Sparzinsen

Die deutsche Bild titelt: «Die grosse Zins-Schweinerei – Millionen von Sparern gehen leer aus»

Ein rotes und ein gelbes Sparschwein
Bild: Pixabay

Die harschen Headline-Töne der Bild-Zeitung fallen in der Schweiz moderater aus – im Kern geht's aber um dasselbe.

Banken sind in der Regel nicht hochmotiviert, positive Zinsentwicklungen mit ihren Kundinnen und Kunden zu teilen. Das hängt nicht nur – aber auch – mit langfristigen Kredit-Engagements zu fixen Zinsen zusammen. Diese müssen kompensiert werden. Inwieweit das durch die auf der anderen Seite ultraschnelle Erhöhung der Schuldzinsen bei neuen Krediten möglich ist, bleibt das Geheimnis der einzelnen Banken.

Die Zurückhaltung zahlt sich jedoch rein monetär für Banken natürlich generell aus – was nicht in Form von Sparzinsen Kunden gutgeschrieben wird, bleibt in der eigenen Kasse.

Die Spielräume werden bald noch grösser

Die Ökonomen der Credit Suisse rechnen aufgrund der Entwicklung der Inflation 2023 mit zwei weiteren Zinsschritten der Schweizerischen Nationalbank (SNB) – im März mit 50 Basispunkten, eine Erhöhung um weitere 25 Basispunkte im Juni. Sollte die Schätzung Ökonomen zutreffen, wäre der Leitzins Mitte 2023 dann bei 1.75 Prozent.

Das heutige Niveau von 1 Prozent scheint jedoch auch Spielräume zu bieten, zumindest sitzen nicht alle Banken mit derselben Kraft auf der Sparzinsbremse.

Die Unterschiede bei den Banken bleiben gross

Die Neo-Bank Yuh hat als Pionier die Zinswende vor allen anderen Banken eingeläutet, bereits ab 1. September 2022 gab's 0.25 Prozent Sparzinsen. Zu einer Zeit, als die meisten Banken noch überlegt haben, ob sie ihren Kundinnen und Kunden den letzten Rest der noch bestehenden Negativzinsen von -0.25 Prozent erlassen möchten.

Bei der nächsten Zinsanpassung der SNB hat die Neo-Bank Yuh ihre Sparzinsen mit 0.5 Prozent gleich auf das Niveau des neu festgesetzten Leitzinses der SNB angehoben. Der Fairness halber muss gesagt werden, dass das Startup Yuh, im Gegensatz zu Geschäftsbanken, keine langfristigen Kredit-Engagements zu fixen Zinsen am Laufen hat. 

So oder so, Yuh hat das beharrliche Zins-Schweigen der klassischen Banken genutzt und Sparzinsen wieder zum Marketing- und Kundengewinnungs-Instrument gemacht. Neben guter Presse und Imagegewinn hat die kundenfreundliche Massnahme der Neo-Bank offenbar eine Vielzahl neuer Kunden eingebracht.

Anderen Banken haben ihre Sparzinsen in unterschiedlicher Ausprägung angepasst, zwischen null Prozent, homöopathischen Dosen und fair war alles zu sehen. Heute, nach der nun schon dritten Leitzinserhöhung der SNB, liegt die Luzerner Kantonalbank mit 0.75 Prozent auf Spareinlagen bis CHF 100'000 an der Spitze, viele andere Banken bewegen sich zwischen 0.25 und 0.5 Prozent, zögerliche Banken mit deutlich tieferen Zinsen sind ebenfalls mit im Spiel.

Ein Blick nach Deutschland

Die letzte Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 2. Februar 2023 auf 3 Prozent (Leitzins) und 2.5 Prozent (Einlagenzins) hat bei deutschen Neo-Banken und Neo-Brokern eine regelrechte Zinsschlacht ausgelöst.

Die Zinsen der verschiedenen Direktbanken und Neo-Anbieter liegen aktuell zwischen 2 und 2.5 Prozent, jeweils für unterschiedliche Einlagenhöhen mit variablen Laufzeiten. Diese Schlacht und das Werben um neue Kundinnen und Kunden wird weitergehen, zumal die EZB kommenden März die Zinsen um weitere 0.5 Prozent anheben will, um die Inflation in den Griff zu bekommen.

Auch in Deutschland zeigen sich zahlreiche etablierte Geldhäuser unbeeindruckt vom Geschehen an der Zinsfront, lassen weiterhin auf sich warten oder belohnen nur Neukunden mit Sparzinsen, treue bestehende Kunden haben das Nachsehen. Inzwischen hat die EZB innerhalb von wenigen Monaten vier Zinserhöhung durchgezogen. Die Regungslosigkeit klassischer Bank auf der anderen Seite führt zu Medienberichten, die an Schärfe zulegen.

Fallen die Kommentare in den Schweizer Medien zum Thema Sparzinsen in der Schweiz deutlich moderater aus, legt sich die deutsche Bild-Zeitung vom 1. Februar 2023 mit der Headline,"Die grosse Zins-Schweinerei – Millionen von Sparern gehen leer aus", für Sparerinnen und Sparer ins Zeug.

Ob der Artikel des Volkes Not und Empfinden, des Schreibers Zorn oder beides spiegelt, entzieht sich unserer Kenntnis. Die von den beiden Autoren angeprangerte "Bank-Abzocke" führt tatsächlich zu einem Pranger. Unter dem Titel "Prellt Sie Ihre Bank oder Sparkasse auch?" bringen die Autoren einen "Bild-Zins-Pranger", der ausgebliebene Sparzinsen den bremsenden Banken zuordnet. Der Artikel zur "grossen Zins-Sauerei" wird ergänzt durch Hinweise, wo es Zinsen für das Ersparte gibt.

Was Experten dazu sagen

Die Unternehmensberatung Simon Kucher nimmt den angriffigen Artikel der Bild-Zeitung zum Anlass, die attraktiven Angebote der Neo-Anbieter der weiterhin grossen Zurückhaltung der etablierten Banken gegenüberzustellen. Ebenfalls mit angemessener Zurückhaltung und etwas verklausuliert stellen die Experten von Simon Kucher fest:

"So bedeutet der gänzliche Verzicht auf die Weitergabe von Zinsen gleichzeitig auch eine Maximierung der Eintrittswahrscheinlichkeit für mögliche Kundenabwanderungen. Dies ist von hoher Bedeutung, da Kundenabwanderungen weiterhin die aus Bankensicht teuerste Kundenreaktion darstellen. Ebenfalls maximiert eine derartige Strategie das Risiko negativer Berichterstattung oder einer Beschädigung des eigenen Anbieterimage ("Fairness") aus Kundensicht. Eine derartige Preis- und Produktstrategie kann langfristig entsprechend nicht wirklich als empfehlenswert angesehen werden."

In salopper Kurzformel und ohne Schnörkel meint der gepflegt formulierte Absatz der Experten das Folgende:

Wenn ihr so weitermacht, laufen euch die Kunden davon, das wird teuer, zudem handelt ihr euch negative Presseberichte ein, das wird euer Image beschädigen

Das darf Simon Kucher aber nicht in geraffter Kurzform sagen, sonst gehen alle Banken beleidigt von Bord, die das Unternehmen beraten und nicht vergraulen will. Die Kommentare und Empfehlungen der Unternehmensberatung Simon Kucher können im vollen Wortlaut nachgelesen werden, hier.

Wir wiederholen uns: Was einige Banken möglicherweise ausser Acht lassen

Mehrere Studien der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass zahlreiche Schweizer Haushalte durch Teuerung, gestiegene Energiekosten und Krankenkassenprämien sowie anziehende Hypothekar-Zinsen stark belastet werden. MoneyToday.ch hat mehrmals berichtet, zum Beispiel hier und hier

In Deutschland ist die Situation aufgrund der wesentlich höheren Inflation und durch drastisch gestiegene Lebenshaltungskosten noch verschärfter und betrifft sehr viele Haushalte.

Zinsgutschriften auf Sparguthaben können besonders hart getroffenen Haushalten helfen, die Teuerung etwas auszugleichen. Über den rein monetären Aspekt hinaus können faire Zinsen vor allem als Signal verstanden werden, dass Banken im Rahmen ihrer Möglichkeiten im ganz normalen Finanz- und Sparalltag mittragen helfen, wenn wachsenden Kundengruppen ein eisiger Wind ins Gesicht bläst.

Geldhäuser sind keine Wohlfahrtsinstitutionen, sondern gewinnorientierte Unternehmen, klar, nur: als solche investieren sie beträchtliche Summen in den Aufbau von Image und den Erhalt von Reputation. Aktuell können diese Investitionen auch in Form von fairen Sparzinsen getätigt und angelegt werden. Das Engagement könnte sich lohnen, auch für kühl rechnende Banker.