Public Liquidity Backstop

Eine dritte "Verteidigungslinie" soll systemrelevante Banken bei nächsten Finanzkrisen schützen und stützen

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Mit einer staatlichen Liquiditätssicherung will der Bundesrat die Stabilität der Schweizer Finanzindustrie und der Volkswirtschaft zusätzlich stärken.


Wann gilt eine Bank als systemrelevant?

Bankengruppen und Banken werden von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) dann als systemrelevant eingestuft, wenn ihr Ausfall die Schweizer Volkswirtschaft und das schweizerische Finanzsystem erheblich schädigen würde.

Die Systemrelevanz einer Bank beurteilt sich nach deren Grösse, nach deren Vernetzung mit dem Finanzsystem und der Volkswirtschaft sowie nach der kurzfristigen Substituierbarkeit der von der Bank erbrachten Dienstleistungen. Zu den systemrelevanten Funktionen dieser Banken zählen insbesondere das inländische Einlagen- und Kreditgeschäft sowie der Zahlungsverkehr. 

In der Schweiz werden von der SNB die beiden Grossbanken Credit Suisse und UBS sowie die Postfinance, die Raiffeisen und die Zürcher Kantonalbank als systemrelevant bezeichnet.

Die Beurteilung und die Entscheidungen des Bundesrates

In seinem vierten Evaluationsbericht zu systemerelevanten Banken hat der Bundesrat bereits Mitte 2021 festgehalten, dass die aktuelle Ausgestaltung des Schweizer Regulierungsansatzes und die bestehenden Anforderungen "eine angemessene Widerstandskraft der systemrelevanten Banken sicherstellen" würden.

Allerdings, so der Bundesrat im selben Bericht, hätte "eine Analyse gezeigt, dass die derzeit von den systemrelevanten Banken geforderte Liquiditätsausstattung voraussichtlich nicht genügen würde, um den Liquiditätsbedarf in einer Notlage oder bei einem Ausfall zu decken." Um die Krisenfestigkeit der systemrelevanten Banken zu stärken und das Risiko volkswirtschaftlicher Verwerfungen zu reduzieren, setzt die Schweizer Gesetzgebung auf erhöhte Kapital- und Liquiditätsanforderungen sowie auf eine verbesserte Sanier- und Liquidierbarkeit (Too-big-to-fail-Regulierung).

Die erste Verteidigungslinie durch die Banken: Liquiditätsanforderungen

Diese Verteidigungslinie steht schon, soll nun jedoch verstärkt werden. Damit eine notwendige Sanierung gelingen kann, braucht es einen glaubwürdigen und umsetzbaren Sanierungsplan, eine hinreichende Verlusttragung durch Gläubiger (Bail-in-Kapazität), um die Bank bei drohender Insolvenz rekapitalisieren zu können, und ausreichend Liquidität.

Die revidierten und erhöhten Liquiditätsanforderungen für systemrelevante Banken, die voraussichtlich am 1. Juli 2022 in Kraft treten, sollen für ein breites Spektrum von möglichen Krisenfällen sicherstellen, dass betroffene Institute über ausreichend Liquidität verfügen. Damit wird die vom Bankengesetz verlangte höhere Widerstandsfähigkeit im Vergleich zu nicht systemrelevanten Banken gewährleistet.

Die zweite Verteidigungslinie durch die SNB: Liquiditätshilfe

Diese zweite Verteidigungslinie steht ebenfalls, weil auch mit erhöhten Liquiditätsanforderungen Situationen denkbar bleiben, in denen die liquiden Mittel einer systemrelevanten Bank nicht ausreichen, um eine Sanierung erfolgreich umzusetzen. Bereits heute kann deshalb in Notfällen zusätzliche Liquidität über die ausserordentliche Liquiditätshilfe der Schweizerischen Nationalbank (SNB) bereitgestellt werden (Emergency Liquidity Assistance).

Die dritte Verteidigungslinie durch den Bund: Staatliche Liquiditätssicherung

Eine neue und zusätzliche Verteidigungslinie hat der Bundesrat an seiner Sitzung letzte Woche ins Spiel gebracht, die als "vertrauensbildende Massnahme" gesehen und entsprechend wirken soll.

Um das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Überlebensfähigkeit einer rekapitalisierten und solventen systemrelevanten Bank zu erhöhen, soll künftig neu zusätzliche Liquidität temporär über eine staatliche Liquiditätssicherung zur Verfügung gestellt werden können (Public Liquidity Backstop).

Der Bundesrat legt Wert auf die Feststellung, dass dieses neu geplante Instrument nicht mit der staatlichen Rettung einer systemrelevanten Bank verwechselt werden dürfe. Vielmehr handle es sich beim Public Liquidity Backstop um eine staatliche Massnahme, damit eine in der Schweiz domizilierte systemrelevante Bank rasch und subsidiär mit Liquidität versorgt werden könne, falls dies für die erfolgreiche Sanierung erforderlich sein sollte.

Wie soll das geplante Instrument als vertrauensbildende Massnahmen wirken? Der Public Liquidity Backstop trägt dazu bei, so der Bundesrat, dass bisherige oder neue Marktteilnehmer bereit sind, mit der betreffenden Bank Geschäftsbeziehungen aufrechtzuerhalten beziehungsweise neu einzugehen. Deshalb soll nur schon die Existenz des Public Liquidity Backstop präventiv wirken, bevor überhaupt Liquiditätshilfe erforderlich ist.

Zudem, hält der Bundesrat fest, gehört ein Public Liquidity Backstop international zum Standard-Kriseninstrumentarium. Er erhöht die Erfolgschancen einer allfälligen Sanierung einer systemrelevanten Bank und würde die systemrelevanten Banken in der Schweiz mit ihren ausländischen Konkurrenten gleichstellen. 

Nach den vom Bundesrat beschlossenen Eckwerten soll der Public Liquidity Backstop gesetzlich verankert werden. Liquiditätshilfe an eine systemrelevante Bank würde durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) in Form eines mit Bundesgarantie gedeckten Darlehens geleistet werden. Der Public Liquidity Backstop soll zudem mit einem Konkursprivileg ausgestattet werden, um allfällige Verluste für den Bund zu vermeiden, zudem soll er einen Abgeltungs- und Sanktionsmechanismus voraussetzen.

Der Bundesrat hat am 11. März 2022 das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) beauftragt, bis Mitte 2023 eine Vernehmlassungsvorlage zum Public Liquidity Backstop zu erarbeiten.

Diskussion mit Zündstoff

Je nach definieren Kritierien und Zugänglichkeit zu den mit Bundesgarantien gedeckten Darlehen, dürfte die Vorlage in den Räten für Diskussions- und auch für Zündstoff sorgen. Nicht zuletzt kommt der Zündstoff aus den Skandalen und eingegangenen Risiken von Banken, gerade in der jüngeren Vergangenheit, welche aktuell wiederum die generelle Kritik an bestehenden Vergütungs- und Boni-Reglementen befeuern. 

Der Bundesrat will die geplante Massnahme nicht mit der staatlichen Rettung einer systemrelevanten Bank verwechselt sehen. Eine Nähe ist jedoch schwer von der Hand zu weisen, weil und um es salopp zu formulieren: Wenn die Hütte brennt, muss eine systemrelevante Bank gerettet werden, unter welcher Flagge auch immer, um weitaus Schlimmeres zu verhindern.

Deshalb würden mutige Überlegungen und Massnahmen nicht nur und auschliesslich auf die finale Notfallphase zielen, besser auf die Phasen davor. Und damit auf Massnahmen, welche verhindern könnten, dass Banken überhaupt in akute Schieflagen geraten. Diese Diskussionen werden teilweise heute schon geführt, allerdings mit grosser Zurückhaltung, um heilige Kühe nicht zu erschrecken und um vermeintliche Tabubrüche zu vermeiden.