Digitale Transformation

Verwaltungsratsstudie 2020: Digitalisierungskompetenz spielt in Schweizer Gremien eine untergeordnete Rolle

Tisch mit Sesseln für den Verwaltungsrat
Bild: baona | Getty Images

Die Mehrheit der befragten Verwaltungsratspräsidenten stuft digitales Know-how bei der Besetzung des VR tendenziell als unwichtig ein.

Das Beratungsunternehmen BDO hat zum zehnten Mal mit der Verwaltungsratsstudie einen Blick auf die Verfassung und Zusammensetzung von Schweizer VR-Gremien geworfen. Erstmals sind 2020 auch verschiedene Aspekte zum Thema Digitalisierung untersucht worden – mit bemerkenswerten Einsichten.

Die Studie zeichnet ein Bild vom Stand der Dinge vor der Corona-Krise. Der Befragungszeitraum im Januar und Februar 2020 lag gerade noch vor dem Digitalisierungsschub, den die Corona-Krise ausgelöst hat. Eine Entwicklung, welche schwach digitalisierte KMU teilweise vor massive Probleme gestellt hat.

Der Blick hinter die Kulissen von Schweizer KMU zeigt, dass unterschiedliche Stadien der Digitalen Transformation beobachtbar sind. Viele KMU bewegen sich auf dem Weg zum Ziel "Digitalisierung" noch in der ersten Hälfte. Dieser Rückstand dürfte zum Teil mit dem Fakt von "unterdigitalisierten" Verwaltungsrats-Gremien zusammenhängen.

Digitale Kompetenz spielt nur eine untergeordnete Rolle

Überraschend: Wie die Studie von BDO zeigt, stehen Know-how und Kompetenz in Sachen Digitalisierung bei der Besetzung des Verwaltungsrats nicht im Vordergrund. Die meisten befragten Verwaltungsratspräsidenten stufen diesen Aspekt als "gar nicht wichtig" oder "weniger wichtig" ein.

Ebenfalls interessant: Eine deutliche Mehrheit gibt zu Protokoll, dass im Verwaltungsrat keine Person existiert, die speziell für den Bereich Digitalisierung verantwortlich wäre. Nur bei 30 Prozent der Verwaltungsräte nimmt eine Person diese Aufgabe explizit wahr.

Dieses Ergebnis erstaunt auch die Studienautoren, welche davon ausgehen, dass die Unternehmen die notwendigen Ressourcen sicherstellen müssten, um ihre Wettbewerbsfähigkeit unter dem Einfluss der Digitalisierung aufrechtzuerhalten. Zumal die Corona-Krise eindrücklich bestätigt hat, welchen Stellenwert die Digitalisierung für das Funktionieren von Unternehmen haben kann.

Was in diesem Zusammenhang nicht überrascht: Verwaltungsräte, welche die Kompetenz in Bezug auf Digitalisierung bei der Besetzung des Verwaltungsrats als wichtig einstufen, weisen eine höhere Gesamtumsetzung der Digitalen Transformation in ihrem Unternehmen auf.

Unterschiede nach Branchen und Betriebsgrösse

Die Wichtigkeit oder besser die Unwichtigkeit von digitaler Kompetenz bei der Besetzung des Verwaltungsrates zeigt leichte Variationen. Die Branche der Finanzdienstleistungen rangiert an der Spitze, allerdings ebenfalls auf beunruhigend tiefem "Wichtigkeits-Niveau". 

Mit wachsender Betriebsgrösse wird der digitalen Fitness von Verwaltungsräten tendenziell ein höheres Gewicht zugemessen.

Keine Verjüngung im Verwaltungsrat

Bei disruptiven Veränderungen wie der Digitalisierung bietet langjährige Berufserfahrung nur bedingt einen Mehrwert, halten die Studienautoren fest, traditionelle Vorgehensweisen könnten im Gegenteil sogar hinderlich sein. Dennoch lässt die Verteilung der Altersstruktur darauf schliessen, dass die meisten KMU das Festhalten an erfahrenen Verwaltungsräten höher gewichten als die Aufnahme neuer, jüngerer Mitglieder. Nur gerade 10 Prozent der Mitglieder von Verwaltungsräten in Schweizer KMU sind jünger als 40 Jahre, ein Drittel ist 60 Jahre alt oder älter. Im Vergleich zu 2017 lassen sich somit vergleichsweise wenige Veränderungen feststellen.

Höchster Frauenanteil in Kleinstunternehmen

Der Anteil der Frauen in den Verwaltungsräten beträgt 16 Prozent und ist damit nach einem leichten Rückgang im Jahr 2017 (14 Prozent) wieder gestiegen. Der höchste Frauenanteil mit 21 Prozent findet sich bei Unternehmen mit bis zu 10 Mitarbeitenden.

In Anbetracht der Entwicklung über die Zeit hinweg kann festgestellt werden, dass es eine deutliche, wenn auch sehr langsame Zunahme des Frauenanteils in den Verwaltungsräten von Schweizer KMU gibt. Die Verdoppelung des Frauenanteils von den ursprünglichen 7 Prozent im Jahr 1996 dauerte rund 20 Jahre.

In Bezug auf die Digitalisierung ist ein Blick auf die jüngeren Frauen interessant: Zwischen der Vertretung von Frauen bis 39 Jahren im Verwaltungsrat und der digitalen Gesamtumsetzung des Unternehmens gibt es eine positive Wechselbeziehung. Mit anderen Worten: Sitzen jüngere Frauen im VR, kommt auch die Digitalisierung des Unternehmens besser voran.

Die Verwaltungsratsstudie 2020 zum Runterladen

Die Studie bringt weitere Details zu branchenspezifischen Unterschieden, zur Entwicklung der Vergütungen für Verwaltungsräte und weiteren Themen. Die Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse kann als PDF runtergeladen werden, über den Link gleich unten.

Die Verwaltungsratsstudie wurde in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Institut für Klein- und Mittelunternehmen an der Universität St. Gallen durchgeführt. Basis für die zehnte Ausgabe der BDO Verwaltungsratsstudie, die seit 1995 durchgeführt wird, sind die Angaben von 667 KMU und mittelständischen Aktiengesellschaften (AG) mit maximal 1‘000 Mitarbeitenden. Die Durchführung der Befragung im Januar und Februar 2020 und die Auswertung der Daten erfolgten durch das Schweizerische Institut für Klein- und Mittelunternehmen (KMU-HSG) der Universität St. Gallen.