Hauptsitz der Swissquote in Gland | Bild: Swissquote
Postfinance verkauft Swissquote ihre Anteile an der gemeinsamen Neo-Banken-Tochter Yuh – und macht damit den Weg frei für die Expansion ins Ausland.
Die vollständige Übernahme der Neo-Bank Yuh durch Swissquote haben die beiden Mutterhäuser Postfinance und Swissquote sowie ihre Tochter Yuh letzten Freitag gleichzeitig mit jeweils eigenen Meldungen kommuniziert.
Interessant sind die unterschiedlichen Temperaturen der drei Mitteilungen. Swissquote hat die Überrnahme von Yuh sec und sachlich kommentiert, man hat sich weitgehend auf die Fakten beschränkt.
Bei Postfinance war zwischen den Zeilen ein Hauch von Wehmut herauszulesen: "Postfinance lässt das Team um Yuh-CEO Markus Schwab ziehen, weil sie auf die Stärke, das Durchhaltevermögen und das Potenzial von Yuh vertraut und den Vorteil eines Mutterhauses sieht. Mit nur einem Partner kann Yuh effizienter und fokussierter wachsen."
Deutlich euphorischer liest sich die Medienmitteilung von Yuh, welche die offenbar neue Freiheit mit folgenden Worten ausdrückt: "Time to fly: Swissquote übernimmt Yuh – die Finanz-App startet durch". Yuh bezeichnet die Übernahme der 50-Prozent-Beteiligung von Postfinance durch Swissquote als "nächsten logischen Schritt, um damit die Voraussetzungen für die nächste Flugphase zu schaffen".
Überraschung oder logischer Schritt?
Die beiden Mutterhäuser Postfinance und Swissquote haben gemeinsam dafür gesorgt, dass ihre Neo-Banken-Tochter Yuh als Startup mit sehr viel Freiräumen funktionieren konnte. Das ist eine bemerkenswerte Haltung und starke Leistung – Banken neigen oftmals dazu, ihren FinTech-Töchtern zu enge Fesseln anzulegen. Diesen Fehler haben die beiden Joint-Venture-Partner nicht gemacht.
Das Team um CEO Markus Schwab hat die Freiräume genutzt und das junge FinTech in Bestform gebracht. Innerhalb von nur vier Jahren hat Yuh – unterstützt von der Marketingpower der beiden Mutterhäuser – alle Schweizer Neo-Banken überholt und bedient heute mehr als 340'000 Kundinnen und Kunden mit einem verwalteten Vermögen von insgesamt 3.2 Milliarden Franken. Zudem arbeitet Yuh seit 2024 profitabel und ist damit die erste und bisher einzige Schweizer Neo-Bank, die den Sprung in die schwarzen Zahlen geschafft hat.
Es bleibt eine Überraschung, dass Postfinance ihren 50-Prozent-Anteil nach vier erfolgreichen Jahren an Swissquote verkauft. Der "logische Schritt" ist erst auf den zweiten Blick erkennbar und hat mit den Ambitionen von Yuh-CEO Schwab und Swissquote-CEO Marc Bürki zu tun. Beide denken und operieren expansiv und sind seit einiger Zeit schon bereit, den Schritt ins Ausland zu wagen.
Joint-Venture-Partner Postfinance hielt nach Recherchen der "Handelszeitung" dagegen. CEO Beat Röthlisberger liess an einer Branchentagung der "Finanz und Wirtschaft" durchblicken, dass die Postfinance für eine Auslandsexpansion nicht mehr der richtige Partner wäre.
Gespräche über die konkrete Ausgestaltung der Expansions-Strategie von Yuh waren seit einiger Zeit am Laufen, mit einem auf den ersten Blick überraschenden und auf den zweiten Blick vielleicht doch logischen Ergebnis: Postfinance zieht sich zurück, verkauft ihre Anteile an Swissquote und macht damit den Weg frei für jede Art von Expansion – auch für den angestrebten Schritt ins Ausland.
Die Logik, wenn man das so nennen will, sicher aber der kluge und auch grosszügige Schritt, liegt in einer bemerkenswert pragmatischen Entscheidung: Zwei Mutterhäuser haben ihre unterschiedlichen Betrachtungen nicht in endlose Zänkereien über den Kurs und die zukünftige Expansions-Strategie ihrer gemeinsamen Tochter ausurfern lassen – einer der Partner zieht sich zurück und entlässt die Tochter zusammen mit dem progressiveren Elternteil in die Freiheit.
Die Details der aktuellen Transaktion
Yuh ist zum Zeitpunkt der Transaktion mit 180 Millionen Franken bewertet worden. Joint-Venture Partner Postfinance hat ihren 50-Prozent-Anteil für 90 Millionen Franken an Swissquote verkauft.
Einen Teil des Kaufpreises hat Swissquote in Form von eigenen Aktien (Treasury Shares) an Postfnance bezahlt, wodurch sich die bereits bestehende 5-Prozent-Beteiligung von Postfinance an Swissquote erhöht. Über ihr Swissquote-Engagement bleibt Postfinance weiterhin indirekt auch an ihrer bisherigen Tochter Yuh beteiligt.
Der Deal ist in trockenen Tüchern und von den zuständigen Behörden bereits genehmigt worden.
Postfinance will sich verstärkt auf ihr Kerngeschäft konzentrieren
Postfinance sieht sich durch den Verkauf ihrer Anteile nach eigenen Aussagen nun in der Lage, sich noch stärker auf ihre eigene Strategie zu fokussieren und sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren.
Postfinance-CEO Beat Röthlisberger kommentiert die Transaktion mit folgendem Statement:
«Postfinance hat mit Yuh viel darüber gelernt, was das Bedürfnis von Kundinnen und Kunden ist, die all ihre Finanzgeschäfte nur über eine App steuern. Nun wollen wir mit unserem Digital Banking den eigenen Weg weitergehen.»
Gerade in den digitalen Bereichen möchte Postfinance ihr Geschäft stärken und die Angebote und Services erweitern. Mit einem stark ausgebautem Self-Service-Bereich will Postfinance zudem dem Kundenwunsch nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit nachkommen.
"Time to fly" – mit welcher Strategie will Yuh durchstarten?
Yuh-CEO Markus Schwab hat in der Vergangenheit verschiedene Szenarien skizziert, um seine Neo-Bank auf eine neue Flughöhe zu bringen. Zum Beispiel durch den Einstieg ins Kreditgeschäft, das noch nicht zum Angebot der Neo-Bank gehört. Oder durch die Erweiterung der App für KMU und Businesskunden. Weit vorne stand die Expansion ins Ausland, weil Schwab überzeugt ist: was in der Schweiz perfekt läuft, funkioniert auch im Ausland.
Damit hat Schwab recht und er gab schon früher zu Protokoll, dass er lieber heute als morgen den Schritt ins Ausland wagen würde. Auf der anderen Seite ist eine Ausland-Strategie der jungen Neo-Bank auch mit erheblichen Hürden und Risiken verbunden.
Zum Beispiel in Deutschland – der wahrscheinlich interessanteste Auslandsmarkt für die Neo-Bank – trifft Yuh auf zahlreiche etablierte Neo-Banken und Neo-Broker, die seit Jahren schon erfolgreich am Ball sind.
Raum für eine weitere Neo-Bank ist von der Marktgrösse her zweifellos vorhanden, allerdings: den Neuling in einem im Vergleich zur Schweiz rund zehn Mal grösseren Markt bekanntzumachen, dürfte in Sachen Marketing zum herausfordernden Kraftakt werden.
Wie auch immer: "Time to fly: Swissquote übernimmt Yuh – die Finanz-App startet durch". Welche der expansiven Pläne beim Durchstarten ganz oben auf der Agenda stehen, wird Yuh zu gegebener Zeit kommunizieren.
Die Schweizer Neo-Banken-Landschaft im Überblick
Die Zusammenstellung der in der Schweiz aktiven Neo-Banken mit den jeweils zuletzt gemeldeten Nutzerzahlen vermittelt einen ungefähren Eindruck der aktuellen Grössenverhältnisse und Marktanteile.
Schweizer Neo-Banken
Markteintritt
Kunden insgesamt
davon in der Schweiz
Alpian (F-ISPB)
Oktober 2022
20'000
20'000
Kaspar&
März 2022
7'000
7'000
Neon
März 2019
237'000
237'000
Radicant (BLKB)
August 2023
18'000
18'000
Yapeal
Juli 2020
10'000
10'000
Yuh (Swissquote)
Mai 2021
340'000
340'000
Zak (Bank Cler)
März 2018
70'000
70'000
Aktive Schweizer Apps: 7
Ausländische Neo-Banken
Markteintritt
Kunden insgesamt
davon in der Schweiz
N26
Schweiz 2019
8 Millionen
keine Angaben
Revolut
Schweiz 2017
60 Millionen
1'000'000
Wise
März 2010
16 Millionen
keine Angaben
Aktive ausländische Apps: 3
Neo-Banken Verticals
Markteintritt
Kunden insgesamt
davon in der Schweiz
Relio
Oktober 2023
Angaben folgen
Angaben folgen
Aktive Vertical Apps: 1
Neo-Banken in Umwandlung
CSX (Credit Suisse) UBS plant keine eigenständige Weiterführung der App Wechselangebot an Kunden: Key4 Banking Pure von UBS
Oktober 2020
400'000
400'000
Coop Finance+ (Coop) Coop plant keine eigenständige Weiterführung der App Wechselangebot an Kunden: Lila Set von Valiant
Oktober 2023
keine Angaben
keine Angaben
Neo-Banken in Liquidation
FlowBank FINMA: Konkurs eröffnet am 13. Juni 2024
November 2020
keine Angaben
keine Angaben
Swiss4 FINMA: Konkurs eröffnet am 4. März 2025
April 2024
keine Angaben
keine Angaben
Hinweis der Redaktion: Neo-Banken, die ihre aktuellen Kundenzahlen nicht korrekt gespiegelt sehen, weil länger nicht kommuniziert, dürfen Letzteres jederzeit gerne nachholen, hier, damit Ersteres auf den neusten Stand gebracht werden kann.
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