Lockdown

Corona-Krise: Wer die Liquiditätshilfen für KMU nutzt und warum der Bundesrat die Bürgschaft auf 40 Milliarden Franken erhöht

Bundesrat Ueli Maurer an der Medienkonferenz des Bundesrates vom 3. April 2020
Bundesrat Ueli Maurer an der Medienkonferenz des Bundesrates vom 3. April 2020 (Bild: Der Schweizerische Bundesrat)

Ein Zwischenstand zu den bisher ausbezahlten Krediten, warum Bürgschaften noch keine Ausgaben sind und wie der Bund gegen Missbräuche vorgehen will.

Das vom Bund geschnürte Unterstützungs-Paket für die Schweizer Wirtschaft umfasst 20 Milliarden Schweizer Franken – gesprochen als Verpflichtungskredit, mit dem Bürgschaften gewährt werden. Die Liquiditätshilfen in zwei Varianten, COVID-19-Kredit bis 500'000 Franken sowie COVID-19-Kredit Plus bis 20 Millionen Franken, werden in Anspruch genommen und offenbar stark genutzt.

Deshalb will der Bundesrat um weitere 20 Milliarden aufstocken, das Unterstützungs-Paket soll neu mit total 40 Milliarden Franken ausgestattet sein. Der Bundesrat wird 10 von diesen 20 Milliarden der Finanzdelegation als Vorschuss beantragen, die Delegation tagt bereits kommenden Dienstag.

Wie werden die Überbrückungskredite in Anspruch genommen?

Der Bundesrat hat in seiner Medienkonferenz letzten Freitag über den aktuellen Stand informiert. Der Zugang zu den Überbrückungskrediten für Unternehmen ist für KMU am 26. März 2020 geöffnet worden – mit dem Ziel, dass über Liquiditätshilfen (COVID-19-Kredite) betroffene Unternehmen möglichst unbürokratisch, gezielt und vor allem rasch unterstützt werden sollen.

Die Schweizer Banken, welche die Kredite nach den Richtlinien des Bundesrates vergeben, arbeiten aufgrund der Dringlichkeit Samstag und Sonntag durch. Innerhalb der ersten acht Tage (Stand 2. April 2020), sind bereits 76'000 Kreditvereinbarungen mit einem Kreditvolumen von 14,3 Milliarden Franken abgeschlossen worden.

Diese Zahlen zeigen, das die erste Tranche mit 20 Milliarden Franken bald ausgeschöpft sein wird. Die Liquiditätshilfen sollen jedoch weiterhin zur Verfügung stehen, Kreditgesuche können bis am 31. Juli 2020 eingereicht werden. Deshalb wird eine Aufstockung um 20 Milliarden Franken notwendig – mit einem vom Bundesrat beantragten Vorschuss von 10 Milliarden, damit das angelaufene Programm mit dem Schutzschirm für Unternehmen nicht unterbrochen wird.

Bundesrat Ueli Maurer macht eine Rechnung auf

Die Überbrückungskredit sind für KMU gedacht, welche durch die Corona-Krise und den Lockdown in Liquiditätsengpässe geraten. Finanzminister Ueli Maurer rechnet vor: In der Schweiz gibt's 530'000 KMU, davon dürften 400'000 direkt oder indirekt von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen sein. 350'000 von diesen betroffenen KMU sind Kleinstbetriebe zwischen 1 und 9 Mitarbeitern. Nach Aussagen von Bundesrat Maurer ist diese grösste Gruppe der Unternehmen deshalb auch am stärksten vertreten bei den Antragstellern für Überbrückungskredite.  

Im Moment bürgt der Bund bei den ausbezahlten Krediten duchschnittlich mit rund 180'000 Franken pro Kredit. Nach Maurer gehören sehr viele Kleinunternehmen mit einem Volumen von 50'000 Franken zu den Kreditnehmern –  grössere KMU mit deutlich höheren Kreditansprüchen sind mit dabei, deren Gesuche würden jedoch erst "nach und nach" eintreffen.

Dieses "nach und nach" dürfte in Bezug auf die Auszahlung damit zusammenhängen, dass Anträge über 500'000 Franken (COVID-19-Kredit Plus) mit einer Prüfung durch die jeweilige Bank verbunden sind, was einige Tage in Anspruch nehmen kann. Zudem werden diese höheren Kreditbeträge vom Bund zu 85 Prozent abgesichert, die kreditgebende Bank bleibt mit 15 Prozent mit in der Pflicht.

Die Gruppe der Kleinst- und Kleinunternehmen mit Kreditbeträgen bis 500'000 Franken (COVID-19-Kredit) ist nicht nur sehr viel grösser, deren Kredite werden auch ohne grössere Abklärungen schnell und unkompliziert gewährt. Das entspricht der Grundidee des Massnahmen-Pakets des Bundesrates:

Die grosse Zahl der Kleinen soll sofort mit Liquidität versorgt werden – deshalb sind diese Kredite durch den Bund zu 100 Prozent abgesichert. Das heisst konkret, dass kreditgebende Banken kein Risiko tragen müssen, der Bund bürgt vollumfänglich für allfällige Kreditausfälle.

Bundesrat Ueli Maurer geht nicht davon aus, dass alle der 400'000 betroffenen KMU einen Antrag stellen werden. Die bisher ausbezahlten Kredite an 76'000 KMU zeigen jedoch, dass das Bedürfnis gross und nach wie vor vorhanden ist – und die Zahl der Anträge ist nach Maurer nicht rückläufig (Stand 2. April 2020), sondern immer noch am Ansteigen. 

Bürgschaften sind noch keine Ausgaben

Bundesrat Maurer legt Wert auf die Feststellung, dass der Bund wohl für die Kredite bürgt, im Moment aber konkret noch kein Geld ausgibt. Bürgschaften werden erst dann zu Ausgaben, wenn Kredite ausfallen.

Sind die bisher gesprochenen Kredite für den Bund noch keine Ausgaben, sondern eben "nur" Bürgschaften, steht die Frage der möglichen Ausfallquote im Raum. Für das laufende Jahr hat der Bundesrat dem Parlament 1 Milliarde Schweizer Franken für entsprechende Bürgschaftsverluste beantragt.

Mit einem weiteren Blick in die Zukunft, tut sich der Bundesrat aus naheliegenden Gründen im Moment schwer. Ob die Bürgschaften zu Ausgaben werden, so Bundesrat Maurer, hängt vor allem von der Dauer der Krise ab. Die aktuellen Massnahmen und Unterstützungs-Pakete sind gedacht und konzipiert für eine Dauer von drei Monaten, dann sollte eine gewisse Normalisierung stattfinden. Geht das alles wesentlich länger, muss nach Maurer mit höheren Bürgschaftverlusten gerechnet werden. Allerdings, hält Bundesrat Maurer fest, für Prognosen ist es schlicht noch zu früh.

Sind Bürgschaften überhaupt das richtige Instrument?

In der Medienkonferenz stellt Bundesrat Ueli Maurer eine rhetorische Frage gleich selbst: Sind Bürgschaften das richtige Instrument? Zweifellos nicht für alle, meint Maurer, A-fonds-perdu-Beiträge könnten für einige besser sein, aber:

Ich verteile ja nur ihr Steuergeld und fremdes Geld zu verteilen, ist immer relativ einfach

Deshalb betrachtet Maurer den vom Bundesrat aktuell eingeschlagenen Weg "zweifellos als den richtigen in der momentanen Situaition": Der Bund gewährt Bürgschaften und versucht dann Lösungen zu finden, "wenn es irgendwo nicht geht".

Maurer verweist auch auf das Tempo, es musste und muss alles schnell gehen, um sofort helfen zu können:

Seit dem letzten Donnerstag wird alle 4 Sekunden irgendwo in der Schweiz eine Bürgschaft bewilligt

Das vorgelegte Tempo geht zwangsläufig zulasten einer detaillierten Kontrolle, welche zurzeit noch nicht möglich ist. Das werde jedoch noch kommen, kündigt Bundesrat Maurer an und verweist auf "gute Kontrollmechanismen, die greifen werden".

Unternimmt der Staat genug?

Mit den Hinweis auf die Arbeitslosenzahlen, welche "innerhalb von zwei Wochen bereits um 26'000 angestiegen sind", wird von Seite der Journalisten die Frage gestellt: "Unternimmt der Staat genug?" Die Entgegnung von Bundesrat Ueli Mauer:

Der Staat ist keine Vollkaskoversicherung

Maurer führt im Weiteren aus, dass die Wirtschaft selbst auch in der Verantwortung stehen würde. Mit den getroffenen Sofortmassnahmen würde der Bund über die Versicherungen für das laufende Einkommen sorgen und über Betriebskredite würde für Unternehmen Liquidität geschaffen. Als Sofortmassnahmen sollte das genügen, meint Bundesrat Mauer, aber das Ganze werde laufend neu beurteilt, auch abhängig davon, wie lange die Krise dauern würde.

Wie will der Bund gegen Missbräuche vorgehen?

Das Missbrauchspotenzial ist nach Ansicht von Bundesrat Ueli Maurer nicht ein Hauptproblem, zumal Kontrollmechanismen bestehen, intensiviert und auch genutzt werden. 

Der Bundesrat geht grundsätzlich davon aus, dass die Hilfskredite nicht missbraucht werden. Die unbürokratische Kreditvergabe birgt jedoch zwangsläufig ein gewisses Risiko. Dem will der Bundesrat entschieden entgegentreten. Er hat deshalb die zuständigen Departemente mit der raschen Umsetzung eines Konzepts zur Missbrauchsbekämpfung beauftragt. Dieses enthält insbesondere folgende Massnahmen:

  • Die zentrale Stelle der Bürgschaftsorganisationen überprüft sämtliche Kreditvereinbarungen (COVID-19-Kredite) auf die Einhaltung elementarer Voraussetzungen sowie auf eine allfällige Mehrfachbeanspruchung von Krediten. Zu Unrecht oder mehrfach beantragte Kredite werden rasch rückgängig gemacht.
     
  • Darüber hinaus erfolgt eine systematische Überprüfung der COVID-19-Kredite mittels Verknüpfung von Mehrwertsteuer- und anderen Daten, um unter anderem die von den Unternehmen gemachten Umsatzangaben zu überprüfen und auffallende Abweichungen zu verfolgen.
     
  • Zudem wurde das EFD beauftragt, dem Bundesrat umgehend mögliche Optionen zur Verschärfung der Straf- und/oder Haftungsbestimmungen in der Solidarbürgschaftsverordnung zu unterbreiten. Neben den kreditbeantragenden Unternehmen sollen auch deren zuständigen Organe und damit die dahinterstehenden natürlichen Personen belangt werden können.

Das heisst konkret: Können in der aktuellen Phase Kreditanträge nicht im Detail überprüft werden, weil die schnelle Liquiditätshilfe im Vordergrund steht, werden in nächsten Schritten die bereits gewährten Kredite einer eingehenderen Prüfung unterzogen.


Die Medienkonferenz des Bundesrates vom 3. April 2020

Bundesrat Alain Berset, Vorsteher Eidgenössisches Departement des Innern (EDI), Bundesrat Ignazio Cassis, Vorsteher Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Bundesrat Ueli Maurer, Vorsteher Eidgenössisches Finanzdepartement (EFD).