Decentralized Finance

Wohin wird die DeFi-Reise führen – und welche Rolle spielen dabei traditionelle Player und Banken?

Frontansicht einer Bank
Bild: -slav- | Getty Images

Decentralized Finance (DeFi) bietet Playern aus der alten und Anbietern aus der neuen Finanzwelt dieselben Chancen – sofern man sie sehen und ergreifen mag.

Wohin genau die DeFi-Reise führen wird, kann im Moment noch niemand sagen – erahnen jedoch schon. Und mitgestalten lässt sich die Reiseroute ebenfalls. Decentralized Finance ist eine noch junge Bewegung, auch wenn sie sich mit hohem Tempo weiterentwickelt.

Genau darin liegen jedoch die enormen Chancen, für Player aus allen Welten. Erschlossenes Land mit fertig gebauten Häusern und Strassen bietet wenig Raum – offenes Terrain mit Claims, die erst noch abgesteckt werden dürfen, hingegen schon.

Die einen sehen in Decentralized Finance die Demokratisierung der Finanzindustrie, andere warnen vor der Komplexitität der Produkte und Leistungen. Dabei meinen die Warner wahrscheinlich weniger die Angebote und Finanzdienstleistungen selbst, die eher einfach beansprucht werden können. Viel eher zielt die Kritik auf die Bewegung DeFi an sich – letztere bedingt tatsächlich ein vertieftes Verständnis, um Zusammenhänge und mögliche Dimensionen einordnen zu können.

DeFi hat bisher noch keine starren und eingeübten Regeln und auch keine allseits bekannten Grenzen. Die Erfahrungswerte sind aktuell überschaubar und Garantiescheine werden noch keine ausgestellt. 

Eine Bewegung mit Potenzial – für alle Player und Mitgestalter

Decentralized Finance ist eine hochinteressante Bewegung und hat zweifellos das Potenzial, die gewohnten Regeln und Prozesse der alten Finanzwelt nachhaltig umzupflügen und auf neue Beine zu stellen. Die Rollen werden erst besetzt und anders verteilt, zahlreiche neue Anbieter kommen mit ins Spiel und der Part der Intermediäre und Vermittler wird ersatzlos gestrichen.

Dennoch fallen traditionelle Banken durch DeFi nicht aus dem Rennen, sie übernehmen einfach andere Aufgaben – immer vorausgesetzt, sie sind neugierig genug, den Raum DeFi zu betreten, um ihre Rolle zu finden und zu definieren.

DeFi steht als Bewegung und Entwicklung im Moment noch eher am Anfang. Allerdings in einem hochentwickelten Anfangsstadium mit zahlreichen Projekten und Anwendungen – und auch mit konkreten Ergebnissen. Ein perfekter Zeitpunkt für Mitgestalter aus allen Lagern, um Decentralized Finance aktiv mitzuprägen.

Neben den noch zu definierenden Rollen der verschiedenen Player, neben neuen Services und Finanzdienstleistungen, wird auch die Regulatorik einen massgeblichen Einfluss auf die Zukunft von Decentralized Finance haben. So oder so eine Bewegung, deren Puls man eher auf Nähe nehmen oder am besten gleich mitbestimmen sollte – als Finanzdienstleister der alten und als Anbieter der neuen Finanzwelt. Das Dach von DeFi kann grundsätzlich dermassen gross ausgestaltet werden, dass es für eine Vielzahl von innovativen Playern und Anbietern Raum schafft, ohne jedes Gefühl von Enge.

DeFi – eine neue Chance für traditionelle Banken und Versicherer?

Im Bereich Open Banking und Open Finance haben zögerliche klassische Banken bisher alle Chance verpasst, eine führende Rolle einzunehmen. Ein bisschen Open Finance wird wohl erprobt, das kann jedoch nicht funktionieren, das "Open" im Begriff wird immer in Widerspruch zu "ein bisschen" stehen.

Ökosysteme, die diesen Namen auch verdienen, kennt man bisher von Big Techs und auch von FinTechs wie Klarna und einigen anderen Unicorns – von klassischen Banken nicht. Zumindest nicht in dieser vorgegebenen Ausprägung.

Diese grossen Spielfelder werden weitgehend Big Techs und explosiv wachsenden FinTechs überlassen. So lange, bis sich die Frage der eigenen Rolle gar nicht mehr stellt, weil die wirklich interessanten Plätze längst besetzt sind. Durch Player mit einem Vorsprung, der schwer oder gar nicht mehr einzuholen sein wird.

Neues Spiel, neues Glück? Vielleicht. Decentralized Finance ist möglicherweise eine der nächsten wirklich grossen Wellen, welche die Finanzindustrie verändern wird. Vielleicht sogar sehr tiefgreifend und nachhaltig. Eine Welle, die sich allerdings nicht aus Distanz und mit abwartender Zurückhaltung reiten lässt. Mut zum Risiko gehört dazu, Pioniergeist ebenfalls, ein starker Abwehrreflex gegen Kryptowährungen ist hinderlich und die Welle lässt sich nicht mitgestalten, ohne nass zu werden.

Hervorragende Voraussetzungen, um mit den Erfahrungen aus der alten Finanzwelt den Versuch zu wagen, eine neue Finanzwelt massgeblich mitzuprägen. Klappt's nicht mit dieser neuen Finanzwelt, ist die Bewegung insgesamt gescheitert und alle dürfen sich auf ihre alten angestammten Pfründe zurückziehen. Gelingt's aber, sitzen jene in der ersten Reihe, die das Risiko des Scheiterns mutig und entschlossen in Kauf genommen haben. Die Zögerlichen, die Zauderer und die Abwartenden sind dann bereits von einer Entwicklung links und rechts überholt worden, welche den auf Sicherheit und Gemächlichkeit bedachten Mittelspur-Fahrern nur wenige Chancen zum Aufholen lassen wird.