BitcoinFi

Wie Bitcoin zum Fundament eines neuen Finanzsystems wird

Illustration mit Bitcoin-Münzen, die am Arbeiten sind

BitcoinFi: War der Bitcoin bisher primär ein digitaler Wertspeicher, soll er nun vermehrt aktiv werden und für seine Besitzer arbeiten.

Bitcoin war lange Zeit der Inbegriff eines digitalen Wertspeichers – sicher, dezentral und unbeweglich wie digitales Gold. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit galt er als Absicherung gegen Inflation und als Gegenentwurf zum traditionellen Finanzsystem. Während sich rund um Ethereum ein komplexes DeFi-Ökosystem mit Milliardenvolumen entwickelte, schien Bitcoin bei Finanzinnovationen lange aussen vor zu bleiben. Doch das beginnt sich zu ändern.

Unter dem Begriff BitcoinFi, kurz für Bitcoin Finance, entsteht eine neue Generation von Protokollen und Anwendungen, die Bitcoin aus seiner passiven Rolle befreien und zu einem aktiven Bestandteil eines dezentralen Finanzsystems machen. Die Vision: Ein renditefähiger, sicherer und liquider Bitcoin, der gleichzeitig seine Dezentralität, Sicherheit und Unveränderlichkeit bewahrt. Damit könnte sich Bitcoin vom digitalen Gold zur Basisinfrastruktur eines offenen Finanzsystems weiterentwickeln.

Die Idee hinter BitcoinFi

Im Kern geht es bei BitcoinFi darum, Bitcoin nicht nur zu halten, sondern produktiv zu nutzen. Gemeint sind Anwendungen und Protokolle, die entweder direkt auf Bitcoin aufbauen oder BTC als Basiskapital in einem breiteren Finanzkontext einsetzen. Dazu zählen etwa dezentrale Kreditvergabe, Bitcoin-Staking, BTC-basierte Stablecoins oder Liquiditäts- und Derivateprotokolle, die auf Bitcoin zurückgreifen.

All diese Entwicklungen zielen darauf ab, das enorme Kapital, das derzeit ungenutzt in Wallets und Börsen liegt, in Bewegung zu bringen. Über 30 Prozent aller Bitcoins wurden in den letzten fünf Jahren nicht bewegt. Gleichzeitig liegen mehr als 2.9 Millionen BTC auf zentralisierten Börsen – ohne Rendite, ohne Einsatz. BitcoinFi will dieses Potenzial heben.

Warum der Wandel gerade jetzt passiert

Mehrere Entwicklungen in den letzten Jahren haben den Weg für BitcoinFi bereitet. Eine zentrale Rolle spielen sogenannte Layer-2-Protokolle. Diese auf Bitcoin aufbauenden Netzwerke bieten neue Funktionalitäten wie Smart Contracts und höhere Skalierbarkeit, ohne dabei die Sicherheit der Bitcoin-Blockchain zu gefährden. Bekannte Projekte sind Stacks, BOB, CoreDAO, Mezo oder das experimentelle BitVM-Konzept, das komplexe Berechnungen auf Bitcoin ermöglichen soll.

Eine zweite treibende Kraft ist das aufkommende Bitcoin-Staking. Obwohl Bitcoin technisch ein Proof-of-Work-System bleibt, ermöglichen neue Protokolle wie Babylo das Verleihen von BTC zur Absicherung anderer Netzwerke. Dadurch entstehen Ertragsmöglichkeiten, die dem Staking-Prinzip bei Ethereum oder Solana ähneln, allerdings ohne die fundamentale Struktur von Bitcoin zu verändern.

Hinzu kommt der Fortschritt bei der Tokenisierung von Bitcoin. Bereits im Februar 2025 waren über 32 Milliarden US-Dollar in BTC auf anderen Blockchains wie Ethereum oder Solana tokenisiert. Das entspricht etwa 1.74 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung von Bitcoin. Diese tokenisierten BTC können in Lending-Plattformen, Staking-Services oder Liquiditätspools eingebracht werden. Besonders beliebt sind sogenannte Liquid Staked Tokens (LSTs), bei denen Nutzer ihre BTC verleihen und gleichzeitig flexibel bleiben. Erträge zwischen drei und zwölf Prozent jährlich sind dabei keine Seltenheit.

Auch auf regulatorischer Ebene gibt es Rückenwind. Seit der Zulassung von Bitcoin-Spot-ETFs in den USA Anfang 2024 ist BTC im Finanzmainstream angekommen. Mit Paul Atkins als neuem SEC-Vorsitzenden und David Sacks als technologischem Chefberater unter Präsident Trump sind krypto-freundliche Akteure auf entscheidenden Positionen. Klare Regeln und mehr Rechtssicherheit könnten weiteres institutionelles Kapital anziehen, ein wesentlicher Faktor für die Skalierung von BitcoinFi.

Ein wachsender Markt mit institutionellem Interesse

Die Dynamik im BitcoinFi-Sektor lässt sich auch in Zahlen ablesen. Im Dezember 2024 erreichte das Gesamtvolumen der in BitcoinFi-Protokollen gebundenen Werte, der sogenannte Total Value Locked (TVL), ein neues Allzeithoch von 7.48 Milliarden US-Dollar. Das ist im Vergleich zu Ethereum-DeFi (über 62 Milliarden US-Dollar) zwar noch relativ wenig, zeigt aber ein beachtliches Wachstumspotenzial.

Projekte wie Babylon, Mezo, Lombard oder BOB stehen an der Spitze dieser Entwicklung und werden zunehmend auch von institutionellen Anlegern wahrgenommen. So listete Binance erste Bitcoin-basierte Futures auf "Runes", einer neuen Token-Klasse im Bitcoin-Ökosystem. Fidelity bietet BTC-Staking über Babylon an, und mehrere Fonds mit Fokus auf BitcoinFi sind in Planung oder bereits aktiv.

Auch aus Sicht von Marktanalysten zeigt sich Optimismus: Eine Berechnung von Messari Research legt nahe, dass bereits bei einer Adoptionsrate von 2.87  Prozent des Bitcoin-Bestandes in BitcoinFi ein Marktvolumen von 47 Milliarden US-Dollar realistisch wäre – genug, um zu den zehn grössten Krypto-Projekten weltweit zu zählen.

BitcoinFi als nächste Evolutionsstufe

BitcoinFi vereint das Beste aus zwei Welten: die Stabilität und Sicherheit von Bitcoin als etabliertem Vermögenswert und die Innovationskraft dezentraler Finanzanwendungen. Was früher als digitales Reserve-Asset galt, entwickelt sich zur produktiven Grundlage für Staking, Lending, Stablecoins, Derivate und mehr.

Noch steckt das Ökosystem in den Kinderschuhen, doch die Grundlagen sind gelegt. Wer sich heute mit BitcoinFi auseinandersetzt, erkennt einen grundlegenden Paradigmenwechsel: weg vom reinen "HODLing" – also dem langfristigen Halten von Krypto-Assets – hin zur aktiven Teilnahme an einem offenen, transparenten und renditeorientierten Finanzsystem.

Für langfristige Investoren, DeFi-Interessierte und institutionelle Akteure ergibt sich damit eine spannende neue Perspektive nicht nur auf Bitcoin, sondern auf die Zukunft des Geldes.

Der Autor: Darius Moukhtarzadeh

Darius Moukhtarzadeh, Research Strategist bei 21Shares

Darius Moukhtarzadeh ist Research Strategist bei 21Shares, dem weltweit ersten Emittenten von Krypto-ETPs.

Zuvor arbeitete er für die Sygnum Bank, Ernst & Young Blockchain sowie für mehrere Startups im Schweizer Crypto Valley.