E-Voting

E-Voting soll in der Schweiz zum dritten Kanal für die Stimmabgabe werden

Abstimmung an der Urne
Bild: Martinns | Getty Images

Was lange währt, kommt nicht unbedingt gut, aktuell aber immerhin einen längst fälligen Schritt weiter.

Unter der Prämisse "Sicherheit vor Tempo" haben sich Bund und Kantone 14 Jahre Zeit für eine Test- und Versuchsphase gelassen. Der Versuchs-Marathon trägt insofern Früchte, als der Bundesrat nun den elektronischen Stimmkanal in den ordentlichen Betrieb überführen möchte.

Mit einer Teilrevision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR) soll die aktuelle Versuchsphase beendet und die elektronische Stimmabgabe als dritter Stimmkanal verankert werden. Das hat der Bundesrat an seiner gestrigen Sitzung beschlossen. Die Stimmabgabe an der Urne und das Voting über den Postweg werden weiterhin zur Verfügung stehen. Stimmberechtigte könnten dann einfach wählen, über welchen Kanal sie ihre Stimme abgeben möchten.

Sicher oder nicht sicher?

Am Punkt der Sicherheit scheiden sich die Geister – E-Voting hat in der Schweiz wahrscheinlich so viele Freunde wie vehemente Gegner. Letztere sehen im E-Voting eine Gefahr für die Demokratie, weil sie der Sicherheit und den Prozessen misstrauen. Die vom Bundesrat beauftragte "Expertengruppe elektronische Stimmabgabe" kommt zum Schluss, dass E-Voting mit vollständig verifizierbaren Systemen sicher und vertrauenswürdig angeboten werden kann.

Mit der Vorlage für die Vernehmlassung geht die Diskussion in eine nächste und konkretere Runde, Befürworter und Gegner werden sich auch in den Räten nichts schuldig bleiben. Die Vernehmlassung zur Revisionsvorlage dauert bis am 30. April 2019, sämtliche Details können im Gesetzesentwurf und im Erläuternden Bericht nachgelesen werden.

Die zentralen Punkte der Vernehmlassung

Die Revisionsvorlage will eine breite Gesetzesgrundlage für die elektronische Stimmabgabe schaffen. Sie verankert die wichtigsten Grundsätze für ein vertrauenswürdiges elektronisches Stimmverfahren, die heute auf Stufe Verordnung geregelt sind, formellgesetzlich. Der Entwurf sieht entsprechend vor, die folgenden Aspekte der elektronischen Stimmabgabe auf Stufe des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR) zu regeln: 

  • Die "vollständige Verifizierbarkeit" des elektronischen Wahl- und Abstimmungsprozesses unter Wahrung des Stimmgeheimnisses 
  • Die Transparenz des Systems für die elektronische Stimmabgabe und der betrieblichen Abläufe (insb. Offenlegung des Quellcodes) 
  • Die Zertifizierung des Systems für die elektronische Stimmabgabe und des Betriebs 
  • Die Pflicht der Kantone, die mit der elektronischen Stimmabgabe zusammenhängenden Risiken laufend zu beurteilen 
  • Die barrierefreie Ausgestaltung des Stimmabgabeverfahrens 

Ausserdem soll die elektronische Stimmabgabe nach wie vor einer Bewilligung des Bundesrates bedürfen. Die Kantone werden dabei aber administrativ entlastet.

Was bedeutet "vollständige Verifizierbarkeit"

Die vollständige Verifizierbarkeit soll als zentrale Anforderung an das elektronische Stimmabgabeverfahren in die gesetzlichen Bestimmungen aufgenommen werden. Vollständige Verifizierbarkeit bedeutet, dass systematische Fehlfunktionen infolge von Softwarefehlern, menschlichen Fehlleistungen oder Manipulationsversuchen von der Stimmabgabe bis hin zur Ergebnisermittlung dank unabhängiger Mittel erkannt werden können. Kryptografische Beweise stellen sicher, dass alle Stimmabgaben nachvollziehbar bleiben, ohne dass das Stimmgeheimnis verletzt würde.

Wer bietet ein vollständig verifzierbares System?

Der Pionierkanton Genf hat Ende November sein E-Voting-Portal geschlossen, das Projekt wird aus Kostengründen nicht weiterverfolgt. Die Schweizerische Post bleibt im Rennen und wird nach Angaben des Bundes in Kürze ein vollständig verifizierbares System zur Verfügung stellen. Im ersten Quartal 2019 soll der Quellcode dieses Systems offengelegt werden und ein öffentlicher Intrusionstest stattfinden.

Bleibt das System dabei widerstandsfähig, dürften die Diskussionen danach etwas entspannter verlaufen. Fällt die Applikation durch, wäre das ein Dolchstoss für die weitere Entwicklung des Projekts. Allerdings darf erwartet werden, dass mit heutiger Software- und Sicherheits-Technologie Systeme gebaut werden, die rundum sicher laufen. Andere Länder haben das auch schon geschafft – und was jede E-Banking-App Tag für Tag bringt, sollte auch im E-Voting machbar sein.

Überraschungen gibt's möglicherweise noch aus anderen Lagern, Procivis und die Universität Zürich haben seit September 2017 eine blockchainbasierte Open Source-Lösung in Arbeit.