Neo-Banken

Der Mitgründer von Penta lanciert das erste Schweizer Digital-Konto für KMU

Lav Odorovic, Gründer und CEO von Relio
Lav Odorovic, Gründer und CEO von Relio (Bild: Relio)

Lav Odorovic will mit der FinTech-Lizenz und einer automatisierten Compliance-Plattform die erste Neo-Bank für KMU in der Schweiz etablieren.

Wechselfreudige Privatkunden finden in der Schweiz mit Challenger-Banken wie Revolut, Neon oder Yapeal interessante Alternativen. Im Gegensatz zu Deutschland gibt's in der Schweiz allerdings noch keine Neo-Bank, die sich auf Geschäftskunden und insbesondere auf KMU fokussiert. Das soll sich ändern.

Jetzt kommt das erste Schweizer Digital-Konto für KMU

Das Startup Relio kündigt an, demnächst das erste Schweizer Digital-Konto für KMU lancieren zu wollen. Warum die "neue Business Class" in den Augen der Macher notwendig ist, erklären sie mit folgenden Ausführungen:

Wer ein Unternehmen gründet, braucht ein Firmenkonto. Dieses ist eigentlich schnell eingerichtet. Der Prozess kann sich aber über Wochen hinziehen. Denn jede Bank ist gesetzlich verpflichtet zu prüfen, wer der Neukunde ist, wie das Geschäftsmodell funktioniert und woher die Finanzströme stammen.

Bei KMU ist das komplizierter als im Privatkundengeschäft. Firmen mit ausländischen Gründern, regulierte Industrien oder Holding-Strukturen werfen komplexe Fragen auf bezüglich Compliance. Unternehmen berichten von bis zu 20 Interaktionen mit der Bank, bis das Konto eröffnet ist. Die Compliance-Abteilung ist generell als limitierender Faktor um das Banking aufgestellt. Relio stellt dieses Modell auf den Kopf und baut sein digitales Geschäftskonto rund um die Compliance als Kernkompetenz. Lav Odorovic, Mit-Gründer und CEO, bringt sein Geschäftsmodell mit folgendem Statement auf den Punkt:

Unser Versprechen ist "Compliance without Complications"

Dank dem neuen Ansatz sollen künftig auch komplexe KMU schnell und unbürokratisch ein Konto mit Schweizer IBAN erhalten. Um dieses Konzept möglichst unabhängig zu realisieren, möchte das Startup unter einer eigenen FinTech-Lizenz der FINMA operieren. Gelingt das, wäre Relio nach Yapeal und Klarpay das dritte Startup mit FinTech-Lizenz in der Schweiz.

Wer steht hinter dem Startup und dem Projekt von Relio?

Die personelle Besetzung ist interessant: Initiator ist Lav Odorovic, der sehr viel Know-how und FinTech-Hintergrund im KMU-Bereich aus Deutschland mitbringt. Odorovic war vor Relio Mit-Gründer und CEO von Penta, der deutschen Digitalbank für Freelancer, Startups und Kleinbetriebe.

Mit Relio will das Team um Odorovic nun auch komplexen Unternehmen die Möglichkeit bieten, ein Geschäftskonto mit Schweizer IBAN innerhalb von 24 Stunden zu eröffnen. Das Schweizer FinTech will zudem mit weiteren Tools und Software-Integrationen punkten, mit denen KMU produktiver arbeiten können.

Odorovic konnte nach eigenen Aussagen ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen Banking, Compliance und Technologie für sein Projekt begeistern. Die Gründer haben am F10-Accelerator-Programm teilgenommen und sich eine erste Finanzierung gesichert. Zusammen mit SIX FinTech Ventures und dem deutschen High-Tech Gründerfonds (HTGF) hat Relio aktuell eine Pre-Seed-Runde von 0,7 Millionen CHF abgeschlossen.

Das Kapital aus dieser Investitionsrunde will Relio für den Ausbau der technischen Infrastruktur nutzen, damit bis zur Erteilung der FinTech-Lizenz alles bereit ist für den Marktstart. Parallel dazu, so die Gründer, sind die Investorengespräche für die kommende Seed-Finanzierung bereits angelaufen.

Verstärkt und unterstützt wird Relio vom ehemaligen Revolut COO, Richard Davies, als Angel-Investor und dem ehemaligen CEO von Contovista, Gian Reto à Porta, als Verwaltungsratspräsident.

Lav Odorovic zu Hintergrund und zum Konzept der Neo-Bank für KMU

Wir haben den Gründer und CEO von Relio um Details zum neuen Startup gebeten. Immerhin bemerkenswert, dass nach der Penta-Gründung in einem grossen Markt wie Deutschland, das nächste Projekt mit Relio in einem überschaubaren Markt wie der Schweiz starten soll. Lav Odorovic hat unsere Fragen ausführlich beantwortet:

Nach Penta in Deutschland hast Du Dir mit der Schweiz den denkbar kleinsten Markt ausgesucht, wie kommt's?

Um dies zu beantworten, lass mich bitte etwas näher erläutern, woher die Idee hinter Relio stammt und warum die Schweiz unsere erste Wahl war:

Bei Penta waren wir Teil der ersten Welle europäischer FinTechs. Die Erfolgsformel bestand darin, Finanzdienstleistungen zu vereinfachen und für "einfache" Kunden zu geringeren Kosten anzubieten. Während unser Setup mit einer Partnerbank es uns ermöglichte, schnell und wirklich gut darin zu sein, die Einfachheit für etwa 80 Prozent der Kunden voranzutreiben, fiel es uns sehr schwer, mit der Komplexität der übrigen 20 Prozent umzugehen, die hauptsächlich durch Compliance und Regulierung auferlegt wurde.

Wenn ein potenzieller Kunde nicht ins "Standard"-Verfahren passte, weil er einen ausländischen Pass, eine Holding-Struktur oder etwas anderes hatte, das ihn "etwas anders" machte, war es sehr schwierig, ihn an Bord zu nehmen und zu bedienen.

Ich habe mit vielen solcher Kunden gesprochen und es stellte sich heraus, dass traditionelle Banken ebenfalls schrecklich schlecht darin waren, sie zu bedienen. Trotz KYC-Tools und anderer digitaler Dienste gehören nach wie vor PDF-Formulare, Telefonanrufe, E-Mails und sehr viel Manpower zu den hauptsächlichen Methoden der Compliance-Abteilungen.

Das bedeutet, dass es eine beträchtliche Kundengruppe unter den KMU gibt, die grosse Probleme haben, Tonnen von Papierkram bewältigen, Anwälte und Treuhänder für die Unterstützung engagieren, wochenlang warten und enorme Gebühren an Banken zahlen müssen, um nur die grundlegenden Finanzdienstleistungen zu erhalten und nutzen zu können.

Das gilt für zahlreiche Länder, warum startet Relio in der Schweiz?

Nach meiner Zeit bei Penta gab es Neuigkeiten über die bevorstehende FINMA-FinTech-Lizenz. Ich sah die Gelegenheit, ein digitales KMU-Konto schlank aufzubauen, mit einem Setup, in dem wir alles kontrollieren, vom Kernbankgeschäft bis zur Compliance. Seitdem haben ich und mein Team bei Relio an einem neuen Ansatz für Compliance-Technologien mit einem Setup gearbeitet, der alles übertrifft, was Neo-Banken oder traditionelle Banken derzeit tun und anbieten.

Das hauptsächliche Argument und die Triebfeder für die Wahl der Schweiz war daher das FinTech-Lizenz-Framework. Trotz der Tatsache, dass die Schweiz ein kleineres Land als Deutschland ist, ist sie eines der grössten Geschäftszentren der Welt. Es ist die der Standort vieler KMU mit multinationalem Engagement, bei denen unser auf Compliance ausgerichtetes Geschäftskonto einen enormen Mehrwert für KMU darstellt, eine Lücke im Schweizer Ökosystem schliesst und möglicherweise weit über die Schweiz hinaus Auswirkungen hat.

Während die Schweiz oft als "overbanked" bezeichnet wird, mit Dutzenden von Banken zum Beispiel für Vermögende, Hypotheken- und Privatkunden, gibt es keine Bank (trotz vielleicht der WIR Bank), die zu hundert Prozent auf KMU ausgerichtet ist. Es gibt auch noch keine andere digitale Bank, die in den Schweizer KMU-Markt eingetreten ist. Dies unterscheidet sich erheblich von dem Marktumfeld, das Penta in Deutschland mit mehr als 1'800 traditionellen Banken und mehreren Neo-Banken im KMU-Bereich hat.

Daher sehen wir im Schweizer Markt ein grosses Potenzial – und es bleibt abzuwarten, wohin wir es von hier aus weiterführen werden.

Zusammengefasst und in Kurzform sprechen drei Gründe für die Schweiz:

1. Fintech-Lizenz: Lean-Methode zum Aufbau eines digitalen KMU-Kontos und zur Kontrolle des gesamten Setups einschliesslich Compliance.
2. Die Schweiz mag klein sein, aber sie ist ein wichtiges globales Geschäftszentrum mit Tausenden komplexer KMU, die von Relios digitalem Geschäftskonto profitieren werden.
3. Derzeit gibt es keine andere (digitale) Bank in der Schweiz, die sich zu hundert Prozent auf KMU konzentriert und in der Lage ist, diese Kunden in hervorragender Weise zu bedienen.

Ist die Lösung von Relio in Sachen Leistungen und Services eine Kopie von Penta in Deutschland?

Penta wurde vor einigen Jahren gestartet. Der digitale Bankraum hat sich inzwischen verändert und wir erwarten in den kommenden Monaten eine deutliche Dynamik auf dem Schweizer Markt. Es wird nicht ausreichen, nur gerade das Penta-Playbook auf dem Schweizer Markt anzuwenden. Unser Hauptaugenmerk wird darauf liegen, die Compliance für komplexe KMU bestmöglich zu handeln und dieses Kundensegment hervorragend zu bedienen. Von diesem Ausgangspunkt aus werden wir mit unseren Kunden sehen, welche Tools, Services und Software-Integrationen ihnen am besten helfen, Bürokratie abzubauen und ihre Arbeit und Teams produktiver zu machen.