Tiefere Hürden für FinTechs in der Schweiz

Bundesrat Ueli Maurer und Staatssekretär Jörg Gasser an der Medienkonferenz zum Thema Rahmenbedingungen für FinTechs
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Das Eidgenössische Finanzdepartement hat geliefert und der Bundesrat hat entschieden: die FinTech-Lizenz kommt.


Mit seiner Botschaft vom 20. April 2016 hat der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) beauftragt, den regulatorischen Handlungsbedarf im Bereich innovativer Finanztechnologien zu prüfen.

Das EFD hat untersucht, wie innovative Fintech-Unternehmen regulatorisch behandelt werden können, um für Innovationen gute Voraussetzungen zu schaffen und Bremsklötze zu beseitigen. Im Herbst 2016 sind Vorschläge und Konzepte vorgelegt worden, die der Bundesrat nun konkretisiert hat.

«FinTech wird ein wichtiger Bestandteil der neuen Finanzmarktpolitik sein.»

Ueli Maurer, Bundesrat

Die Vorschläge des Bundesrates

Der Bundesrat formuliert seine Vorschläge in drei Elementen und möchte mit diesem Konzept die Markteintrittshürden für Anbieter von innovativen Finanztechnologien tief ansetzen. Dabei wird nicht auf fxierte Bereiche oder bestimmte Geschäftsmodelle fokussiert, um möglichst umfassende Rahmenbedingungen zu schaffen. Bedingungen, welche auch zukünftigen Innovationen und Entwicklungen Rechnung tragen, die heute noch nicht bekannt sind. Was beinhalten die drei Elemente, die sich ergänzen sollen?

Das erste Element: Halten von Geldern auf Abwicklungskonten

Die heute geltenden Frist von 7 Tagen für das Halten von Geldern auf Abwicklungskonten soll auf 60 Tage verlängert werden. Diese Erweiterung kommt insbesondere auch Crowdfunding-Plattformen entgegen, die mit der heutigen Ein-Wochen-Regelung nicht flexibel arbeiten können. Die Neuregelung soll nicht auf FinTech-Unternehmen beschränkt werden, sondern allgemein für alle Anbieter gelten.

Das zweite Element: Innovationsraum (Sandbox)

Innerhalb des neu definierten Innovationsraums kann ein Anbieter unbeschränkt viele Publikumseinlagen annehmen, bis zu einem Gesamtwert von 1 Million Franken. Projekte und Geschäftsmodelle innerhalb dieser Sandbox müssen von der FINMA nicht bewilligt und nicht überwacht werden. Anbieter sind jedoch verpflichtet, diese Freiheiten gegenüber ihren Kunden offenzulegen. Und: die Geldwäschereibestimmungen haben auch für Sandbox-Mitspieler Gültigkeit.

Diese Neuregelung ist ein Meilenstein, weil Innovationen und neue Geschäftsideen ohne Bewilligungspflicht und ohne zeitraubende bürokratische Hürden lanciert werden können. Der regulierungsfreie Raum und damit die Möglichkeiten für Startups und auch etablierte Anbieter werden dadurch entscheidend vergrössert – Banken und Nicht-Banken erhalten neue nutzbare Spielräume.

Die unbeschränkte Anzahl der Publikumseinlagen kommt Crowdfunding-Anbietern (und anderen) sehr entgegen, weil die bisherige Limitierung auf 20 Personen und Einlagen als harte Hürde vieles verunmöglicht hat.

Anmerkung der Redaktion zur Sandbox: Der Begriff Sandbox wird von Startups und anderen Innovatoren nicht allzu gerne gehört, weil er in ihrer Betrachtung an Sandkuchenbacken, Förmchen und Spielen erinnert und deshalb die Ernsthaftigkeit vermissen lässt. Das ist und war nie die Idee, aber der Begriff Innovationsraum ist sehr gut, treffend und sensibel gewählt und darf die Sandbox ruhig ersetzen.

Das dritte Element: FinTech-Lizenz

Die FinTech-Lizenz wird durch die FINMA erteilt. Eine neue Bewilligungs-Kategorie, welche nicht dieselben strengen Massstäbe verwendet, die bei klassischen Banken angelegt werden, weil auch die Risiken tiefer liegen. Vorgesehen für Institute, welche sich auf das Passivgeschäft (Entgegennahme von Publikumseinlagen) beschränken und kein Aktivgeschäft mit Fristentransformation (Kreditgeschäfte) betreiben. Die tiefer gelegten regulatorischen Hürden im Detail:

  • Keine Beteiligung am Einlegerschutzsystem
  • Publikumseinlagen dürfen insgesamt 100 Millionen Franken nicht überschreiten
  • Mindestkapital für Institute mit FinTech-Lizenz: 5 Prozent der Publikumseinlagen, mindestens jedoch 300'000 Franken

Bundesrat Maurer unterstreicht, dass mit diesem Schritt die Schweiz zu den Tops der Welt gehören und damit ein innovatives Zeichen für die FinTech-Branche gesetzt werden soll. Der FinTech-Standort Schweiz wird durch diese neue Bewilligungs-Kategorie mit Sicherheit gestärkt. Zumal gerade die Schaffung einer speziellen FinTech-Lizenz auch im internationalen Vergleich als wegweisend betrachtet werden kann.

«Ein dynamisches FinTech-Ökosystem wird zur Qualität des Schweizer Finanzplatzes in den nächsten Jahren beitragen.»

Ueli Maurer, Bundesrat

Was positiv auffällt

Das gesamte, gut durchdachte und auf Langfristigkeit angelegte Konzept ist in kurzer Zeit ausgearbeitet und präsentiert worden. Keine Spur von oftmals kritisierter halbherziger Zögerlichkeit – Bundesrat und EFD geben dem Thema und der Branche Gewicht und machen Nägel mit Köpfen. Mit konkreten Massnahmen, welche die Position und Attraktivität von FinTech-Standort und Finanzplatz Schweiz stärken und steigern.

Die Konzepte setzen am richtigen Ort an und schaffen tatsächlich neue Räume und Spielfelder, erweiterte Möglichkeiten für Finanzdienstleister und räumen mehrere bisherige Hindernisse beiseite.

Bekenntnis und mutige Offensive
Ein mutiger und offensiver Schritt, der Massstäbe setzt, klare Vorgaben schafft und ebenso klare Freiheiten und Spielräume öffnet. Als überraschend kreativ konkretisierter Teilbereich der vom Bundesrat kürzlich verabschiedeten Finanzmarktpolitik. Besonders erfreulich:

Bundesrat Maurer selbst will FinTech zum wichtigen Bestandteil der Finanzplatzpolitik werden lassen. Eine Absichtserklärung und ein Bekenntnis, dem sichtbare Taten folgen. Dieser Rückwind ist sehr willkommen und in der formulierten Stärke unerwartet und überraschend.

Unbürokratisches Tempo
Bundesrat und EFD geben Gas und sind bereit, das Projekt schnell und unbürokratisch durchzuziehen, um den Weg für Innovationen und neue Anbieter freizumachen. Möglicherweise zum Teil auch in einzelnen Schritten – dort, wo keine Gesetzesänderungen notwendig sind, könnte der Bundesrat in eigener Regie vorgezogen agieren.

Dynamische Entwicklung mit eingeplant
Die neuen Regeln fokussieren nicht auf bestimmte Geschäftsmodelle, sondern werden vielmehr eher breit und allgemein gefasst. Das kommt einer Branche sehr entgegen, die sich laufend dynamisch entwickelt und deshalb mit neuen Geschäftsmodellen und Innovationen auch in Zukunft auf Gesetze und Rahmenbedingungen stossen soll, die nicht einengen.

EFD und Bundesrat haben sich wohl von bestehenden Bereichen inspirieren und leiten lassen, die auch benannt worden sind, wie zum Beispiel mobile Zahlungssysteme, virtuelle Währungen oder Crowdfunding. Die Macher der Konzepte haben den Bogen jedoch weitergespannt und auch in die Zukunft gedacht.

«Es müssen Hürden abgebaut werden, damit sich diese Branche entfalten kann in der Schweiz, um das Wachstumspotenzial möglichst rasch realisieren zu können.»

Jörg Gasser, Staatssekretär für internationale Finanzfragen

Und wie geht's weiter?

Der Bundesrat hat das EFD beauftragt, bis Anfang 2017 eine Vernehmlassungsvorlage mit den notwendigen gesetzlichen Anpassungen auszuarbeiten. Der Wille und die Absicht sind spürbar vorhanden, die neuen Richtlinien schnell und zügig in die Tat umzusetzen.

Zudem soll das EFD, in Kooperation mit den interessierten Behörden, zusätzliche Abklärungen zur Verringerung weiterer Markteintrittshürden für FinTech-Unternehmen treffen. Beispielsweise zum Thema der rechtlichen Behandlung von virtuellen Vermögenswerten und Währungen (Bitcoin, Ether und andere).

Auch das fällt positiv ins Gewicht: Bundesrat und EFD bleiben am Ball, um sämtliche Karten für den Standort Schweiz und den Finanzplatz auszuspielen – heute, laufend und damit auch in Zukunft.

Stichworte zum Thema im Lexikon: FinTech | RegTech | InsurTech | Finanzmarktregulierung | FINMA