Lockdown

Corona-Krise: Steht das Startup-Ökosystem der Schweiz auf der Kippe?

Death Valley
«Wenn nichts geschieht ist das Crypto Valley in einem halben Jahr das Death Valley» (Bild: jamesdvdsn | Getty Images)

Der Bundesrat bezeichnet das Startup-Ökosystem als die "Schweizer Wirtschaft der Zukunft" – über diese Zukunft wird jedoch frühestens Ende April entschieden.

In der Schweiz wächst und funktioniert seit Jahren ein hochentwickeltes Startup-Ökosystem, das in verschiedensten Bereichen die Wirtschaft mit neuen Konzepten und innovativen Technologien voranbringt.

Dieses Ökosystem ist insofern ein fragiles Gebilde, als Startups im Technologiebereich anders funktionieren als "normale" KMUs. Die spezielle Situation von Startups haben wir in verschiedenen Artikeln bereits beleuchtet, zum Beispiel hier und über den offenen Brief der Fintechrockers an Bundesrat Ueli Maurer hier.

Welche Art von Unterstützung brauchen Startups?

Das Mittel der vom Bund gesprochenen Liquiditätshilfen in Form von Krediten greift bei Startups nicht, weil deren Situation und Bedürfnisse in den Antragsformularen für die COVID-19-Kredite nicht abgebildet sind. Zudem brauchen Startups nicht primär Kredite, im Vordergrund stehen Investitionen.

Die Parlamentarische Gruppe "Startups & Unternehmertum", präsidiert von den Nationalräten Judith Bellaiche und Andri Silberschmidt, hat bereits am 22. März 2020 einen konkreten Vorschlag bei den Bundesräten Guy Parmelin und Ueli Maurer deponiert, wie Startups unterstützt werden können.

Die geschnürten Massnahmenpakete des Bundesrates hatten in erster Lesung den Sonderfall "Startups" noch nicht auf dem Radar. Das ist insofern verständlich, als die Pakete mit zahlreichen Soforthilfe-Massnahmen für verschiedenste Anspruchsgruppen sehr schnell geschnürt werden mussten. 

Die Pläne des Bundesrates für die "Schweizer Wirtschaft der Zukunft"

Der Bundesrat hat das Problem jedoch erkannt, auf die Agenda gesetzt und in der Medienkonferenz vom 1. April 2020 folgendermassen kommuniziert:

  • Ergänzende Instrumente und Unterstützung für zukunftsfähige Startups
    In Kooperation vom EFD und dem WBF sollen Lösungen für zukunftsfähige Startups erarbeitet werden.

Dieser Punkt war einer von sieben, welche insgesamt als Bereiche "mit sofortigem Handlungsbedarf" präsentiert worden sind. Eine Woche später hat Wirtschaftsminister Guy Parmelin den aktuellen Beschluss des Bundesrates an der Medienkonferenz vom 8. April 2020 mit folgenden Worten kommuniziert:

Für Startups hat der Bundesrat an seiner heutigen Sitzung entschieden, dass das Finanzdepartement beauftragt wird, in Zusammenarbeit mit dem WBF und mit den Kantonen, bis Ende April verschiedene Varianten auszuarbeiten, damit Startups unterstützt werden können. Konkret geht es darum, Lösungen zu erarbeiten – praktische Lösungen, die anwendbar sind – welche die Schweizer Wirtschaft der Zukunft unterstützen sollen.

Das Moment der Dringlichkeit scheint bei den Lösungen für Startups in den Hintergrund gerückt zu sein, praktikable Lösungen sind frühestens in drei Wochen zu erwarten. Die Dringlichkeit ist jedoch nach wie vor gegeben, weil Startups die Auswirkungen der Corona-Krise und des Lockdowns unmittelbar zu spüren bekommen und in Not geraten – so wie andere Unternehmen auch.

Wird das Crypto Valley zum Death Valley?

Was dramatisch klingt, ist es möglicherweise auch. Mehrere Branchenverbände und Institutionen haben in den letzten Tagen Umfragen durchgeführt und den konkreten Puls der Branche und ihrer Startups genommen. Der Tenor der verschiedenen Befragungen ist in der Stossrichtung identisch.

Wir bringen beispielhaft für andere Erhebungen einen Auszug der Befragung der Swiss Blockchain Federation, welche die Resultate von 203 teilnehmenden Unternehmen zusammengetragen hat.

Zentrale Ergebnisse der Befragung

  • Ein Grossteil (79.8%) der Unternehmen gibt an, in den nächsten sechs Monaten höchstwahrscheinlich insolvent zu gehen.
  • Eine ähnlich hohe Prozentzahl (88.2%) wird die Corona-Krise nicht ohne staatliche Hilfe durchstehen.
  • Mehr als die Hälfte (56.9%) der Befragten musste bereits Mitarbeitende entlassen.
  • Fast alle (90.7%) werden dies in Zukunft wohl noch tun müssen.
  • Mehr als zwei Drittel (68.3%) derjenigen Startups, die einen Covid-19-Kredit beantragt haben, erhielten diesen nicht.

Was sich düster liest, wird durch Statements unterstrichen, welche wir aus derselben Befragung zitieren.

Was Startups sagen

 «Kredite werden auf Basis von Umsätzen und/oder Lohnsummen gesprochen. Bei beiden Faktoren sind tiefe Werte vorhanden bei Startups, sprich die Darlehen werden sehr tief ausfallen, falls überhaupt gesprochen.»

«Als Jungunternehmen sind wir leider vom Covid-Kredit ausgeschlossen – somit müssen wir wohl bald Konkurs anmelden.»

«Wir brauchen nicht primär Kredite oder Mietzinsstundungen. Wir brauchen Investitionen. Investitionen sind für uns das einzig überlebenswichtige.»

«Als Startup sind wir von Investitionen abhängig. Wie vielen anderen Jungunternehmen wird es uns in wenigen Monaten nicht mehr geben, wenn wir keine externe Unterstützung erhalten.»

«Wir hatten in vergangenen Zeiten viel Besuch von Schweizer Persönlichkeiten, einmal gar von allen 200 Schweizer Botschaftern, die uns bestaunen kamen. Nun brauchen wir die Solidarität und Unterstützung von diesen Schweizer Persönlichkeiten.»

«Wir stehen momentan ohne finanzielle Unterstützung da.»

«Wir fühlen uns hilflos. Wenn nichts geschieht ist das Crypto Valley in einem halben Jahr das Death Valley.»

«Wir haben Angst. Alle hier im Crypto Valley haben Angst.»

Die Resultate der Umfrage mit weiteren Zahlen und Zitaten stehen direkt bei der Swiss Blockchain Federation als PDF zur Verfügung


Die Medienkonferenz des Bundesrates vom 8. April 2020

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, Vorsteherin Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) Bundesrat Alain Berset, Vorsteher Eidgenössisches Departement des Innern (EDI), Bundesrat Guy Parmelin, Vorsteher Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) und weitere Exponenten zur aktuellen Lage der Corona-Krise.