Robo Advisory: Das eine tun und das andere nicht lassen

Robo-Berater
Bild: a-image | Getty Images

Die Resultate einer neuen Studie, welche vom Tages-Anzeiger im Artikel "Wenig Lust auf Beraterroboter" exklusiv präsentiert werden, sind mit gesunder Vorsicht zu geniessen.


Einsichten aus der Studie

Wirtschaftsredaktor Jorgos Brouzos präsentiert im Tages-Anzeiger eine Studie des Vermögensverwalters Legg Mason, die zu bemerkenswerten Einsichten kommt – zum Beispiel:

"72 Prozent der befragten Schweizer sind der Meinung, dass ein persönlicher Kundendienst wichtig sei und sich nicht durch Technologie ersetzen lasse."

"Zudem fragen Schweizer lieber bei ihrer Familie und ihren Bekannten nach, wie sie ihr Geld anlegen sollen, als dass sie danach im Internet suchen."

Brouzos bezieht sich auf einen Zürcher Vermögensverwalter, der dieselbe Zurückhaltung auch bei professionellen Zielgruppen auszumachen scheint:

"Sogar professionelle Grosskunden würden es bevorzugen, ein PDF-Dokument zugeschickt zu bekommen, das sie dann ausdrucken und ablegen können, statt das Dokument aus einer Cloud-Anwendung selber zu beziehen."

Die Aussagen klingen beinahe so, als wären sie ganz kurz nach Erfindung des Internets abgefragt worden. Heute sind wir allerdings schon etwas weiter. Und nicht alle Generationen und Kundengruppen ticken nach demselben Muster. Familie und Bekannte nach Anlagetipps zu fragen, mag eine interessante Variante sein, allerdings kaum die bedingungslose und häufigste Regel. Es ist sicher nicht falsch, dass ein Vermögensverwalter PDFs, die dann ausgedruckt und abgelegt werden dürfen, persönlich an Kunden verschickt. Dass dabei im einen wie im anderen Fall das Internet praktisch keine Rolle spielen soll, mutet allerdings als Fakt oder Interpretation geradezu schon verwegen an. Und wenig tauglich als Beweisführung, dass neue Finanztechnologien einen schweren Stand haben werden.

Und ein Charme-Argument dazu

Ein weiteres Statement, als "Bestätigung der Skepsis", ist nicht ganz ohne Charme, das von einem "Kenner der hiesigen Privatbanken" stammen soll:

"Der Kunde erwarte einen Mehrwert von einem digitalen Angebot. Wenn er den Eindruck erhalte, es gehe der Bank nur darum, mit einer Technologie wie einem Robo-Advisor Kosten einzusparen, dann stehe er ihr eher ablehnend gegenüber."

Auch dieses Argument vermag nicht über alle Massen zu überraschen. Das Potenzial von Robo Adivsory liegt ja gerade darin, für Kunden Mehrwerte zu schaffen, Einstiegshürden tiefer zu legen sowie Kosten und Gebühren zu sparen. Profitiert nur die Bank und nicht der Kunde, bleibt die Begeisterung gering – das erstaunt nicht, spricht nicht gegen die Technologie, nur gegen ein einseitiges Geschäftsmodell.

Unterschiede Welt, Europa und Schweiz

Der Artikel im Tages-Anzeiger basiert auf einer weltweit durchgeführten Studie von Legg Mason, welche "exklusiv dem TA vorliegt" und die in den Auswertungen ein Gefälle der Haltung zwischen Welt, Europa und der Schweiz ausmacht:

Der Aussage, dass "Online-Tools und Apps den Bankberater ersetzen können", stimmen in Prozenten folgende Anteile der Befragen zu:

  • Weltweit: 41 Prozent
  • Europa 35 Prozent
  • Schweiz 25 Prozent

Und das Statement, "Idealerweise würde ich meine Finanzplanung nur noch am Smartphone abwickeln", unterschreiben folgende Anteile der Befragten:

  • Weltweit: 34 Prozent
  • Europa: 25 Prozent
  • Schweiz: 18 Prozent

Diese Werte zeigen möglicherweise eine grössere Zurückhaltung der Schweizer Bevölkerung im Vergleich zum Ausland. Avantgardisten und neophile Gruppen sitzen oftmals eher im Ausland und Wellen schwappen erst etwas später auf die Schweiz über.

Vor allem jedoch sind die Fragen oder Thesen sehr hart und absolut schwarz-weiss im Sinne von entweder-oder formuliert. Online-Tools sollen Bankberater ja nicht völlig ersetzen und vielleicht möchten Schweizer ihre Finanzplanung nicht nur und ausschliesslich am Smartphone abwickeln, sondern bevorzugen Mischformen. Das spielt jedoch bei Entweder-Oder-Fragen keine Rolle, Befragte müssen sich entscheiden zwischen schwarz oder weiss, Smartphone oder nichts, nicht mal der PC wird als Alternative abgefragt. Mischformen sind in der Befragungsanlage nicht vorgesehen und entsprechend schwarz-weiss fallen dann zwangsläufig auch die Antworten aus.

Das eine tun und das andere nicht lassen

Unabhängig von der aktuellen Studie, die durch andere bestehende Studien bereits vor ihrer Publikation relativiert wird: Klug ist mit Sicherheit, parallele Kanäle aufzubauen und anzubieten. Kunden haben unterschiedliche Bedürfnisse und bevorzugen auch unterschiedliche Wege – in der Kommunikation und in der Abwicklung von Geld- und Vermögensgeschäften. Verfügbares Vermögen, Altersgruppe und persönliche Präferenzen schaffen Unterschiede. Persönliche Beratung bleibt sicher wichtig, parallel dazu werden digitale Kanäle zunehmend und ebenso sicher wichtiger.

Wie schnell sich Verhaltensweisen ändern, welche Gruppen persönliche Beratung oder digitale Kanäle bevorzugen und welche Kunden gerne in kombinierten Umgebungen agieren, ist aktuell ohnehin nicht ganz klar zu beantworten und wird auch noch länger "im Fluss" bleiben. Sicher jedoch ist: Wer als Anbieter verschiedenen Kundengruppen alle Kanäle und Kombinationen zur Verfügung stellt, persönliche und digitale, ist heute und morgen klar im Vorteil.

Tages-Anzeiger: "Wenig Lust auf Beraterroboter"

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