Payments

Entdecken Banken ihre Liebe zum Zahlungsverkehr neu?

Junge Frau macht eine Zahlung am Smartphone
Bild: praetorianphoto | Getty Images

Der Bereich Payments gehörte in den letzten Jahren nicht zu den Lieblingskindern von klassischen Banken, andere Geschäftsfelder schienen lohnender. Und jetzt?

Spricht man in diesen Tagen mit Exponenten von Banken über dies und das, rückt das Stichwort "Payments", zumindest gefühlt, deutlich schneller ins Zentrum der Diskussionen als auch schon. Insbesondere im Zusammenhang mit Kartenzahlungen und Mobile Payments, vor allem mit Blick auf E-Commerce und Händler.

Die Deutsche Bank will Terrain zurückgewinnen

Die Zahlungsabwicklung für Händler hat die Deutsche Bank aus dem Fokus verloren, schon vor Jahren, so wie andere Banken auch. 2017 hat die Deutsche Bank ihre Anteile am Zahlungsdienstleiser Concardis (heute Teil von Nets) verkauft. Zu einem Zeitpunkt, als bargeldlose Zahlungen und damit das Kartengeschäft, Internet und E-Commerce bereits am Brummen waren. 

Jetzt will die Deutsche Bank verlorenes Terrain zurückgewinnen. Die Bank will in enger Kooperation mit Mastercard innovative Zahlungsverkehrslösungen für Unternehmen entwickeln, wie sie gestern bekanntgegeben hat. Was in der Medienmitteilung im Weiteren beschrieben wird, liest sich wie das Programm, das spezialisierte FinTechs und Big Techs schon seit längerer Zeit bewirtschaften und unter sich aufteilen.

Zum Beispiel, so die Deutsche Bank, ginge es um digitale Marktplätze, auf denen Unternehmen ihre Produkte direkt an die Verbraucher bringen können. Dafür bräuchten sie einen effizienten, mobilen und digitalen Zahlungsverkehr sowie eine nahtlose Integration von Zahlungsströmen in ihr Finanz- und Rechnungswesen.  

Ole Matthiessen, bei der Deutschen Bank für das Cash Management verantwortlich, fasst zusammen:

Die Corona-Pandemie hat die Nachfrage von Unternehmen nach digitalen Zahlungsverkehrslösungen exponentiell beschleunigt – der Zahlungsverkehr ist dabei die zentrale Schnittstelle zwischen Banken und ihren Kunden

Die Banker identifizieren den Zahlungsverkehr neu als Geschäftsfeld mit hohen Wachstumsraten und rechnen sich aufgrund ihrer Expertise grosse Chancen aus, in der Zahlungsabwicklung mit erweiterten Services ihre Rolle stärken und ausbauen zu können.

Den Wiedereinstieg ins Merchant Acquiring fasst die Deutsche Bank unter dem neuen Dach "Merchant Solutions" zusammen und liefert damit erste Hinweise auf die geplante Breite der Services und der Innovationen für Händler.

Renaissance für den Zahlungsverkehr?

Wie Geld von A nach B zu transferieren ist, haben Banken traditionellerweise immer schon aus dem Effeff beherrscht. Der Zahlungsverkehr gehörte jedoch nicht zu den geliebten Sparten, eher zu den Pflichtfeldern. Teilweise allerdings unter Auslassung der wichtigen Schnittstelle zu den Händlern, die nicht nur im stationären Handel, sondern vor allem im E-Commerce und im Plattformgeschäft zentral wichtig sind.

Bargeldlose Zahlungen, E-Commerce und Internet-Shop-Einkäufe sind nicht erst seit gestern am Wachsen, haben jedoch durch die Corona-Pandemie zusätzlich einen gewaltigen Schub bekommen.

Die Wiedergeburt des digitalen Zahlungsverkehrs in verschiedenen Spielarten als höchst attraktive Sparte hat längst schon stattgefunden. Allerdings weniger auf der Seite der Banken, zahlreiche neue Player haben Lücken erkannt und ausgefüllt. Ähnlich wie die Deutsche Bank 2017 mit Concardis das Merchant Acquiring-Geschäft aufgegeben hat, so haben auch die Schweizer Banken 2018 mit dem Verkauf der SIX Payment Services an Worldline das Kartengeschäft und Händler-Services aus der Hand gegeben. Im Gegensatz zur Deutschen Bank bleibt SIX an Wordline beteiligt, aber die Musik spielt dennoch beim französischen Unternehmen.

Worldline ist seither am Ball geblieben und scheint alle Chancen zu nutzen. Dazu kommen Unicorns und Riesen-FinTechs wie Stripe, Square, Ayden und weitere, welche inzwischen technologisch den Takt angeben und durch serviceorientierte Nähe zu Händlern auffallen. Mit im Spiel ist auch das schwedische FinTech Klarna, das in den letzten Jahren ein extrem dichtes Netz zwischen zahlenden Endkunden, Händlern und sich selbst gewoben hat.

Dazu kommen spezialiserte FinTechs wie zum Beispiel Sumup, welche die Welt mit smarten Lösungen für kleine und fliegende Händler ohne Steckdose und ohne Terminal überziehen.

Ebenfalls und zunehmend spürbarer im Spiel sind die Plattform- und Ökosystem-Giganten Amazon, Apple und weitere Big Techs, welche E-Commerce und Händlernähe ziemlich perfekt mit den Wünschen von zahlenden Endkunden verbinden – auf unterschiedliche und vielfältige Weise.

Alles zu spät oder grosse Chancen für klassische Banken?

Spät schon, zu spät nicht unbedingt. Banken könnten durch das breite Spektrum ihrer Erfahrung, Angebote und Leistungen möglicherweise Vorteile ausspielen, dürften jedoch inzwischen im Bereich von Technologie sowie auch in der Nähe zu und in Sachen Services für Händler ins Hintertreffen geraten sein. Ob Hintertreffen bereits abgehängt bedeutet, wird sich erst zeigen.

Der einstige freiwillige Rückzug oder auch das halbherzige Besetzen oder eben auch Nicht-Besetzen eines grossen Geschätsfeldes hat Platz geschaffen für eine neue Generation von Dienstleistern und Abwicklern. Dieses Feld ist inzwischen stark belegt durch eine Vielzahl von spezialisierten und erfolgreichen Anbietern, Unicorn FinTechs und Big Techs. Sie alle operieren mit unterschiedlichen Ausprägungen in einem Bereich mit vielen Chancen und hohem Wachstum. Und sie alle werden ihren Vorsprung nutzen, um den einstigen Platzhirschen der Zahlungsabwicklung so wenig Raum wie nur möglich zu lassen.

Am Rande bemerkt: Wer weiss, wie Open Finance, Ökosystem und Plattformgeschäft geht, dürfte klar im Vorteil sein. Händler wie auch Endkunden sind heute deutlich verwöhnter als früher und deshalb durch vernetzte Zusatzvorteile zu überzeugen.

Zusatzpunkt aus der Welt der eher weichen Faktoren: Einige der neuen Anbieter sind, neben erstklassigen Services, Leistungen und exzellenter Technologie, mit einem Coolness-Faktor in den Märkten unterwegs sind, der nicht zu unterschätzen ist. Diese Coolness, man könnte auch sagen höchst professionelle Leichtfüssigkeit, kommt in Marketing, Sprache und Auftritt gut an und hat einen neuen Umgangston etabliert. Wer glaubt, alles Blödsinn, es zählen nur nüchterne Fakten, Leistungen, Services und Kosten, ignoriert eine geschäftliche Wohlfühl-Komponente und könnte bei der Rückeroberung besetzter Felder auf nicht erwartete Widerstände stossen.

Mitentscheidend dürfte sein, wie die "Entwicklung innovativer digitaler Zahlungsverkehrslösungen für Unternehmen" definiert wird und wie diese Angebote sich von den Tech-Unternehmen unterscheiden. Nur gerade dasselbe anzubieten, wäre wohl schon sehr viel, dürfte jedoch trotzdem nicht genügen.