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Die "Höhle der Löwen" Schweiz: Was macht den Unterschied zwischen Deal und No Deal?

Das Gründerteam des Startups InClub in der "Höhle der Löwen" Schweiz
Das Gründerteam des Startups InClub in der "Höhle der Löwen" Schweiz | Bild: CH Media

In der dritten Folge der vierten Staffel sind sechs Startups angetreten, um sich einen Deal mit Investoren zu holen – woran liegt's, ob es klappen kann oder nicht?

Die Schweizer Version der Gründershow "Höhle der Löwen" fällt im Vergleich zu den Produktionen in anderen Ländern durch hohe Abschlussquoten auf. Auch in der dritten Folge der diesjährigen Staffel haben vier von sechs Startups einen Deal an Land gezogen.

Lassen sich daraus Erfolgsrezepte ableiten oder auch Killerfaktoren erkennen, die den Unterschied zwischen Deal und No Deal ausmachen? Können andere Startups, die innerhalb und ausserhalb der Höhle pitchen, aus den Erfahrungen der teilnehmenden Startups etwas lernen? 

Der Versuch, nicht nur die Startups aus der "Höhle der Löwen" vorzustellen, sondern einige Gründe auszuleuchten, die zu Erfolg oder Misserfolg beitragen können.

InClub: Das Airbnb für Erlebnisse

Die Gründer des Commerce-Tech-Startups InClub, Leonardo (23) und Sven (21), wollen Angehörige der Generation Z von der Couch ins wahre Leben holen. 60 Prozent der Gen Z, sagen die Gründer, fühlen sich immer wieder mal einsam. Daran ändern auch Social Media-Plattformen nichts, weil keine wirklichen und persönlichen Kontakte stattfinden.

Deshalb vermittelt die App von InClub Erlebnisse, die geteilt werden können. Die einen bieten Erlebnisse an – Hobbys, Hangouts, Partys, Adventure – die anderen wollen daran teilnehmen. Neue Leute, Freunde und Dates im richtigen Leben durch gemeiname Interessen. Das Startup hat mit seiner App gute Bewertungen und beste Rangierungen im App Store, in Sachen Umsatz jedoch noch nicht allzu viel erreicht.

Die Gründer möchten 155'000 Franken und bieten dafür 5 Prozent ihrer Firmenanteile. Die Firmenbewertung ist mit 3.1 Millionen eher hoch gegriffen.

Dennoch machen vier von fünf Löwen ein Angebot, ohne die Bewertung infrage zu stellen.

Deal: Investorin Anja Graf und Löwe Lukas Speiser erhalten den Zuschlag, beide investieren 155'000 Franken und erhalten je 5 Prozent der Firmenanteile.

Warum? Die Löwen investieren nicht gerne in Potenziale, lieber in Realitäten. Ausnahme: Wenn sie Potenziale und Skalierungsmöglichkeiten im In- und Ausland nicht nur erzählt bekommen, sondern diese von sich aus erkennen. Das war hier offenbar der Fall. Zudem gibt's generell weniger Diskussionen und Einwände, wenn das Team überzeugt, die Idee einleuchtet und das Geschäftsmodell auf soliden Beinen steht. Die Präsentation der beiden Gründer war smart, die Gründer selbst glaubwürdig und überzeugend – ein Mix, der bei den Löwinnen und Löwen gut ankommt und sich auf die Invest-Laune positiv auswirkt.

Help2Type: Sicheres Tippen auf dem Handy

Blinde und sehbehinderte Menschen kommen mit der Tastatur auf dem Smartphone-Monitor schlecht zurecht. Der Gründer von Help2Type, Marcel (42), hat ein kleines Keyboard entwickelt, das sich sehr einfach ans Handy andocken lässt. Die physisch fühlbaren Tasten und die akkustischen Feedbacks können helfen, Hürden zu überwinden. Innerhalb von zwei Jahren hat Help2Type 350 Einheiten verkauft.

Der Gründer wünscht sich CHF 280'000 für 20 Prozent der Firmenanteile.

Fazit: Kein Deal für Help2Type. Gutes Produkt, das dennoch bei den Investorinnen und Investoren keine Begeisterung aufkommen lässt. Die tiefen Verkaufszahlen lassen darauf schliessen, dass möglicherweise kein Bedürfnis besteht. Der Gründer selbst nimmt den Löwen nicht den Wind aus den zweifelnden Segeln, sondern vermutet auch, dass blinde oder sehbehinderte Menschen sich daran gewöhnt hätten, auf ihrem Smartphone  nicht zu schreiben und diese Gewohnheit möglicherweise nicht ändern wollen. Zudem befürchten die Löwinnen und Löwen sehr hohe Marketingkosten, um das Produkt überhaupt erst bekannt zu machen.

MyFeld: Der erste Onlinegarten in der Schweiz

Sarah (31) und Raphaell (36) verbinden mit MyFeld die digitale Welt mit der Landwirtschaft. Kundinnen und Kunden können für 600 Franken einen 16 m2 grossen Garten mieten und gleich online mit Gemüse und Kräutern beplfanzen. Diese digitale Bepflanzung wird dann in der realen Welt von richtigen Bauern übernommen, die kümmern sich um Anbau, Pflege und Ernte der gewünschten Produkte. Mehrmals pro Jahr erhalten die Online-Gärtner die Ernte aus der realen Welt per Paket nach Hause geliefert – direkt vom Feld zu den Kunden. Damit die Zeit nicht lang wird, können Kundinnen und Kunden jeweils über eine Webcam die Fortschritte in ihrem Garten verfolgen und zuschauen, wie ihr Gemüse wächst.

Die Gründer möchten CHF 375'000 und geben dafür 5 Prozent von ihrem Unternehmen ab.

Mit CHF 120'000 im ersten Jahr hält sich der Umsatz noch in überschaubaren Grenzen. Das Startup prognostiert für 2022 einen Umsatz von 850'000 Franken, 2023 sollen bereits 1.8 Millionen in die Kassen fliessen.

Die Investoren sehen Probleme beim Skalieren, finden die Idee jedoch gut und sympathisch. Die beiden Gründer sind es auch.

Deal: Die Investoren Tobias Reichmuth und Roland Brack bringen je CHF 187'500 ein und erhalten dafür je 5 Prozent der Firmenanteile.

Warum? Idee und Gründer haben hier mehr überzeugt als die bisherigen Zahlen und mögliche Skalierungs-Hürden in der Zukunft. Die Idee ist tatsächlich smart und die Verbindung von digitaler Welt und realer Landwirtschaft kommt einfach gut an. Die Bewertung haben die beiden Investoren von 7.5 auf 3.75 Millionen reduziert und sich zudem mit der Idee angefreundet, dass die Gründer im weiteren Ausbau auch Kühe und Hühner zur "Miete" in ihr Angebot aufnehmen wollen – dann gehören auch Milchprodukte und Eier zum Lieferumfang. Dass die heute schon relativ hohen Preise, 600 Franken pro Jahr, die Zielgruppen einschränken könnten, war für die Löwen kein Thema, die Romantik des Landlebens und die sympathische Idee hat gesiegt. Gut gemacht, MyFeld, und der Beweis, dass die Persönlichkeit der Gründer und ihre Wirkung sehr stark dazu beitragen, ob ein Deal zustande kommt oder eben nicht.

SavaSano: Biologische Naturkosmetik in Handarbeit hergestellt

Der Gründer Sandro (53) stellt hochwertige Naturkosmetik her, die in limitierten Auflagen über exklusive Kanäle vertrieben werden soll. Produktions- und Vertriebsstrukturen fehlen noch, der Gründer möchte Personal einstellen, welches Kräuter ernten, Produkte herstellen und die Abfüllung übernehmen soll.

Die Produkte werden zu Preisen zwischen 88 und 216 Franken verkauft, Luxusprodukte eben. Realisierter Umsatz über den Onlineshop: im ersten Monat knapp fünfstellig. Des Gründers Wunsch und Vision: SavaSano soll zum Unicorn werden. 

Das Angebot: CHF 250'000 für 10 Prozent der Firmenanteile.

Fazit: Kein Deal für SavaSano. Das ist nicht erstaunlich, der Gründer hat in all jenen Punkten ins Schwarze getroffen, die Löwinnen und Löwen mit Sicherheit davon abhalten, in ein Startup zu investieren. Sandro hat sich in Beruf und Leidenschaft der Kampfkunst verschrieben, Kosmetik entwickelt er nebenher. Das mögen Investoren gar nicht, die verlangen 200 Prozent Einsatz für das eigene Startup. Deshalb kommt auch der Wunsch nach Personal, statt eigener Initiative, nicht unbedingt gut an. Die Produkte sind extrem teuer und sollen nur in limitierten Auflagen zur Verfügung stehen, um exklusiv zu bleiben. Damit ist auch die Idee des Skalierens praktisch vom Tisch – keine gute Idee, Investoren wollen immer skalieren. Mit 2.5 Millionen Unternehmens-Bewertung viel zu hoch gestochen, ist auch der Griff nach den Sternen in Richtung Unicorn verständlich, wird jedoch von den Löwinnen und Löwen als eher unwahrscheinliche Vision betrachtet.

Fabas: Pflanzliches Protein aus der Schweiz

"Radikal lokal!", haben Anik (23) und Tobias (23) auf die Flagge ihres Startups Fabas geschrieben. Deshalb stellen sie Schweizer Hummus folgerichtig ausschliesslich aus lokalen Zutaten her. Der Selbstversorgungsgrad bei pflanzlichen Proteinen, sagen die Gründer, ist in der Schweiz praktisch bei null. 

Jetzt nicht mehr, aus einheimischen Hülsenfrüchten gibt's Hummus in vier Varianten, proteinreich, gesund, lecker und zu vernünftigen Preisen. Der Slogan "The Grow must go on!", kam bei den Investoren schon mal gut an. Der Hummus ebenfalls, die Degustationen dauerte ungewöhnlich lange und rückte in die Nähe eines ausgedehnten Nachtessens, ebenfalls ein gutes Zeichen. 

Für ein Investment von CHF 100'000 bieten die Gründer eine Beteiligung an ihrem Startup von 10 Prozent.

In sechs Monaten hat Fabas einen Umsatz von 75'000 Franken realisiert, als nächste Marke strebt das Startup CHF 800'000 bis 1 Million an.

Deal: Die Investorin Anja Graf nimmt das Angebot ohne weitere Verhandlungen an, CHF 100'000 gegen 10 Prozent der Firmenanteile.

Warum? Gute Ideen und durchdachte Geschäftsmodelle haben in der "Höhle der Löwen" Chancen. Gründerinnen und Gründer mit der richtigen Mischung aus Selbstsicherheit, Bescheidenheit, Kompetenz und Ausstrahlung verstärken diese Chancen gewaltig. Anik und Tobias haben all diese "Zutaten" mitgebracht. Dazu zwei weitere Faktoren, die immer gut landen. Zum einen die eigene Unternehmensbewertung, die mit Vernunft und erreichten Resultaten etwas zu tun hat und deshalb weit entfernt von Traumtänzereien und unrealistischen Visionen angesiedelt ist. Und: die beiden Gründen kennen ihren Case aus dem Effeff, sind extrem beschlagen und kennen deshalb auf jede erdenkliche Frage spontan und ohne rumeiern die richtige Antwort.

Bottle Plus: Sparkling Water. Anytime & Anywhere.

Menschen mögen Sprudelwasser. Zu Hause kein Problem, unterwegs schon eher. Deshalb haben die Gründer Linus (27) und Christian (28) mit Bottle Plus eine modulare und wiederverwendbare Flasche entwickelt, um unterwegs sein eigenes Sprudelwasser herstellen zu können, auf Knopfdruck. Der integrierte Gastank der Flasche kann jeweils zu Hause mit einer Auffüllstation wiederbefüllt werden. 

Die Lösung der Gründer ist durchdacht, formschön, praktisch und auch nachhaltig, weil ohne PET-Verschleiss. Das ganze System mit Flasche und Sprudelmacher kostet 200 Franken, pro weitere Flasche kommen 100 Franken dazu. Teuer, finden die Investoren, sind auf der anderen Seite jedoch von Idee, Design und Ausführung überzeugt.

Für 2022 erwarten die Gründer 4'000 verkaufte Einheiten und einen Umsatz von 1 Million. Die Ziele für die folgenden Jahre sind stolz, scheinen jedoch kalkuliert und erreichbar: CHF 3 Millionen 2023, 8.5 Millionen 2024 und 20.5 Millionen im Jahr 2025.

Die Gründer wünschen sich ein Investment von CHF 100'000 und geben dafür 1.6 Prozent ihrer Firmenanteile ab.

Warum nur 100'000 Franken, fragen die Investoren, und warum nur 1.6 Prozent mit einer sehr hohen Firmenbewertung von 6.25 Millionen?

Die Gründer wollen in einer nächsten Runde 1.25 Millionen für die weitere Entwicklung einsammeln. Und die hohe Bewertung basiert auf dem Potenzial der kommenden Jahre. Bettina Hein verzieht das Gesicht und meint:

Ahhh, das hören wir immer hier 

Dennoch bleiben die Löwinnen und Löwen am Ball, abgesehen von Lukas Speiser, bieten höhere Investments, allerdings auch gegen höhere Anteile am Unternehmen. Vier Löwinnen und Löwen legen zusammen und machen ein Angebot von CHF 800'000 für 12.8 Prozent am Unternehmen.

Deal: Im letzten Moment rundet Roland Brack die Beteiligung auf und der Deal wird mit 14 Prozent besiegelt. Bettina Hein, Roland Brack, Tobias Reichmuth und Jürg Schwarzenbach investieren je CHF 200'000 und erhalten dafür je 3.5 Prozent der Firmenanteile.

Warum? Überzeugende Gründer, welche ihr ETH-Spin-off und die Vorzüge ihres Produkts selbstbewusst und kompetent vorstellen. Beide Gründer sind zu hundert Prozent für ihr Startup engagiert und legen ihre ganze Kraft in den Auf- und Ausbau ihres Unternehmens. Das Produkt ist durchdacht, technologisch und im Design hervorragend konzipiert und es ist in dieser Form praktisch konkurrenzlos. Die Kombination von glaubwürdigen und engagierten Gründern, hohen und dennoch realistischen Zielen, zu erreichen mit einem Produkt, das sich in Ausführung und Design von ähnlichen Produkten abhebt, geben den Ausschlag und öffnen die Brieftaschen der Löwinnen und Löwen. 

Die Trainingsstrecke für Startups

Im Kern geht's immer um dieselben Faktoren, welche für Startups den Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Landung ausmachen. Gewinnende Persönlichkeit steht im Vordergrund und Sympathie entscheidet mit. Darüber hinaus spielen jedoch zahlreiche direkt beeinflussbare Punkte eine Rolle, die studiert und ein Stück weit auch trainiert werden können, um für den eigenen Pitch besser gerüstet zu sein. 

Insofern kann die Gründershow für Statups eine Trainingsstrecke sein, um die immergleichen Fehler nicht zu wiederholen und um Investoren besser einschätzen zu können. Und, ja, Unterhaltung ist mit im Spiel, aber eben noch sehr viel mehr.