Lohnt sich die eigene Banklizenz für FinTechs und Neo-Banken?

Schriftzug Bank auf einer Glasfassade, in der sich der blaue Himmel spiegelt
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Ohne Banklizenz geht auch, allerdings: mit Banklizenz wird ein FinTech (vielleicht) zum unabhängigen Schwergewicht.

Die meisten FinTechs und Neo-Banken arbeiten unter dem Flügel und in Kooperation mit einer lizenzierten Bank. Das ist weder gut noch schlecht, es ist oftmals eine Notwendigkeit, um als FinTech im festgelegten regulatorischen Rahmen starten und operieren zu können. In der Schweiz trifft das zum Beispiel auf die Neo-Banken Neon und Coop Finance+ zu, welche mit der Hypothekarbank Lenzburg kooperieren. Oder auch auf die Neo-Bank Yuh, deren Banken-Mutterhäuser Postfinance und Swissquote ihre Tochter mit den notwendigen Spielräumen regelkonform geschäften lassen.

Diese Kooperationsmodelle haben den Vorteil, dass FinTechs einen Teil der Verantwortung sowie die regulatorischen Pflichten an die beteiligte Bank delegieren können. Im Gegenzug ist die Bank für die erbrachten Leistungen auch Partner bei den Erträgen. Je nach Modell fliessen beträchtliche Teile der Einkünfte an die Partnerbank.

Ausnahmen gibt's auch und diese FinTech-Ausnahmen mit Banklizenz-Ambitionen nehmen sogar zu. Die Berliner Neo-Bank N26 segelt seit Jahren schon unter der eigenen Banklizenz. In der Schweiz sind zum Beispiel die Neo-Banken Alpian und Radicant oder der Neo-Broker FlowBank mit bereits erteilter Banklizenz als Finanzdienstleister im Markt gestartet.

Lohnt sich die eigene Banklizenz für FinTechs und Neo-Banken überhaupt?

Diese Frage beantwortet jedes FinTech für sich, abhängig von Geschäftsmodell, Angebots-Palette, Zielen und Möglichkeiten. Zum Start ist die eigene Banklizenz meistens ohnehin kein Thema und die ersten Jahre laufen in der Regel im Rahmen von Bank-Kooperationen ab. Oder, im Falle der Schweiz, mit der Banklizenz light. Diese speziell geschaffene FinTech-Lizenz erweitert insbesondere für Startups den Gestaltungsrahmen und den Handlungsspielraum für FinTechs erheblich, unterscheidet sich in den Möglichkeiten jedoch deutlich von der Vollbanklizenz. Für den Weg der FinTech-Lizenz hat sich zum Beispiel die Neo-Bank Yapeal entschieden. 

Der Weg zur Vollbanklizenz ist aufwendig, kostspielig und mit der erteilten Lizenz durch die FINMA oder die BaFin ist das FinTech selbst verantwortlich für die Einhaltung sämtlicher Regeln und regulatorischer Vorschriften. Das erhöht die Compliance-Kosten erheblich und verträgt keine Halbheiten. Wie Letztere durch die Finanzmarktaufsicht überwacht und geahndet werden, zeigt die nun schon zwei Jahre andauernde Leidensgeschichte der Berliner Neo-Bank N26.

Auf der anderen Seite macht die Banklizenz ein FinTech zum unabhängigen Player im Finanzbereich. Möglicherweise sogar zum Schwergewicht, das sämtliche Angebote und Dienstleistungen einer Bank in sein Programm aufnehmen kann.

Erfolgreiche FinTechs und Neo-Banken mit starkem Wachstum werden die Vor- und Nachteile von Bank-Kooperation vs. eigener Banklizenz gegeneinander abwägen und entscheiden, welcher Weg in die Zukunft der richtige für sie sein kann.

Neo-Broker Trade Republic ist neu mit eigener Banklizenz unterwegs

Der Neo-Broker Trade Republic gehört zu diesen erfolgreichen und schnell wachsenden FinTechs, die sich für die Banklizenz entschieden haben. Knapp fünf Jahre nach dem Start hat das Unternehmen die Vollbanklizenz erhalten.

Das Unternehmen bezeichnet sich selbst nicht als Neo-Broker, sondern ohne falsche Bescheidenheit als "Europas grösste Sparplattform". Hinter dieser Etikette steht die erklärte Mission "den einfachen und günstigen Vermögensaufbau für jeden" zu ermöglichen. Das FinTech sieht sich in der Rolle als "Innovationsmotor der Finanzbranche" und nimmt für sich in Anspruch, nicht nur als erster Anbieter in Deutschland den günstigen Handel angeboten, sondern auch ETF-Sparpläne als neue Form des Sparbuches etabliert zu haben.

Einige Millionen Nutzerinnen und Nutzer in 17 europäischen Ländern hat das FinTech bereits als Anlegerinnen und als Sparer mit an Bord. Diesen Kunden bietet Trade Republic Investitionen in Sparpläne, Bruchteilshandel von Aktien, ETFs, Anleihen sowie Derivate und Kryptowährungen. Mit Anlagesummen ab 1 Euro lässt das FinTech niemanden nicht-investiert vor der Türe stehen. Das ist Teil des Konzepts von Trade Republic, das FinTech arbeitet mit dem grossen Rechen und mit der Überzeugung, dass Kleinsparer mit wachsenden Möglichkeiten zu grossen Anlegern werden können.

Zusätzlich aufgefallen ist der Neo-Broker mit den hohen Zinsen von 4 Prozent, die das Unternehmen auf Cash-Einlagen gewährt. Andere Anbieter und Banken zeigen sich weiterhin knausrig und liegen in der Regel sehr weit darunter. 

Trade Republic hat durch diese Zinsofferte und durch neue Produkte 2023 seine Marktanteile in Deutschland und international nach eigenen Aussagen erheblich ausbauen können. Mit dem Erhalt der Vollbanklizenz will das FinTech diesen Weg konsequent weitergehen und kann nun auch zusätzliche Möglichkeiten im Anlagen-, Spar- und Kreditgeschäft voll ausschöpfen. 

Welche neuen Ziele verbindet das FinTech mit seiner Banklizenz?

Christian Hecker, Mitgründer von Trade Republic, ist der Meinung, dass sich mit dem Erhalt der Vollbanklizenz ein neues Kapitel in der bisherigen Entwicklung seines Unternehmens öffnet. Er konkretisiert Weg und Ziele mit folgendem Statement:

«Unsere Kunden stehen grösstenteils noch am Anfang ihres finanziellen Lebens. Mit der Vollbanklizenz werden wir sie über die nächsten Jahrzehnte auf ihrem Weg begleiten. Gemeinsam mit unseren Kunden wollen wir weiter stark wachsen und eines der wichtigsten Finanzinstitute Europas aufbauen

Die angenommenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Banklizenz drücken sich auch dadurch aus, dass sich das FinTech im Bereich der Corporate Governance mit einem erfahrenen Prüfungsausschuss neu verstärkt. Diesem Gremium gehören, vorbehältlich der Zustimmung der BaFin, folgende Persönlichkeien an: Ute Gerbaulet, CFO der Dr. August Oetker KG und vormals Gesellschafterin des Bankhaus Lampe, Christiana Riley, Regional Head Nord Amerika bei Santander und ehemalige Vorständin der Deutschen Bank, sowie Andreas Willius, dem ehemaligen Geschäftsführer von Trade Republic sowie zuvor Vorstand der Börse Stuttgart.

Die Banklizenz kann als Gütesiegel verstanden werden, die Reputation erhöhen und Vertrauen schaffen. Diese positiven Faktoren haben jedoch auch ihren Preis. Ohne den alten Spruch von "Würde bringt Bürde" strapazieren zu wollen: für Trade Republic werden Compliance und Corporate Governance zu zentralen Elementen der Unternehmensführung. Das gilt für jedes FinTech mit Banklizenz. Gleichzeitig hat der Neo-Broker aber auch das Spielfeld für seine geschäftlichen Aktivitäten stark erweitert. In Zukunft sind sämtliche Produkte und Services möglich und erlaubt, die lizenzierten Banken offenstehen. 

Damit hat der Neo-Broker alle Chancen, in der europäischen Finanzlandschaft den Weg vom erfolgreichen FinTech zum unabhängigen Schwergewicht zu gehen. Immerhin verfolgt Trade Republic ambitionierte Ziele und will "eines der wichtigsten Finanzinstitute Europas aufbauen". Das ist auch mit Banklizenz ein grosser Brocken, wäre jedoch ohne Banklizenz kaum zu schaffen.