Kryptowelt

Steigt die Postfinance in den Handel mit Kryptowährungen ein?

Der Hauptsitz der Postfinance in Bern
Bild: Postfinance

In der Schweiz sind klassische Banken mit Krypto-Services sehr dünn gesät bis nicht vorhanden – die Postfinance könnte als Wegbereiterin die klaffende Lücke füllen.

Im Gegensatz zu anderen Ländern dominiert gegenüber Kryptowährungen bei klassischen Banken in der Schweiz nach wie vor eine offensiv gelebte Zurückhaltung. Das Thema poppt hier und da in strategischen Diskussionen immer wieder mal auf, um dann eher schnell regelmässig ad acta gelegt oder an eine fernere Zukunft delegiert zu werden. 

Postfinance als Eisbrecherin für den Krypto-Handel?

Wie das Crypto Valley Journal zu berichten weiss, soll die Postfinance bald schon in den Handel mit Kryptowährungen einsteigen. Das Portal bezieht sich dabei auf eine interne Quelle. Man habe bei der Postfinance Kryptowährungen strategisch als Wachstumsfeld identifiziert und in die Strategie aufgenommen. Als Erstes wolle die Retailbank in den Handel und die Verwahrung einsteigen.

Das Thema der digitalen Assetes werde bereits seit einigen Jahren untersucht und offenbar ist die Postfinance nun reif, den Sprung von der Theorie in die Praxis zu wagen. Das eigenständige Angebot der Postfinance soll primär den Handel mit und die Verwahrung von Kryptowährungen umfassen, Gespräche mit externen Partnern sollen bereits laufen. 

Blosses Gerücht oder konkretes Projekt in Planung?

Mehrere Gründe sprechen dafür, dass der Medienbericht nicht nur ein Gerücht kolportiert, sondern dass tatsächlich viel digitales Fleisch am veritablen Kryptoknochen sein könnte. Zum einen ist die Postfinance zusammen mit Swissquote Mitbesitzerin der Neo-Bank Yuh, welche seit ihrem Start im Mai 2021 erfolgreich im Krypto-Handel unterwegs ist. Know-how und Technologie für den Handel und die Verwahrung von Kryptowährungen sind bei Yuh und beim Joint Venture-Partner Swissquote vorhanden und deshalb für die Postfinance nutzbar.

Zum anderen segelt Alexander Thoma, bisher Lead Digital Assets beim Postfinance-Innovations-Labor VTNR, seit wenigen Tagen nun unter der Flagge von Postfinance als Head of Digital Assets. Thoma soll den Medienberichten zufolge den neuen Bereich leiten und Postfinance-Kunden bis spätestens Anfang 2024 den Zugang zu digitalen Assets möglich machen.

Zum Dritten ist die Postfinance auf neue Ertragskanäle angewiesen, weil die Bank auch in Zukunft im Kredit- und Hypothekengeschäft nicht direkt mitmischen darf. Zudem würde die Postfinance mit dem Einstieg in die Kryptowelt ihrer selbst angehefteten Etikette "Digital Powerhouse" etwas neuen und zusätzlichen Glanz verleihen.

Postfinance und der Krypto-Winter

Man könnte nun unken, dass der anrollende Krypto-Winter der denkbar schlechteste Zeitpunkt wäre, um mit Krypto-Angeboten den Markt zu überraschen. In unserer Betrachtung präsentiert sich das genau ungekehrt: Ein Krypto-Winter ist eine notwendige Konsolidierung und die damit verbundene vorübergehende Ruhe ist eine hervorragende Möglichkeit, sich im Markt aufzustellen.

Die scharfe Korrektur der letzten Wochen hat einige Baustellen sichtbar gemacht. In der Folge werden mehrere faule Eier aus dem Markt gespült und der Krypto-Winter schafft Raum für neue Mitspieler und ihre starken Angebote. Unabhängig davon, wie lange der aktuelle Krypto-Winter anhält, danach kommt ein Frühling. Und dieser Frühling könnte erfreuliche Knospen treiben und das Vertrauen in einen bereinigten Markt stärken.

Zudem betreut die Postfinance, nach dem selbst initiierten Aderlass mit Strafzinsen-bedingter Kundenflucht, aktuell gut 2.5 Millionen Kundinnen und Kunden. Ein gewaltiges Potenzial, das in Teilen positiv auf die neue Option des Kryptohandels reagieren dürfte. Können Kunden bei ihrer Hausbank, neben den normalen Bankgeschäften, komfortabel und sicher Kryptowährungen kaufen und halten, ist die Bank gegenüber anderen Anbietern im Vorteil. Bei einem beträchtlichen Teil der kryptoaffinen Kundinnen und Kunden wird die Entscheidung "Hausbank oder Krypto-Börse" zugunsten der Hausbank ausfallen. Immer vorausgesetzt, die Hausbank bietet faire Konditionen, liegen für Kunden die Aspekte von Sicherheit und Verlässlichkeit als Schwergewichte mit in der Waagschale bei der Wahl des bevorzugten Krypto-Partners.

Ein Einstieg mit Signalwirkung

Kryptowährungen und Krypto-Assets gehören schon länger zu den akzeptierten und gefragten Anlageklassen. Daran ändern auch eine hohe Volatilität und ein Krypto-Winter gar nichts. Dass Krypto-Assets weder für risikoaverse Anlegerinnen noch für kurzfristig orientierte Anleger zur ersten Wahl gehören können, ist inzwischen bekannt und gelernt.

Mündige Anlegerinnen und Anleger, die in Krypto-Assets investieren wollen, erwarten von ihrer Bank entsprechende Möglichkeiten. Dass sie von ihrer Hausbank nicht vor risikoreichen Investments beschützt werden wollen, zeigt der Erfolg der Neo-Broker und FinTech-Handelsplattformen. Hält die Hausbank die Krypto-Türen verschlossen, geht der Deal eben einfach anderswo über die Bühne.

Der Einstieg der Postfinance in den Kryptomarkt hätte eine starke Signalwirkung und würde das Terrain für weitere Banken ebnen. Damit würden Kryptowährungen auch bei klassischen Banken salonfähig, ausserhalb der Banken sind sie es schon längst.