Kommentar

Vom endlosen Hin und Her mit roten Karten, Gnadenfristen und dem Gefühl für den richtigen Zeitpunkt

Flagge von USA und China
Bild: MicroStockHub | Getty Images

Ein Kommentar, ein kurzer nur – um die Atempause für Gedanken an wirklich relevante Nachrichten zu nutzen, welche die Welt bewegen könnten.

Zahlreiche Medien haben diese Woche berichtet, dass US-Präsident Donald Trump die "Gnadenfrist" für Huawei verlängert hat. Um 90 Tage. Amerikanische Firmen dürfen den chinesischen Smartphone-Hersteller weiterhin beliefern. Eingeschränkt, aber immerhin. Das Android-Leben für Huawei darf also vorderhand weitergehen.

Diese News ist nur mässig interessant, weil die 90 Tage Verlängerung morgen schon um 45 Tage gekürzt, um 30 Tage verlängert, sonstwie relativiert oder mit einem nächtens abgesetzten Tweet gleich wieder vollends pulverisiert werden könnten.

Sollte das eintreffen, wäre auch diese neuste der News von überschaubarem Interesse, weil im Handelskonflikt USA-China ohnehin kein Raum bleibt, sich an neue Tatsachen zu gewöhnen – der nächste Tweet macht die letzte Absichtserklärung obsolet.

China überrascht weniger mit hektischen Nachrichten, mehr mit konkreten Taten

Die Reaktionen und Aktionen von chinesischer Seite fallen auch dadurch auf, dass weniger kommuniziert wird, schon gar nicht im hektischen Sekundentakt, offensichtlich wird mehr Wert auf Handlung und Aktion gelegt. Eine gewisse Hektik mag sich im Hintergrund abspielen, China überrascht in sichtbarer Haltung und Reaktion durch eine gewisse Ruhe und Besonnenheit. Vor allem jedoch mit Handlungen und konkreten Taten.

Der Blick scheint nach vorne gerichtet und Nachrichten werden mit einem Gefühl für den richtigen Zeitpunkt lanciert. Um bei Huawei zu bleiben, das Unternehmen ist bereits seit 2012 dabei, eine Alternative zu Android zu entwickeln, ohne das breit kommuniziert zu haben. Nachdem die USA mit Sanktionen Huawei technologisch auf Entzug gesetzt hatten, haben zwei Monate offenbar genügt, um das System marktreif zu machen. Kommuniziert hat Huawei auch das erst, als aufgrund registrierter Marken Gerüchte die Runde gemacht haben. Dann dafür gleich mit konkreten Terminen für die Markteinführung.

Ein Betriebssystem mit dem sinnigen Namen Harmony

Harmony OS hört in China auf den Namen Hongmeng OS. Und weil die Marken Ark OS ud Oak OS ebenfalls eingetragen worden sind, stecken möglicherweise noch einige weitere Betriebssystem-Überraschungen in der Pipeline. Huawei wird zu gegebener Zeit informieren, das Gefühl für den richtigen Zeitpunkt scheint vorhanden zu sein.

Zwischen jetzt und Oktober 2019 sollen die verschiedenen Devices auf der neuen Plattform laufen. Und Huawei beschränkt das Betriebssystem nicht auf die eigenen Geräte, der Rest der Welt soll mitprofitieren von der Alternative zu den beiden US-amerikanischen Systemen Android von Google (Alpabet) und iOS von Apple.

Den Markt USA wird das zunächst nicht erschüttern, da spielen Huawei-Smartphones keine grosse Rolle. Europa, das zu keiner Zeit ein eigenes oder weltweites Betriebssystem ernsthaft ins Auge gefasst hat, schon eher, da ist Huawei hinter Samsung die Nummer zwei.

Im zweiten Quartal 2019 ist der Marktanteil von Huawei erstmals gesunken, eine Auswirkung der US-Sanktionen. Die Tatsache eines eigenen Betriebssystems, als manifeste Unabhängigkeitserklärung gegenüber den US-Systemen, dürfte die Ängste der Kunden und Nutzer dämpfen und die Neugier auf neue Features wecken.

Da kommt noch mehr

Je nachdem, was Harmony OS alles kann, auch hier bleiben Überraschungen möglich, dürften die Sanktionen der USA die Position von China und von Huawei in den Weltmärkten längerfristig stärken. Das war sicher nicht im Sinne des Erfinders, aber so wie die EU-Sanktionen mit dem Entzug der Börsenäquivalenz in der Schweiz zu kreativen Lösungen geführt haben, so läuft auch China unter Druck zur technologischen Hochform auf. 

Technologisch topfit war China schon bisher. Die zusätzlich bereitgestellten Ressourcen, die Besonnenheit und der Wille, dem Handelskonflikt weniger mit Gepolter und Getöse zu begegnen, sondern das endlose Tauziehen so weit wie möglich durch Autonomie zu verkürzen oder zu beenden, kann Kräfteverhältnisse verändern.

Verständlich, wer möchte auf Dauer Sanktionen, Launen, roten Karten und "Gnadenfristen" ausgesetzt sein, wenn's auch anders geht. Und es scheint anders zu gehen. China wird auch in Zukunft weder "China First" noch " Make China Great Again" plakativ auf seine Flagge schreiben. Was jedoch an Leistungen, Technologie und konkreten Taten unter der wehenden Flagge hervorgebracht wird, könnte für Überraschungen sorgen. Ohne grosse Ankündigungen, mit dem Gefühl für den richtigen Zeitpunkt eben. 

Der Zeitpunkt wie auch die Taten und Leistungen könnten dann möglicherweise den Stoff liefern, aus dem wirklich relevante Nachrichen gewoben sind, welche die Welt bewegen werden.