Instant Payments

Wiederholt die Schweiz bei Instant Payments die Fehler der EU?

Dynamische Lichtstreifen als Symbol für hohe Geschwindigkeit
Bild: marcogovel | 123RF

Instant Payments werden konkret. Sollte das kleinkrämerische Denken siegen, werden Schweizer Banken die Fehler der EU-Banken wiederholen.

Instant Payments kennen keine Ladenöffnungszeiten und keine Bank-Wochenenden. Zahlungen werden sofort ausgeführt, rund um die Uhr an 365 Tagen – ausgelöste Zahlungen werden innerhalb von zehn Sekunden dem Konto des Empfängers gutgeschrieben. 

Als Ende 2017 in Europa Instant Payments (SCT Inst) eingeführt wurden, hat man die schnellen Zahlungen reihum als "das neue Normal" und damit als Standard im Zahlungsverkehr gesehen. Aus nachvollziehbaren Gründen. Im Zeitalter der Digitalisierung versteht niemand, weshalb ausgelöste Zahlungen Stunden oder Tage brauchen sollten, um beim Empfänger anzukommen.

Falsch vermutet, der European Payments Council (EPC) und auch das Europäische Parlament hatten die Unlust der Banken nicht im Kalkül. Haltung und Widerstand der Banken haben den Durchbruch der wegweisenden Neuerung verhindert.

Wo stehen die schnellen Zahlungen in Europa heute?

Die EU-Kommission hat bereits vor einem Jahr festgestellt, dass Ende 2021 nur 11 Prozent aller Überweisungen innerhalb der EU als Instant Payments durchgeführt worden sind. Zudem bietet auch sechs Jahre nach Einführung ein Drittel der Banken in der EU die schnellen SEPA-Zahlungen immer noch nicht an. 

Die trägen Standardüberweisungen sind weiterhin die Regel, Instant Payments sind als Ausnahme vom "neuen Normal" noch sehr weit entfernt.

Warum haben sich Instant Payments bisher nicht auf breiter Front durchgesetzt?

Haben sich Instant Payments noch nicht so richtig durchgesetzt, liegt das weniger am Desinteresse der überweisenden Bankkunden, mehr am Verhalten und der Gebührenpolitik der teilnehmenden oder eben auch nicht teilnehmenden Banken. Die Durchsetzung der schnellen Überweisungen im Markt wird durch zwei Faktoren gebremst:

Zum einen war die Teilnahme für Banken freiwillig. Nach Angaben der EU-Kommission bietet aktuell ein Drittel der Banken in der EU die schnellen SEPA-Zahlungen gar nicht an. Diese Absenz wirft Sand ins Getriebe der Idee, weil Instant Payments nur dann verlässlich genutzt werden können, wenn jeweils Absender- und Empfänger-Bank dem System angeschlossen sind.

Zum anderen verlangen Banken für die schnellen Überweisungen als Option oftmals Gebühren in der Höhe zwischen 50 Cents und einem Euro pro Überweisung. Bankkunden sind jedoch nicht bereit, für eine in ihrer Betrachtung selbstverständliche Leistung Mehrkosten zu zahlen.

Dazu kommt: Müssen Kundinnen und Kunden bei jeder Zahlung explizit zwischen langsamer und schneller Zahlung wählen, also zwischen letztem Jahrhundert und heute, werden Instant Payments als Option zur Komfortbremse.

Die EU gibt Gegensteuer und bringt Banken auf Kurs

Der Europäische Rat und das Europäische Parlament haben dem Trauerspiel im November 2023 mit einem Machtwort ein Ende gesetzt.

Instant Payments werden für sämtliche Banken und Zahlungsdienstleister zur Pflicht. Zudem müssen Zusatzgebühren für Instant Payments fallen, die schnellen Zahlungen dürfen nicht teurer sein als Standardüberweisungen. Werden normale Überweisungen kostenlos angeboten, was meistens der Fall ist, muss dieser Nulltarif auch für Instant Payments gelten.

Instant Payments in der Schweiz – ab 2024 auf Druck der SNB

Der Finanzplatz Schweiz hat die Chance verpasst, von sich aus Instant Payments zum Standard zu machen, was dem Ansehen des Landes gut bekommen wäre. 

Die schnellen Zahlungen kommen jetzt auch in der Schweiz, allerdings nicht freiwillig, sondern erst auf Druck der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Die SNB verpflichtet Schweizer Banken zum Empfang von Instant Payments. Sie bleiben jedoch frei in der Entscheidung, ob sie die ausgehenden schnellen Zahlungen ihren Kundinnen und Kunden als Service oder als Standard ebenfalls anbieten wollen.

Letzteres wäre eine sehr gute Idee. Im digitalen Zeitalter haben Überweisungen, die Stunden oder Tage dauern, bis sie beim Empfänger ankommen, einen fast schon musealen Charakter. Deshalb empfinden Kundinnen und Kunden Instant Payments auch nicht als unglaubliche Innovation, sondern eher als eine Selbstverständlichkeit. Zumal sie sich an die schnellen Zahlungen gewöhnt haben, die zahlreiche Big Techs, FinTechs und Neo-Banken als kostenlosen Standard für sie durchführen.

Die grössten Schweizer Banken – das sind jene mit mehr als 500'000 Kundenzahlungen pro Jahr – müssen die Vorgaben der SNB zum Empfang von Instant Payments bis August 2024 erfüllen. Alle anderen Banken haben Zeit bis Ende 2026.

Kundenfreundliche Umsetzung – oder treten Banken auf der Bremse?

SIX und die Schweizerische Nationalbank haben den Weg für Instant Payments (IP) freigemacht und die neue Generation des Schweizer Zahlungssystems – SIC5 – in Betrieb genommen. Jetzt sind Banken und Finanzdienstleister am Zug.

Nach Aussagen von SIX laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, zur offiziellen Markteinführung am 20. August 2024 werden sich rund 70 Finanzinstitute dem IP-Service anschliessen. In welchen Teilen sich die Finanzinstute auf den Empfang von IP-Zahlungen beschränken oder den vollen Service anbieten werden, ist noch nicht bekannt.

Konzipiert als Einbahnstrasse werden Instant Payments in der Schweiz ein Nischendasein führen. Durchsetzung auf breiter Ebene ist erst möglich, wenn die schnellen Zahlungen zu den Basisservices im Zahlungsverkehr gehören. Das heisst auch ausgelöste Zahlungen gehören zum neuen Standard und werden in zehn Sekunden dem Konto des Empfängers gutgeschrieben. 

Wiederholt die Schweiz bei Instant Payments die Fehler der EU?

Instant Payments werden in Europa erst nach Jahren und nach einem Machtwort des Europäischen Parlaments zum "neuen Normal". Läuft das in der Schweiz anders?

Mit dem verordneten Obligatorium zum Empfang von Instant Payments hat die SNB eine erste Hürde beiseitegeräumt. Das verhindert den Flickenteppich von teilnehmenden und nicht teilnehmenden Banken, welche die Idee der flächendeckenden Instant Payments verunmöglichen. 

Im Moment ist noch unklar, welche Banken und Finanzdienstleister sich mit allen Möglichkeiten an Instant Payments beteiligen werden, also die schnellen Zahlungen in beide Richtungen forcieren. Ebenso offen ist, ob aktiv ausgelöste Zahlungen kostenlos ausgeführt werden oder ob Banken der Versuchung erliegen, Instant Payments mit Gebühren zu belasten.

Gebühren haben sich in der EU als Schlag ins Wasser erwiesen. Niemand wollte für eine Leistung, die im digitalen Zeitalter als selbstverständlich betrachtet wird, zusätzlich zahlen. Dieser Bremsklotz für Instant Payments in der EU fällt nun nach Jahren erst durch die Intervention des Europäischen Parlaments.

Lässt sich aus der Geschichte der EU etwas lernen – oder wiederholt die Schweiz die Fehler der EU bei der Einführung von Instant Payments?

Raiffeisen bezieht als eine der ersten Banken Position

Raiffeisen will Instant Payments auch in der aktiven Form anbieten, also die Auslösung der schnellen Zahlungen möglich machen. Für Privatkunden sind 12 Zahlungen pro Jahr kostenlos, danach werden 2 Franken pro Zahlung fällig. Vereine sollen bereits ab der ersten schnellen Zahlung mit 2 Franken belastet werden, Firmenkunden zahlen 50 Rappen.

Das bedeutet, dass zum Beispiel Privatkunden sich ab und zu eine schnelle Zahlung leisten dürfen, die jedoch die Ausnahme bleiben muss, sonst wird's teuer. Das klingt jetzt noch nicht nach Standard.

Hinter dieser Gebührenordnung steht die Haltung, dass Instant Payments der Premium-Klasse von Zahlungen angehören, die mit Fug und Recht mit Zuschlägen belastet werden dürfen. Kundinnen und Kunden sehen das möglicherweise anders. Markus Beck, Leiter Zahlungsverkehr Firmenkunden bei Raiffeisen, unterstützt diese Vermutung indirekt, indem er sagt:

«Kunden sind heute gewohnt, dass sie alles sofort bekommen. Diese Erwartungshaltung setzt sich auch im Zahlungsverkehr durch.»

Damit trifft Beck ins Schwarze, er relativiert einzig bei den Kosten mit Verweis auf die "enorm hohen Investitionen in die Infrastruktur" und meint:

«Der Rund-um-die-Uhr-Service verursacht zudem zusätzliche Kosten für die Banken. Von daher ist es eigentlich klar, dass Instant Payments nicht gratis sein können.»

Mit dieser Vermutung liegt Beck möglicherweise neben den Erwartungen seiner Kundinnen und Kunden. Der Zahlungsverkehr wird als selbstverständliche Basisdienstleistung betrachtet. Die Bereitschaft, für die längst erwartete Version in schnell extra zu bezahlen, dürfte sehr gering ausgeprägt sein.

In den nächsten Monaten wird sich zeigen, welche Rolle andere Banken bei der Einführung von Instant Payments spielen wollen. Das entscheidet dann auch darüber, ob Instant Payments sich in der Schweiz sehr schnell durchsetzen können und tatsächlich zum Standard werden dürfen. Oder ob die schnellen Zahlungen erst im zweiten Anlauf Erfolg haben können, so wie in der EU, mit den bereits bekannten Nebengeräuschen und nach Interventionen der Regulatoren.

Europa und auch die Schweiz hinken im Moment zahlreichen asiatischen, afrikanischen und südamerikanischen Ländern hinterher, die seit längerem Milliarden von Instant Payments ausführen. Hierzulande bieten erst internationale Zahlungsdienstleister, FinTechs und einige Neo-Banken ihren Kundinnen und Kunden den selbstverständlichen Komfort von kostenlosen Echtzeitzahlungen an.

Erfreulich wäre, wenn die Schweiz ihren Ruf als Finanzplatz mit fortschrittlicher und kundenfreundlicher Haltung beim Thema Instant Payments offensiv bestätigen würde.