Twint auf der Rollbahn

Bild: Twint

Die WEKO hat am Freitag grünes Licht gegeben, das neue Twint kann starten. Fakten und Einschätzungen zur neuen Lage.

Ist vor einigen Tagen noch über Termine und Verzögerungen spekuliert worden, schafft die Wettbewerbskommission mit ihrem positiven Entscheid neue Realitäten: Paymit und Twint beenden ihr Inseldasein, bündeln ihre Kräfte und starten unter der Marke Twint mit einer gemeinsamen Mobile Payment-Lösung.

Twint AG

Unter diesem Segel wird das neue Produkt final entwickelt. Die Beteiligungsverhältnisse der Aktiengesellschaft repräsentieren den Finanzplatz Schweiz und geben dem ehrgeizigen Projekt Gewicht. Zumal die grössten Schweizer Banken zusammenspannen, um Twint zum Erfolg zu verhelfen. Das Aktienkapital verteil sich zu je einem Drittel auf:

  • PostFinance
  • SIX
  • Schweizer Banken
    Credit Suisse, Raiffeisen, UBS
    Zürcher Kantonalbank, Waadtländer Kantonalbank

Die Beteiligung der führenden Banken sowie die Kooperation mit Coop, Migros und Swisscom schaffen gute Startvoraussetzungen für Twint. Agiert die Allianz geschlossen und ziehen alle Partner am selben Strick, bleiben die Voraussetzungen auch gut.

Funktionen und Features

Details werden folgen, was heute schon bekannt ist: das Beste aus Paymit und Twint wird im neuen Produkt zusammengelegt und vereint. Twint versucht damit auch, sich gegen Apple Pay deutlich abzugrenzen. Heute bereits bekannte Funktionen und Features:

  • Einsetzbar
    POS, E-Commerce, Automaten, In-Apps sowie P2P Payments
  • Hinterlegte Zahlungsmittel
    Anbindung ans eigene Bankkonto oder Zahlung über hinterlegte Debit- und Kreditkarten
  • Technologie
    Beacons (Bluetooth-Technologie) und QR-Code am Terminal
  • Mehrwertleistungen
    Mobile Coupons, Stempelkarten, Integration von Kundenkarten, Funktion von "Bestellen & Abholen"

Dass hier Spielräume für Überraschungen bleiben, liegt auf der Hand. Denkbar ist, dass Twint nicht "nur" als fusioniertes Produkt aus Paymit und Twint konzipiert wird, sondern vielmehr mit neuen Funktionen überrascht, welche die Unterschiede zu Apple Pay und anderen Konkurrenten vergrössern.

Twint zum Thema der neuen Rollenverteilung

Die Twint AG ist verantwortlich für die Entwicklung und den Betrieb der technischen Lösung, die Festsetzung der Regeln des Systems sowie das Marketing auf Ebene Dachmarke. Die Partnerbanken bieten die Lösung als Issuer ihren Kunden an. SIX wird als erster Acquirer dabei sein und übernimmt Aufgaben in der Abwicklung von Zahlungen. Die Swisscom wird technischer Partner und unterstützt die Issuer-Banken.

Die Lösung ist offen konzipiert. So können alle Banken oder Kreditkartenanbieter als Issuer auftreten und anderen Firmen das Acquiring von Twint anbieten.

Termine für Testphase und Rollout

Das neue Twint hat sich terminlich etwas Luft verschafft, ohne das ursprünglich angekündigte Startdatum "Herbst 2016" auszublenden. Das aktuelle Timing sieht so aus:

  • Testphase im Herbst 2016
  • Rollout Anfang 2017

Beim Rollout sollen für den Handel folgende Lösungen an der Ladenkasse verfügbar sein:

  • Zahlterminal mit QR-Code
  • Beacon mit Bluetooth-Technologie
  • Händler-App mit QR-Code

Unkenrufe und Begeisterungsstürme

Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einem nationalen Grossprojekt für die Schweizer Mobile Payment-Lösung mit breiter Beteiligung viel geschrieben und ebenso viel spekuliert wird. In der Bandbreite von interessierter Zustimmung bis zu düsteren Prognosen, die Twint keine Chancen einräumen.

Eine wichtige Hürde ist mit dem Go der Wettbewerbskommission genommen, nun geht's ans Eingemachte. Das besteht darin, eine wirklich vielseitige, komfortable und flexible Lösung auf die Beine zu stellen. Eine Lösung für Konsumenten und für den Handel, die keinen Vergleich zu scheuen braucht. Zumal Apple Pay im Schweizer Markt schon aktiv agiert, Android Pay (Google) und Samsung Pay früher oder später kommen werden und der in Europa erwachende Riese Alipay möglicherweise für die grösste Überraschung sorgen könnte.

Das sind jedoch schlicht die aktuellen Fakten, mehr nicht. Und wirklich beunruhigend nur für jene, die der geballten Kraft der internationalen Player nichts entgegenzusetzen haben. Das trifft im Falle von Twint nicht zu, im Gegenteil.

Die Startvoraussetzungen für das neue Twint

Twint startet nicht mit einem weissen Blatt Papier und auch nicht auf unbeackertem Boden, die Voraussetzung sind aus heutiger Sicht denkbar gut. Vor allem aus vier Gründen:

Zum einen: Twint gibt's schon
Und Paymit auch. Das neue Twint startet deshalb nicht als Newcomer auf bereits besetztem Terrain, vielmehr als heute schon bekanntes und eingeführtes Produkt – neu mit erweiterten Leistungen.

Zum anderen: Laufende Kundengewinnung
Bis zur Einführung der neuen Lösung bleiben Paymit und Twint als eigenständige Apps im Markt, sind bei Nutzern und im Handel aktiv im Einsatz. Auf dieser Bühne können Marketingstrategien anders ausgelegt und rollend angepasst werden. Kein Abwarten bis zum Big Bang, neue User und neue Händler können laufend gewonnen werden.

Zum Dritten: Vorhandene Nutzerbasis
Aktuell nutzen zusammengenommen rund 500'000 User Paymit oder Twint. Uns ist keine neue Mobile Payment App bekannt, die mit der komfortablen Basis von einer halben Million Nutzern starten konnte.

Und vor allem: Breite Trägerschaft
Die grössten Schweizer Banken und SIX als Aktionäre der Twint AG, weitere Banken bereits heute mit im Boot, Coop, Migros und Swisscom als Kooperationspartner – sehr viel besser kann eine Trägerschaft nicht aufgestellt sein.

Überzeugen und überraschen

Zahlreiche Spezialisten aus Entwicklung, Technik und Marketing sind jetzt gefordert und werden in den nächsten Wochen viel Kraft und Aufwand in den Relaunch von Twint investieren. Nicht unbedingt in aller Ruhe, weil zwischen heute und Anfang 2017 nicht sehr viel Zeit liegt. Aber sicher mit Engagement, Innovations- und Experimentierfreude und mit Einfallsreichtum, weil sehr viel von den Machern und ihren Strategien abhängt.

Prognosen? Wir halten uns an die bekannten Fakten, liefern einschätzende Gewichtungen und Betrachtungsvorschläge, lassen den Blick in die Glaskugel jedoch gerne beiseite. Zumal Prognosen mehr mit blindem Pfeilwerfen und weniger mit Tatsachen zu tun haben. Tatsachen werden erst später in Märkten geschaffen – von Konsumenten und von Händlern, welche ein Produkt annehmen oder eben auch nicht. Ersteres tun sie dann, wenn Leistungen, Komfort, Flexibilität und Handling neuen Nutzen schaffen und deshalb überzeugen. Im Falle der Händler spielen die Faktoren Konditionen und Integrationsaufwand mit, welche Erfolg oder Misserfolg ebenfalls beeinflussen.

Auf das neue Produkt darf man gespannt sein. Auf das neue Marketing ebenfalls. Umso mehr, als Überraschungen möglich bleiben – positiv überraschte Konsumenten sind leichter zu gewinnen. Und auch leichter zu halten.

Paymit & Twint: die neue Website für die Übergangsphase

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