FinTechs

Solaris tritt auf die Wachstumsbremse und setzt auf Profitabilität – dazu ein Blick auf Open Finance und veränderte Spielregeln

Ansicht des Gebäudes des FinTechs Solaris in Berlin
Bild: Solaris

Investorengelder für FinTechs werden weiterhin fliessen – allerdings nicht für alle, nicht in beliebiger Grössenordnung und sicher innerhalb von veränderten Spielregeln.

Das Berliner FinTech Solaris gehört zu den grossen und vielseitigen europäischen Anbietern im Bereich Banking as a Service und Embedded Finance. Das gut finanzierte Unicorn hat letztmals im Juni 2022 von seinen Bestandesinvestoren 40 Millionen Euro erhalten – eine deutlich kleinere Summe im Vergleich zu früheren Runden. 

Das FinTech ist im Besitz einer Vollbanklizenz, deshalb bietet Solaris Unternehmen und FinTechs nicht nur Plattform, Software und Prozesse, sie entlastet FinTechs ohne Lizenz von Regulatorik beim Abwickeln von Bankgeschäften. Dafür steht die Bank im Hintergrund. Ende Juli hat die Embedded-Finance-Plattform ihren Namen von Solarisbank zu Solaris geändert, um der international aktiven Unternehmensgruppe eine klare Positionierung zu geben. "Bank" ist eine Serviceleistung, nicht der eigentliche Kern des Unternehmens.

Die Strategieänderung von Wachstum zu Profitabilität

Das 2016 gegründete Unternehmen hat, begleitet von namhaften Investoren, in den letzten Jahren auf schnelles Wachstum gesetzt, wie zahlreiche anderen FinTechs auch. Geld war billig und vorhanden, Wachstumskapital ist reichlich geflossen und Investoren waren mit im Boot der Strategie.

Der Wind hat sich gedreht, an der Kapital- und an der Investorenfront, deshalb ändert Solaris seine Strategie. Das Unternehmen will weiter wachsen, aber nicht mehr so schnell wie in den vergangenen Jahren, das heisst nicht mehr um jeden Preis. Gegenüber unseren Kollegen des Finanzportals Finanz-Szene gab Solaris-CEO Roland Folz zu Protokoll, dass das Unternehmen die Resilienz erhöhen und die Abhängigkeit von Kapitalmärkten reduzieren will. Schrieb Solaris 2021 noch einen Verlust vor Steuern von 41 Millionen Euro, formuliert Folz mit dem Strategiewechsel auch ein ungewöhnlich ehrgeiziges Ziel: «ein positives Vorsteuerergebnis auf Monatsbasis zum Jahresende 2022».

Von neuen Realitäten, FinTechs im Gegenwind und von Märkten im Wandel

Über ähnliche Enwicklungen bei anderen FinTechs haben wir in den letzten Monaten mehrfach berichtet. Für FinTechs sind die Zeiten des ungebremsten Wachstums um jeden Preis vorderhand vorbei, Investoren wollen Profitabilität sehen. 

Solaris ist dabei in einer vergleichsweise guten Ausgangslage, dennoch überrascht das vorgelegte Tempo, innerhalb von wenigen Monaten will das Unternehmen die Gewinnschwelle erreichen. Mit bisher 100 Prozent Umsatzwachstum will Solaris neu moderate 20 bis 50 Prozent anpeilen. Auf diesem Weg dürften Konsolidierung und Fokussierung auf die wirklich ertragreichen Geschäftsfelder mit im Vordergrund stehen.

Nachrichten wie diese sind auch weiterhin von anderen FinTechs und auch von hoch finanzierten Neo-Banken zu erwarten. In den letzten Monaten hat die Branche bereits einige Bewegungen zwischen FinTech-Notverkauf und Neo-Banken-Fusion gesehen, der Trend könnte sich fortsetzen.

Der neue Pragmatismus in Zeiten erwarteter und geforderter Profitabilität dürfte auch hoffnungs- und fantasiegetriebene Bewertungen auf den Boden der neuen Tatsachen herunterholen

Die eingetrübte Wirtschaftslage setzt sichtbare Zeichen, Geld bekommt durch steigende Zinsen wieder einen Wert und steht nicht mehr in beliebigen Grössenordnungen (fast) allen zur Verfügung. Zudem: der neue Pragmatismus in Zeiten erwarteter und geforderter Profitabilität dürfte auch hoffnungs- und fantasiegetriebene Bewertungen auf den Boden der neuen Tatsachen herunterholen. So geschehen in drastischer Form beim Riesen-FinTech Klarna. Bei der letzten Finanzierungsrunde über 800 Millionen US-Dollar im Juli 2022 haben die beteiligten Investoren die Bewertung von bisher 45.6 Milliarden Dollar auf 6.7 Milliarden reduziert.

Wer diese sich mehrenden Zeichen der Zeit nicht zu deuten vermag, sitzt möglicherweise in einer kleiner werdenden FinTech-Blase. Die Blase wird nicht platzen, aber die Luft wird deutlich dünner.

Open Finance wird vom Stichwort zur Realität

Investorengelder werden weiterhin fliessen, allerdings innerhalb von veränderten Spielregeln mit klar(er) formulierten Vorgaben zur Strategie und mit ebenso klar formulierten Erwartungen zur Profitabilität. Diese neuen Spielregeln hängen auch mit den Rollen von Big Techs und Banken zusammen. Die einen haben sich erstaunlich lange eher ruhig verhalten, die anderen haben noch ruhiger mehrere Entwicklungen schlicht verschlafen. Nun werden die einen wie die anderen eher plötzlich und fast gleichzeitig spürbar. Big Techs werden in mehreren Finanzsparten aktiv, insbesondere auch im Bereich von Buy Now Pay Later (BNPL) und generell im Kreditgeschäft. Banken entdecken Sparten wie Banking as a Service, Embedded Finance oder hegen Ambitionen im Bereich Kryptos.

Dadurch bekommt das von vielen ungeliebte Stichwort Open Finance langsam Form und Gestalt, zumal eng gefassten Angebots-Silos nicht die Zukunft gehören wird. Die Zahl der Teilnehmer und Anbieter im Finanzbereich wächst, die Zahl, Form und Ausprägung der verfügbaren Angebote und Services ebenfalls.

Diese Entwicklung wird die Finanzindustrie in den nächsten fünf Jahren möglicherweise sehr viel stärker beeinflussen und bewegen als in den zwanzig Jahren davor.