Regulierung

Die FinTech-Lizenz: Hat der Berg eine Maus geboren?

Zu klein gebaut, zum zu fliegen
Bild: CHBD | Getty Images

Ist die neue FinTech-Lizenz eine Maus, ein Papiertiger oder eine ganz grossartige Idee, die noch nicht zu Ende gedacht und beraten ist?

Letzte Woche hat das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) die Vernehmlassung zum Thema der Änderung der Bankenverordnung eröffnet.

Mit dieser Revision sollen auch die noch bestehenden Hürden für Crowdlending-Plattformen beiseite geräumt werden, welche im ersten Anlauf zu Diskussionen und Interventionen geführt haben. Wir haben über die vom EFD präsentierten Nachbesserungen im zweiten Anlauf berichtet und Auszüge aus dem erläuternden Bericht vorgestellt. 

Die Juristin Dr. Cornelia Stengel hat die Änderungen zur FinTech-Gesetzgebung in ihrem Blog unter die Lupe genommen und kommt zum Schluss:
 

Ein kleiner Schritt Richtung Deregulierung und ein grosser zurück

Cornelia Stengel macht ihre Einschätzung an zwei Aspekten fest, die der geplanten Förderung von Innovationen massive Bremsklötze mit auf den Weg geben. Der Idee der Förderung werden von Anfang an die Flügel gestutzt und Innovationen werden dadurch aller Voraussicht nach nicht abheben und schon gar nicht die notwendige Flughöhe erreichen können. Die zwei Aspekte:

Zum einen: Einschränkungen bei der FinTech-Lizenz

In ihrer Analyse sieht Cornelia Stengel die FinTech-Lizenz in aktueller Lesart massiv eingeschränkt und bewertet dadurch deren Praxisrelevanz als eher gering – primär aus zwei Gründen:

Anlage- und Verzinsungsverbot
Einerseits durch das Anlage- und Verzinsungsverbot bei entgegengenommenen Einlagen (bis CHF 100 Millionen), welches durch die FINMA sehr restriktiv ausgelegt worden ist und in dieser Auslegung im Erläuterungsbericht zur Revision der BankV übernommen wird.

Eröffnung eines Kontos bei der Schweizerischen Nationalbank
Andererseits durch den Punkt der "Eröffnung eines Kontos bei der SNB" – bei restriktiver Auslegung könnte die Schweizerische Nationalbank die Halter einer FinTech-Lizenz ausschliessen. 

Im "Erläuternden Bericht zur Vernehmlassungsvorlage" sind die Texte zum Thema ab Seite 16 unter "Verwahrung von Publikumseinlagen" zu finden, hier als Auszug im Originalwortlaut:

"Die entgegengenommenen Vermögenswerte dürfen aufgrund des Anlage- und Verzinsungsverbots von der Person nach Artikel 1b BankG weder angelegt noch verzinst werden. Bis zur Rückzahlung oder zur bestimmungsgemässen Weiterleitung müssen sie liquide zur Verfügung stehen, so dass sie innert kürzester Zeit abgezogen werden können. Dafür können sie z.B. als Sichtguthaben auf ein (vom Eigenbestand getrenntes) Bankkonto ohne restriktive Abzugsbeschränkungen einbezahlt werden. Eine analoge «Deckung» der entgegengenommenen Vermögenswerte mit Sichtguthaben bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) würde voraussetzen, dass Personen nach Artikel 1b BankG über ein Girokonto bei der SNB sowie über eine Zulassung zum Zahlungssystem «Swiss Interbank Clearing» (SIC) verfügen; allenfalls könnten dann Personen ohne eine solche Zulassung die Einlagen auch auf ein Konto bei einer zugelassenen anderen Person nach Artikel 1b BankG überweisen. Sowohl der Zugang zum Giro- als auch zum SIC-System liegen in der Kompetenz der SNB."

Im ersten Punkt sieht Cornelia Stengel die Einsatzmöglichkeiten und Spielräume der neuen FinTech-Lizenz bereits sehr stark eingeschränkt, der zweite Punkt birgt die Gefahr, dass die Anwendungsmöglichkeiten der "Banklizenz light" zusätzlich erheblich reduziert werden.

Zum anderen: Crowdlending wird dem Konsumkreditgesetz unterstellt

Cornelia Stengel legt in ihrer Analyse den Finger auf eine "flankierende Massnahme" mit grossen Auswirkungen: Im Zuge der neuen FinTech-Lizenz ist auch das Konsumkreditgesetz (KKG) angepasst worden. Eine Massnahme, deren Konsequenzen weiten Kreisen der Branche offensichtlich nicht bewusst waren. 

Neu ist auch Crowdlending dem KKG unterstellt. Bei Konsumkrediten über Crowdlending-Plattform gelten in Zukunft dieselben Regeln wie bei "normalen" Krediten. Cornelia Stengel listet in ihrem Blogbeitrag zum Thema die wichtigsten Pflichten nach KKG im Detail auf, welche neu direkt den Crowdlending-Plattformen auferlegt werden, und fasst das Resultat ihrer Analyse mit folgendem Fazit zusammen:

"Für Crowdlending-Unternehmen bedeutet das, dass sie nun zwar Kredite von mehr als 20 Gläubigern an einen Konsumenten vermitteln dürfen, allerdings müssen künftig alle Konsumkredite aus der Crowd (also auch Kredite von weniger als 20 Gläubigern) den Anforderungen des KKG entsprechen bzw. die entsprechenden Anforderungen eingehalten werden."

Hat der Berg eine Maus geboren?

Wäre das geplante Resultat eine Maus gewesen, müsste sich niemand aufregen, Berge und Mäuse gehören zum Alltag. Das Ziel war und ist jedoch keine Maus, sondern der glaubhaft formulierte Wille des Bundesrates, FinTech-Innovationen möglich zu machen und aktiv zu fördern. Im Zusammenhang mit der Strategie "Digitale Schweiz" vor über zwei Jahren präsentiert und mit der Absicht verbunden, den Boden für innovative Formen von Finanzdienstleistungen zu ebnen, erweiterte Spielräume für Startups und FinTechs zu schaffen, eine Sandbox zu installieren und die Hürden für FinTechs deutlich tiefer zu legen. 

Wie ist jetzt eine Lösung zu bewerten, welche Hürden nur minimal heruntersetzt, Grenzen nicht wirklich deutlich erweitert und mit der KKG-Revision Regulierungen für Crowdlending-Unternehmen sogar drastisch verschärft – im Gegensatz zur Intention, deren Innovations-Freiräume zu öffnen und Hürden runterzusetzen?

Standen da zu viele Köche am Herd, ohne koordinierenden Küchenchef? Ist das ein reparabler Betriebsunfall? Oder waren zu viele gegensätzliche Interessen im Spiel, die über zu viele Kompromisse die ursprüngliche Intention der Innovationsförderung dramatisch abschwächen und in Teilen sogar in die Gegenrichtung drehen? 

Woran's auch liegen mag, blättert man zurück und wirft einen Blick auf Idee, Absichten und auf formulierte Ziele des Bundesrates, dann passt das aktuell vorliegende Resultat (noch) nicht zur Intention, den Boden für Innovationen wirkungsvoll zu ebnen, die vom Bundesrat am 20. April 2016 auch aus der Perspektive des Standortvorteils für den Finanzplatz Schweiz lanciert worden ist:
 

Innovationen sind nicht nur ein wichtiger Faktor im Wettbewerb zwischen Unternehmen, sondern stellen auch einen gewichtigen Standortvorteil für den Finanzplatz dar

Die lesenswerte Analyse von Dr. Cornelia Stengel zu den Fakten 

Die Aspekte der Deregulierung (kleiner Schritt vorwärts) und der zusätzlichen Regulierung (grosser Schritt zurück) thematisiert Cornelia Stengel in ihrem Blog ausführlich und im Detail, nachzulesen über den Link gleich unten.