Blockchain

Deutsche Banken und die Blockchain: Abwarten und schauen, was kommt

Fussgänger-Signat steht auf Warten
Bild: lovro77 | Getty Images

Eine aktuelle Studie von PwC zeigt, dass deutsche Finanzdienstleister wenig Lust auf eine Pionierrolle haben. Die meisten warten ab und behalten die Konkurrenz im Auge.

Die Blockchain und Entwicklungen drumherum sind als Thema wohl breit in der Diskussion – für deutsche Finanzdienstleister gehören eigene Blockchain-Anwendungen jedoch nicht zu den vordringlichen Themen.

Die Mehrheit der Finanzdienstleister beschränkt sich aktuell darauf, die Konkurrenz im Auge zu behalten und würde selbst erst dann nachziehen, wenn andere Mitbewerber mit realen Blockchain-Anwendungen unterwegs sind und damit konkrete Erfahrungen aus der Praxis vorliegen. Die einen warten auf die anderen und die Gruppe jener, die nicht im Blockchain-Wartesaal sitzen bleibt, ist überschaubar.

Die Studie von PwC hält weitere bemerkenswerte Einsichten bereit. Das Beratungsunternehmen hat im Frühling 2018 ausschliesslich Führungskräfte in Deutschland aus 150 Banken, 100 Versicherungen und 50 Vermögensverwaltungen zum Thema befragt. Einige Auszüge aus den Resultaten.

Finanzdienstleister im Blockchain-Wartesaal

Karger Boden für eigenes Engagement – die einen warten auf die anderen
47 Prozent der Befragten denken, für eigene Anwendungen ist dann der Zeitpunkt gekommen, wenn ein nennenswerter Teil (22 Prozent) oder ein Grossteil (25 Prozent) der Mitbewerber die Blockchain einsetzt. Weitere 27 Prozent sind erst dann zu bewegen, wenn der Grossteil der Konkurrenz bereits eine Zeit lang mit der Blockchain arbeitet. 

Insgesamt sitzen also 74 Prozent der Finanzdienstleister im Blockchain-Wartesaal und machen eigene Anwendungen vom Wettbewerbsdruck und von den Erfahrungen der Konkurrenz abhängig.

Erstaunlich. In der Regel verschafft sich Vorteile, wer mit Innovationen der Konkurrenz zuvorkommt. Bei der Blockchain scheint das anders zu laufen. Offensichtlich gehen die Pläne in die Richtung, der Konkurrenz Investitionen und Terrain zu überlassen.

Wahrnehmung und Erwartungen

Der Hype steht in keinem Verhältnis zur persönlichen Einschätzung
Rund die Hälfte der befragten Führungskräfte misst der Technologie für das eigene Unternehmen und Geschäftsfeld keine oder eine geringe Relevanz zu. Nur gerade 23 Prozent geben der Blockchain eine hohe Bedeutung.

Stehen Wissensdefizite im Wege?
Eine mögliche Erklärung für diesen tiefen Stellenwert: 55 Prozent der Befragten geben an, mit der Technologie gar nicht oder nur in geringem Masse vertraut zu sein. Nur 10 Prozent sind sehr stark mit dem Thema der Blockchain befasst.

Interessantes Detail: Banken messen der Technologie im Durchschnitt noch die grösste Relevanz zu, am vertrautesten mit der Blockchain sind jedoch nicht die Banken, sondern die Vermögensverwalter.

Beeinflusst die Blockchain in Zukunft das eigene Geschäftsmodell?
Die Befragten rechnen zwar mit einem wachsenden Einfluss der Blockchain auf ihr eigenes Geschäftsmodell, allerdings erst langfristig. 61 Prozent gehen davon aus, dass die Technologie ihr Geschäftsmodell in den kommenden zwei Jahren wenig bis gar nicht tangieren wird. 30 Prozent teilen diese Ansicht für die nächsten fünf Jahre und 24 Prozent denken, dass auch in den kommenden zehn Jahren die Blockchain geringe bis gar keine Auswirkungen auf ihr Unternehmen haben wird.

Die wirtschaftliche Seite der Blockchain
Während 37 Prozent der befragten Führungskräfte positive wirtschaftliche Folgen durch den Einsatz von Blockchain-Anwendungen erwarten, ist fast die Hälfte der Ansicht, dass die Technologie weder die Kosten noch den Gewinn beeinflussen wird – gewissermassen also die Blockchain als Nullsummenspiel.

Diese Betrachtung erklärt ein Stück weit auch die deutliche Zurückhaltung bei Projekten und Investitionen – gibt's in der Erwartung der Befragten nichts zu gewinnen, bleibt auch die Motivation für ein Engagement gering. 

Misstrauische 2 Prozent sehen kein Potenzial in der Blockchain und gehen sogar von negativen Auswirkung auf ihre Kosten aus.

Interessantes Detail: Im Gegensatz zu Versicherern und Vermögensverwaltern erkennen Banken auf der wirtschaftlichen Seite der Blockchain Chancen. Fast die Hälfte der befragten Führungskräfte rechnet mit positiven Auswirkungen auf Kosten und Gewinn.

Adaption in Strategie und Praxis

In der Praxis spielt die Blockchain praktisch keine Rolle
Bei mehr als zwei Dritteln der Befragten ist die Technologie nicht Teil der strategischen Planung, die Blockchain spielt also keine Rolle.

Nur gerade 23 Prozent geben an, dass die Blockchain Teil des Strategieplans des Unternehmens ist, allerdings mit der Einschränkung: die Evaluierung hat noch nicht begonnen oder befindet sich erst im Anfangsstadium.

Erfolgreiche Proof of Concepts oder konkrete Business Use Cases kann nur (knapp) jedes zwanzigste Unternehmen vorweisen.

Wer spricht die grössten Budgets?
Von wirklich grossen Budgets kann nicht die Rede sein, doch auch wahrnehmbare Budgets in fünf- oder sechsstelliger Grössenordnung bleiben die absolute Ausnahme.

Insgesamt drei Viertel der befragten Finanzdienstleister geben an, 10'000 Euro oder weniger für die Technologie einzuplanen. Das heisst im Klartext: kein Budget für Blockchain-Projekte.

Studie und Themen

Die Studie von PwC geht noch sehr viel tiefer und beleuchtet zahlreiche weitere Themen rund um Blockchain und Distributed Ledger. Sie nimmt auch den Puls und erfragt die Befindlichkeiten zu Kryptowährungen im Allgemeinen, Bitcoin im Besonderen und ICOs im Speziellen.

In diesen Bereichen sind die Resultate möglicherweise etwas weniger überraschend als bei der Blockchain, weil etablierte Finanzdienstleister diesen neuen Strömungen traditionellerweise mehrheitlich (noch) eher ablehnend gegenüberstehen.

Wir empfehlen die hochinteressante Analyse zum vertieften Studium. Nur schon deshalb, weil zwischen medialem Hype, Must-Thema an jedem Kongress im Finanzbereich, engagierten Diskussionen in Fachkreisen und realer Wahrnehmung in der Praxis von Finanzdienstleistern eklatante Lücken klaffen.

Die Resultate der Studie lassen den Schluss zu, dass die ganz grossen Würfe und Innovationen in Blockchain-Anwendungen eher nicht aus den Epizentren des Finanzbereichs zu erwarten sind. Zumindest nicht bald und schnell. Muss ja auch nicht sein, das Anwendungsspektrum für die Technologie ist sehr breit. So breit, dass neben zahlreichen anderen auch die Branche der Finanzdienstleister Terrain besetzen könnte, wenn sie wollte.

Einige Pioniere gibt's allerdings auch in der Finanzbrachne, welche dem Grossteil der abwartenden Finanzdienstleister vorangehen. Zum Beispiel LBBW, Commerzbank und andere Institute sind am Entwickeln, Testen und fallen regelmässig mit Projekten auf, welche die Möglichkeiten der Technologie ausloten.

Die aktuelle Studie zum Thema kann kostenlos bei PwC Deutschland direkt runtergeladen werden, über den Link gleich unten.