Regulierung

Blockchain, FinTech, Krypto – kann die Schweiz ihren jahrelang aufgebauten Vorsprung halten?

Frontansicht des Bundeshauses in Bern
Bild: NetHawk | Pixabay

Der Bundesrat wird aktiv, weil Länder mit fortschrittlichen Regulierungen zum Überholen ansetzen. Reaktionen der Verbände auf die Pläne des Bundes.

Die Sorge besteht weiterhin, dass die Schweiz ihren jahrelang aufgebauten Vorsprung als Tech-, Krypto- und Blockchain-Standort verlieren könnte. Dabei spielen Regulierungen eine zentrale Rolle.

Neben anderen Initiativen haben die Organisationen Swiss Blockchain Federation, die Crypto Valley Association und die Bitcoin Association Switzerland letzten Mai gemeinsam ein Manifest veröffentlicht, das ein umfassendes 12-Punkte-Programm zur Stärkung des Blockchain-Standorts Schweiz enthält, wir haben berichtet, hier

Der Bundesrat hat im Oktober seine Visionen vorgestellt, wie er verhindern will, dass Länder mit fortschrittlicheren Regulierungen der Schweiz die Krypto-Butter vom Blockchain-Brot nehmen. Im Kern schlägt der Bundesrat mit "Zahlungsmittel-Instituten" und "Krypto-Instituten" zwei neue Bewilligungskategorien vor, Details dazu hier

Das FINIG-Paket, das am 22. Oktober 2025 in die Vernehmlassung ging, umfasst vier Elemente:

  • Die seit 2019 bestehende FinTech-Lizenz (Art. 1b BankG) wird als Bewilligung für Zahlungsmittel-Institute in das FINIG überführt.
  • Der Rechtsrahmen für Stablecoins baut darauf auf.
  • Die Sammelverwahrung von Kryptowerten sowie weitere Dienstleistungen werden durch eine neue Bewilligung für Krypto-Institute erfasst.
  • Für Krypto-Dienstleistungen gelten neu ähnliche Sorgfaltspflichten wie für Finanzdienstleister, für das öffentliche Angebot bestimmter Kryptowerte beziehungsweise. deren Zulassung zum Handel greifen Transparenzpflichten.

Ein guter Anfang, aber ...

Die Swiss Blockchain Federation (SBF) hat in enger Zusammenarbeit mit den drei Verbänden Crypto Valley Association (CVA), der Swiss Fintech Association (SFTA) und der Capital Markets and Technology Association (CMTA) eine umfassende Stellungnahme zu den Plänen des Bundesrates und der FINIG-Vorlage erarbeitet. 

Die SBF begrüsst, dass der Bundesrat das Finanzinstitutsgesetz (FINIG) revidiert. So sollen wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Stablecoins geschaffen werden. In ihrer Stellungnahme fordert die SBF aber ein klares Bekenntnis zur Stärkung des Finanzplatzes Schweiz und unterbreitet dazu konkrete Vorschläge.

Es fehlt eine Vision für den Finanzplatz der Zukunft

«Die Richtung stimmt. Der Bundesrat zeigt, dass er die Realitäten des digitalen Finanzmarktes ernst nimmt», sagt Heinz Tännler, Präsident der SBF. «Doch der Entwurf bleibt an wichtigen Stellen unklar. Ohne konsistente Leitplanken und klare Vision riskiert die Schweiz, im internationalen Wettbewerb zurückzufallen.»

Die Stellungnahme kritisiert das Fehlen einer strategischen Vision. Die Verbände fordern deshalb, dass die Vorlage in erster Linie die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Schweiz stärkt.

Eine entsprechende Vision soll auf den Stärken der Schweiz aufbauen, dazu gehören:

  • die hohe Rechtssicherheit
  • die weit fortgeschrittene institutionelle Durchdringung des Kryptogeschäfts
  • die Selbstregulierung

Die Verbände betonen zudem, dass sich die Finanzindustrie weltweit in einem grundlegenden Transformationsprozess befindet. Innovative Technologien wie Künstliche Intelligenz, Technologie der dezentralen Register (DLT) sowie digitale Identität verändern die Art und Weise, wie Finanzdienstleistungen und -produkte hergestellt, vertrieben und verwaltet werden.

Stablecoins und tokenisierte Bankeinlagen werden ein integraler Bestandteil des Zahlungsverkehrs der Zukunft sein. «Das schweizerische Recht muss diese grundlegenden Entwicklungen erleichtern und darf sie nicht erschweren. Es wäre fatal, wenn unser Land diese Entwicklungen aufgrund aufsichtsrechtlicher Hürden verpassen würde», sagt Hans Kuhn, Leiter der SBF-Arbeitsgruppe.

Die SBF bewertet die vorgeschlagene Stärkung des Kundenschutzes bei FinTech-Startups sowie den Wegfall der Obergrenze für die Entgegennahme von Publikumseinlagen positiv. Zugleich warnen die Verbände vor einer möglichen Ausdehnung des Regulierungsperimeters der Zahlungsmittel-Institute auf bisher nicht beziehungsweise nur geldwäschereirechtlich erfasste Zahlungsdienstleistungen.

Diese Geschäftsmodelle sind von grösster Bedeutung und umfassen Zahlungsdienste für Retailer, Geschenk- oder Gutschein-Modelle, Bonus-/Punkte-/Rabatt-Modelle, Ferien- und Lunchcheck-Systeme, aber auch Acquiring-Dienstleistungen sowie unzählige Formen von Abwicklungs-Dienstleistungen. Für eine prudentielle Regulierung dieser Geschäftsmodelle besteht kein Anlass.

Herausgabe von Stablecoins endlich möglich 

Die FINIG-Vorlage schafft Rahmenbedingungen, die endlich die Emission von Stablecoins aus der Schweiz ermöglichen. Stablecoins sind virtuelle Währungen, die durch einen Stabilisierungs-Mechanismus an eine offizielle Währung (zum Beispiel US-Dollar oder Euro) gebunden sind. Vor allem im Dollarraum sind Stablecoins zuletzt explosionsartig gewachsen. Es ist absehbar, dass Stablecoins auch in anderen Währungen eine zentrale Rolle im Zahlungsverkehr und im Finanzsystem einnehmen werden.

Die Verbände begrüssen ausdrücklich, dass Geldwäschereirisiken unter anderem durch die Sperrung sanktionierter Adressen (Blacklisting) adressiert werden können, fordern jedoch, dass diese Regelung für alle Arten von Stablecoins gelten muss. Zudem warnen sie nachdrücklich davor, lediglich eine bestimmte Form von Stablecoins zuzulassen, da dies den Innovationswettbewerb erheblich beeinträchtigen würde.

Weiter kritisieren die Verbände, dass Banken Stablecoins nur über ein separates Zahlungsmittel-Institut emittieren dürfen, das separat gegründet werden müsste. Angesichts der Rolle der Banken als zentrale Akteure im Zahlungsverkehr sehen sie für eine solche Vorgabe keine sachliche Rechtfertigung.

Weniger Restriktion, dafür risikobasierte, abgestufte Regulierung

Kritischer fällt die Einschätzung der Verbände zur vorgeschlagenen Regulierung von Krypto-Instituten aus, die sich gemäss Vorlage an den heute für Wertpapierhäuser geltenden Rahmen orientieren soll. Eine solche Ausgestaltung könnte zu einer drastischen Marktbereinigung führen – ähnlich wie in der EU, wo nach vollständiger Umsetzung der MiCAR-Verordnung von ursprünglich rund 3'000 Krypto-Dienstleistern noch 150 bis 300 bestehen bleiben.

Vor diesem Hintergrund schlagen die Verbände eine abgestufte Regulierung nach Bedeutung der Krypto-Institute vor. Nur grössere und systemrelevantere Institute sollen der Direktaufsicht der FINMA unterstehen, während kleinere Anbieter – analog zu den Vermögensverwaltern – von anerkannten Aufsichtsorganisationen beaufsichtigt würden.

Dringender Handlungsbedarf bei der FINMA

Die Verbände weisen schliesslich auf dringenden Handlungsbedarf bei den Bewilligungsverfahren der FINMA hin. Diese Verfahren dauern viel zu lange und sind intransparent. Die Verbände befürchten, dass die neue Regulierung ohne entsprechende Verbesserung in der Praxis wirkungslos bleiben könnte.

Daher schlagen sie vor, dass die Bewilligungsverfahren im Regelfall innerhalb von sechs Monaten nach Einreichen eines vollständigen Dossiers abgeschlossen werden sollten. «Wir brauchen Regeln, die technologieoffen, risikoadäquat und international anschlussfähig sind – und eine FINMA, die diese Vorgaben verlässlich und transparent umsetzt», fordert Kuhn.

Die konkreten Verbesserungsvorschläge der SBF-Arbeitsgruppe

Die folgenden 14 Punkte fassen die Bereiche zusammen, in denen die Expertengruppe den grössten Anpassungsbedarf sieht. Sie sollen Rechtssicherheit schaffen, Doppelspurigkeiten vermeiden, praxisuntaugliche Elemente korrigieren und sicherstellen, dass Innovation nicht durch unnötige Regulierungshürden ausgebremst wird.

Diese Punkte basieren auf einer umfassenden Analyse der Branchenverbände und spiegeln die zentralen Anliegen der Industrie.

  • Es bleibt unklar, ob der Regulierungsperimeter der Lizenz für Zahlungsmittel-Instituteweiter geht als derjenige der heutigen Fintech-Lizenz. Die Verbände lehnen die Erfassung von Zahlungsdienstleistern, die bisher nicht oder nur im Rahmen der Geldwäscherei-Aufsicht tätig sind, mit Nachdruck ab. Diese Geschäftsmodelle sind von grösster Bedeutung und umfassen z.B. Zahlungsdienste für Retailer, Geschenk- oder Gutschein-Modelle, Bonus-/Punkte-/Rabatt-Modelle, Ferien- und Lunchcheck-Systeme, aber auch Acquiring-Dienstleistungen sowie unzählige Formen von Abwicklungsdienstleistungen.
  • Das Zahlungsmittel-Institut (wie bereits bisher FinTechs nach Art. 1b BankG) weist ein Risikoprofil auf, das sich auf operationelle Risiken beschränkt. Die Verbände fordern deshalb eine streng risikobasierte Regulierung und lehnen eine Verschärfung der geltenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen ab.
  • Banken sollten Stablecoins direkt emittieren dürfen, ohne dafür ein separates Zahlungsmittel-Institut zu gründen. Eine Pflicht zur Auslagerung schafft Komplexitäten ohne zusätzliche Sicherheit.
  • Die Emission anderer Zahlungs-Token muss weiterhin möglich sein. Die bisherigen Ausnahmen nach Art. 5 BankV sind praxiserprobt und sollen nicht eingeschränkt werden.
  • Das Zinsverbot ist präziser zu formulieren, damit nicht-zinsliche Ertragsmodelle weiterhin erlaubt sind. Eine zu enge Definition würde etablierte Marktpraktiken beeinträchtigen.
  • Deckungsanforderungen müssen praktikabel bleiben, inklusive der Möglichkeit, SNB-Girokonten zu nutzen. Ohne SNB-Zugang entsteht ein struktureller Wettbewerbsnachteil gegenüber Banken.
  • Bei der Geldwäschereipraxis braucht es klare gesetzliche Grundlagen, etwa zur Zulässigkeit von Blacklisting (Sperr- und Ausschlussliste). Unterschiedliche FINMA-Auslegungen erzeugen heute Unsicherheit und erschweren den Markteintritt.
  • Die Orientierung am Wertpapierhaus-Modell ist ungeeignet, weil die Geschäftsmodelle von Krypto-Instituten andere Risiken und Prozesse aufweisen. Die Regulierung sollte diesen Unterschieden Rechnung tragen.
  • Der Perimeter muss auf Verwahrung fokussieren, während Kundenhandel und Market Making nicht automatisch bewilligungspflichtig sein sollten. Sonst droht eine unnötige Marktverengung.
  • Ein zweistufiges Aufsichtssystem ist sinnvoll, mit einer Aufsichtsorganisation für kleinere Institute (Selbstregulierungsorganisationen SRO) und der FINMA für grosse Institute. Das entlastet die FINMA und sorgt für eine verhältnismässige Aufsicht.
  • Sorgfaltspflichten dürfen nur für Kryptoanlagen mit Anlagecharakter gelten. Eine Ausweitung auf alle Token wäre sachlich nicht begründet und würde KMU besonders belasten.
  • Die Whitepaper-Pflicht sollte klarer definiert und breiter eingesetzt werden, um Transparenz zu schaffen, ohne unnötige Prospektpflichten auszulösen.
  • Die konsolidierte Aufsicht für ausländische Beteiligungen ist unnötig und erschwert Investitionen in Schweizer Anbieter. Sie ist international nicht üblich und wäre für den Standort ein Nachteil.
  • FINMA-Bewilligungsverfahren müssen schneller und verbindlicher werden, mit klaren Kriterien und Fristen. Heute sind lange, schwer planbare Verfahren ein wiederkehrender Kritikpunkt und hemmen die Innovation.

Die Swiss Blockchain Federation hat ihre umfassende Stellungnahme am 3. Dezember 2025 beim Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) eingereicht.