Oliver Wyman Schweiz, erkennt für europäische Banken die einmalige Chance, die Wirtschaft dabei zu unterstützen, sich von den Folgen der Coronakrise zu erholen und einige der grössten Herausforderungen zu bewältigen, vor denen wir in Europa stehen. Mit Abklingen der Pandemieeffekte, rechnet Würgler vor, geht es dabei um nicht weniger als ein Viertel der Erträge des Bankensektors. Deshalb muss das Bankensystem mit der Politik in Dialog treten, seine zentrale Rolle in der Wirtschaft neu verankern und das Vertrauen seiner Kunden stärken, ist Tobias Würgler überzeugt und fügt an:

Banken haben die historische Chance, Teil der Lösung und nicht Teil des Problems zu sein

Und die Banken in der Schweiz?

Für Schweizer Institute fällt diese Zeit zusammen mit einer Reihe von weiteren Entwicklungen: Die Beziehung zwischen der EU und der Schweiz befindet sich in einer kritischen Phase. Die Risikomanagementsysteme Schweizer Banken werden nicht nur von der Aufsicht kritisch beäugt, sondern auch durch Vorfälle wie Greensill und Archegos weiter auf die Probe gestellt. Und aufgrund der Zinssituation ändert sich das Anlageverhalten der Schweizer rasant. In diesem schwierigen Umfeld erkennt Würgler auch für die Schweizer Banken grosse Chancen:

Das neue Umfeld und die mögliche wirtschaftliche Erholung bieten für die Schweizer Banken in allen Segmenten eine ausgezeichnete Gelegenheit, die eigene Position zu stärken und von den Veränderungen zu profitieren

Details zum Report

Der European Banking Report "Ready to Lead" von Oliver Wyman basiert auf unternehmenseigenen Modellen zur Schätzung der künftigen Finanzdaten. In die Berechnungen gehen Ausfallquoten bei Privatkunden und Unternehmen, Rückstellungen, risikogewichtete Aktiva, Gewinne und andere zentrale Kennzahlen für den Bankensektor ein. Es werden Aggregatgrössen auf europäischer Ebene sowie granularere Daten zu Ertrags- und Bilanzeffekten für 17 europäische Länder (Schweiz, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Irland, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden und Spanien) angegeben.

Der Report liefert alle Details zu Erkenntnissen und Empfehlungen – die Studie kann als PDF direkt bei Oliver Wyman kostenlos runtergeladen werden, über den Link gleich unten.