Swiss Digital Finance Conference

Falk Kohlmann über die Digitalisierung der Finanzbranche

Dr. Falk Kohlmann referiert an der Swiss Digital Finance Conference der Hochschule Luzern
Bild: Dr. Falk Kohlmann (MoneyToday.ch | Oscar Neira)

An der Swiss Digital Finance Conference der Hochschule Luzern haben wir uns mit Falk Kohlmann über Innovationen und Entwicklungen in der Finanzbranche unterhalten. Das Interview.

Die Swiss Digital Finance Conference der Hochschule Luzern thematisiert jedes Jahr die aktuellen Trends und Entwicklungen rund um Digital Finance. Herausragenden Referenten der Konferenz haben wir zum Gespräch gebeten, um den digitalen Faden weiterzuspinnen. Prof. Dr. Georges Grivas (Hochschule Luzern) und Jochen Waltenberger (E-Economy Swiss Informatics) haben uns die Türen dazu geöffnet. Oscar Neira von der Redaktion MoneyToday.ch hat mit Dr. Falk Kohlmann von der SGKB einen zweiten Blick auf aktuelle Entwicklungen geworfen.

Mit Falk Kohlmann im Gespräch

Womit werden die Teilnehmer der Swiss Digital Finance Conference im Jahr 2025 den Event bezahlen?

Ich denke, dass bargeldloses und kontaktloses Bezahlen deutlich zunehmen wird. Bargeld wird jedoch nicht verschwinden. Selbst bezahle ich praktisch alles ohne Bargeld. Entweder kontaktlos über Debitkarte am PoS, das ist derzeit am effizientesten und wird deshalb in der Verbreitung noch zunehmen. Andererseits zahle ich Kleinbeträge mit meiner Garmin Sport Watch, auf der ich die Kreditkarte hinterlegt habe. 

Und konkret zu ihrer Frage: Die Teilnehmer dieser Konferenz sind zwar eher Early Adopter und keine Late Follower, deshalb werden sie im Zusammenhang mit solchen Events alles bargeldlos zahlen, aber wahrscheinlich noch auf klassischem Weg und nicht Peer-to-Peer – allenfalls aber initiiert über neue Interaktionskanäle wie Voice Banking. Das Ganze zudem noch in Schweizer Franken und nicht in einer Kryptowährung. 

Wenn sie jetzt mit der Schweizerischen Nationalbank zusammensitzen würden, was wäre ihre Empfehlung an die SNB zum Thema Kryptowährungen?

Zunächst würde ich klar differenzieren zwischen den Kryptowährungen und der zugrundliegenden Technologie. In der Blockchain-Technologie sehe ich grosses Potenzial, welches jedoch noch nicht im Mainstream angekommen ist. Hier geht es eher darum, die richtigen Anwendungsfälle zu identifizieren und zu erkennen, ob daraus neue Risiken entstehen.

Bei den Kryptowährungen würde ich unterscheiden zwischen dem aktuellen Hype einzelner Kryptowährungen zur Vermögenssteigerung, dem Hype um teils fragwürdige ICOs sowie Kryptowährungen als Mittel zum Zweck für seriöse Blockchain-Anwendungen. Bei den ersten beiden bin ich kritisch. Hier sieht man auch bereits wieder ein erstes Abflachen. Bei letzterem ist der zugrundeliegende Anwendungsfall entscheidend.

Falls sich jedoch Kryptowährungen stärker verbreiten sollten, dürfte es herausfordernd sein, ob und wie Finanzinstitute diese als Assets für ihre Kunden aufbewahren (können) und/oder im Sinne einer ganzheitlichen Vermögensbetrachtung darstellen und in einer Finanzplanung abbilden können. 

Sollte es einen Krypto-Franken geben, wäre das sinnvoll?

Aktuell sehe ich keinen Vorteil darin und habe das Gefühl, es wird häufig vor dem Hintergrund des jüngsten Hypes darüber gesprochen. Aus meiner Sicht sollte man zuerst die Frage stellen, inwiefern die Blockchain-Technologie für die Schweiz generell zum Einsatz kommen könnte und für welche Anwendungsszenarien. 

Thema Open Banking: Geht es da bloss um Schnittstellen oder steckt mehr dahinter?

Standardisierte Schnittstellen sind eigentlich Mittel zum Zweck und Voraussetzung für Open Banking. Wenn es ums Potenzial geht, muss man auch hier differenzieren: 

Erstens, ich kann standardisierte Schnittstellen bauen, in der EU unter PSD2 wäre ich sogar dazu verpflichtet, um Zugang zu schaffen für Dritte zu gewissen Daten oder Diensten, wenn der Kunde zustimmt. Durch die Standard-Schnittstellen wird es dann für Dritte einfacher zum Beispiel Aggregatorenservices anzubieten.

Zweitens, ich kann standardisierte Schnittstellen verwenden, um Drittdienste in mein eigenes Angebotsportfolio einzubinden. Entweder, um den Kunden den Zugang zu erleichtern oder um unter Verknüpfung mit eigenen Services neue Dienste oder Produkte zu bauen.  

Drittens, ich kann eigene Services aktiv und bewusst auf fremden Plattformen platzieren. 

In allen drei Fällen reduzieren sich die Integrationskosten und es ist interessanter, digitale Lösungen auch für kleinere Kundengruppen zu konzipieren. Bisher war zum Beispiel die Einbindung einer FinTech-Dienstleistung häufig ein grösseres Integrationsprojekt, welches sich nur lohnt, wenn möglichst viele der eigenen Kunden davon profitieren. 

Und das ändert sich durch standardisierte Schnittstellen?

Ja, aber es sind zwei Dinge zu unterscheiden: Baue ich als Unternehmung die eigenen Standard-Schnittstellen, welche durch verschiedene Dritte genutzt werden können. Oder werden die Standard-Schnittstellen durch mehrere Unternehmen oder die ganze Branche entwickelt. 

Open Banking mit Standard API wird uns dann ermöglichen, ökonomisch sinnvoll auch auf bestimmte Nischen, Kunden oder Angebote setzen zu können. Mein klassisches Beispiel ist Social Trading, für das aus meiner Sicht eher nur eine kleine Kundengruppe affin ist. Bisher würde es sich nicht lohnen, dafür ein Projekt zu initialisieren – bei vorhandenen Standard API, verbunden mit einem Standard-Governance-Modell und definierten kommerziellen Grundmechanismen, vielleicht aber schon. 

Die Möglichkeiten erweitern sich also für alle?

Ja. Open Banking sollte aber meines Erachtens aus Sicht Bank tatsächlich aus den beiden Perspektiven betrachtet werden: Internalisierung externer Services sowie Externalisierung eigener Services, zum Beispiel die Fähigkeit, mit vorhandener Bewilligung ein Konto zu führen. Anstelle von bankzentristischen Modellen werden wir vielleicht im Laufe der Zeit zu überlappenden Netzwerken kommen. 

Damit definiert sich die Rolle der Banken ein Stück weit neu, richtig? 

Genau. Open Banking hat für mich das Potenzial, das Geschäftsmodell einer Bank, wie wir es heute haben, einerseits zu ergänzen und andererseits (teilweise) zu transformieren. 

Voraussetzung dafür sind dann aber nicht nur die Standard-Schnittstellen, sondern noch zwei weitere Punkte. Zum einen die Governance im Sinne eines API- und Access Managements, das heisst, wie registrieren sich die externen Dienste, damit sie meine Services nutzen können, und wie kann ich den Zugriff ohne Abstriche weiterhin sicher machen? Und der zweite Punkt ist die Kommerzialisierung. Das heisst, was ist kostenfrei, einfach damit ich gewisse Services ergänzen kann, um das eigene Angebotsportfolio zu vergrössern, und was wird bezahlt durch den Kunden oder durch den Anbieter oder den Partner? Und wie erfolgt die automatisierte Abrechnung. 

Einfacher für alle wird es zudem, wenn diese Punkte nicht jede Bank separat regelt, sondern vielmehr kooperativ. 

Wie sieht für die SGKB die digitale Bank der Zukunft aus und wie wird sich die SGKB von den Mitbewerbern unterscheiden?

Als grundsätzliche Strategie haben wir formuliert, dass wir nicht eine Digitalbank bauen, wir glauben vielmehr, dass On- und Offline-Kanäle verschmelzen zu einer hybriden Bank. Hybrid heisst, dass unsere bestehenden Kunden wie auch Neukunden selbstbestimmt die Wahl haben, über welchen Kanal sie welche Services in Anspruch nehmen möchten. Wichtig ist, dass sie alles aus einer Hand beziehen und wählen können zwischen reinen digitalen Services oder zwischen Kombinationen von digitalen und physischen Services. Und auf Wunsch soll auch ein rein persönlicher, nicht digitaler Umgang mit uns möglich bleiben. 

Viele Lösungen, die wir bauen, sind deshalb stark auf das Thema Hybrid ausgerichtet. Zudem haben wir die Ambition, als Smart Fast Follower vorn unter unseren Peers zu sein, gleichzeitig aber von anderen zu Lernen und schliesslich, falls sinnvoll, auch gewisse First Mover-Aktivitäten zu verfolgen.

Dafür gibt's ja auch in der jüngeren Vergangenheit Beispiele...

...ja, bestes Beispiel dafür ist die Smartphone Only-Lösung #Häsch Cash, welche wir als First Mover-Lösung gebaut und lanciert haben. 

Ein weiterer Punkt in diesem Kontext ist Time to Market und dass wir von und mit unseren Kunden lernen. Wir streben an, digitale Lösungen als MVP (Minimum Viable Product) zu entwickeln. Das ist aus Bankensicht durchaus anspruchsvoll, weil wir keine Startup-DNA haben. Was in der Konsequenz bedeutet, dass bei uns ein MVP schon um einiges grösser ist als bei einem Startup. Danach entwickeln wir das Produkt evolutionär weiter unter Einbezug der Kundenfeedbacks. In der Regel entwickeln wir keine One Shots.

In der Digitalisierung gehen wir von der Kundenschnittstelle aus. Das heisst, Digitalisierung machen wir zuerst für den Kunden nutzbar und beginnen erst danach zu automatisieren. Dies weil wir glauben, dass Automatisierung kanalübergreifend angegangen werden sollte. Das heisst, für uns wäre nicht die Automatisierung des Abwicklungsprozesses nur für Standard-Onlinehypotheken im Vordergrund, sondern Automatisierung unabhängig vom Eingangskanal. 

Die SGKB bietet nun auch Open APIs, also offene Standard-Schnittstellen an. Ist ihr Angebot mit den PSD2-Anforderungen vergleichbar oder ist das anders?

Wir haben die aktuelle API nicht aus Sicht PSD2 konzipiert, sondern für die Anbindung von unterschiedlichen Online-Buchhaltungssystemen über identische Schnittstellen – aber technisch und funktional ist es wahrscheinlich PSD2-vergleichbar. Vom API Management her sind wir aber noch nicht bei PSD2. In dem Sinne sind es auch keine Open APIs, wo sich externe Partner einfach nachts anschliessen könnten oder von einem Portal zumindest die Schnittstellen-Beschreibungen herunterladen könnten. 

Aber wir haben einen sehr deutlichen Schritt vorwärts gemacht, indem wir nun über eine Standard-API, einen Standard-Zusammenarbeitsvertrag und natürlich über eine Schnittstellen-Dokumentation verfügen. Erste Beispiele, welche diese nutzen, sind Bexio und Abacus, mit denen wir derzeit in der Friends and Family-Phase sind. 

Grossbanken in Europa wie BBVA, Deutsche Bank oder Nordea, welche im Kontext von Open APIs schon sehr weit sind, unterhalten spezielle Portale für Drittanbieter. Dokumentationen wie Standard-Verträge und Schnittstellen-Definitionen können runtergeladen werden und auch Testings funktionieren über diese Portale. Ist ein solches Portal auch für die SGKB denkbar?

Die Zusammenarbeit mit Crealogix als Technologie-Anbieter auf unserer Seite und mit den beiden Software-Herstellern Abacus und Bexio auf der anderen Seite, sind ein erster Schritt, der bisher zufriedenstellend verlaufen ist. Wir sind dadurch sehr viel weiter, kennen die Wege und die wären jetzt kürzer mit neuen Partnern. Zum Portal: Das ist aktuell noch kein Thema. 

Der Interviewpartner: Dr. Falk Kohlmann

Falk Kohlmann ist Leiter Digital Banking bei der St. Galler Kantonalbank. Als ausgewiesener Experte im Digital Banking kennt und beeinflusst er Entwicklungen in den Bereichen Digitalisierung, Banking und FinTech.

Vor seiner Zeit bei der SGKB war Falk Kohlmann Head of Banking Trends & Innovation beim Think Tank e-foresight der Swisscom.
Falk Kohlmann hat an den Universitäten St. Gallen und Leipzig zum Thema der geschäftsorientierten Servicearchitekturen für Banken promoviert.