Schweizer Banken

Die ersten zweihundert Tage im Leben von Mariateresa Vacalli als CEO der Bank Cler

Mariateresa Vacalli, CEO Bank Cler
Mariateresa Vacalli, CEO Bank Cler (Bilder: Marc Wetli)

Mariateresa Vacalli über Innovation und Digitalisierung, über die Strategie der Bank Cler und über die Position von Zak im Umfeld der anderen Neo-Banken.

Ist der Puls der Bank Cler anders getaktet, seit CEO Mariateresa Vacalli übernommen hat? Ist Zak ein Sorgenkind der Bank oder eine Erfolgsgeschichte? Warum wird die digitale Kompetenz für die Basler Kantonalbank bei der Bank Cler aufgebaut und nicht umgkehrt – und welche Rolle spielt dabei das Innovation Lab Keen? Ruedi Maeder hat sich mit Mariateresa Vacalli nach ihren ersten zweihundert CEO-Tagen ausführlich unterhalten.

Die Bank Cler sagt «Zeit, über Geld zu reden», wir sagen: Zeit, über Sie zu reden und fragen: Wer ist Mariateresa Vacalli?

Ich bin eine gebürtige Tessinerin, die in Zürich wohnt und in Basel arbeitet. Meine Ausbildung als Ingenieurin habe ich an der ETH absolviert und in meiner beruflichen Laufbahn mehr als 20 Jahre Erfahrung im Retail-Business, Technologien und Business Transformationen gesammelt. Ich bin eine Umsetzerin, die gerne Entscheide trifft, neues ausprobiert, out of the box denkt und mit Leidenschaft und Freude mit Menschen zusammenarbeitet. 

Sind Sie eher die Macherin hinter den Kulissen oder mögen Sie die Rolle im Rampenlicht?

Ich würde sagen beides. Ich arbeite gerne im Team und muss nicht immer im Rampenlicht stehen. Es gibt aber Zeiten, da ist es notwendig, dass ich als CEO mein Gesicht und Präsenz zeige. Das wird von den Kundinnen und Kunden ebenso erwartet wie von den Mitarbeitenden. 

In der Regel kommt diese Frage nach hundert Tagen, wir machen die Zweihundert voll und fragen jetzt: Wie waren die ersten sieben Monate für Sie als CEO der Bank Cler?

Sehr intensiv aber auch sehr motivierend und spannend. Ich habe fast jede einzelne Mitarbeiterin und jeden einzelnen Mitarbeiter auf meiner Schweizer Tour getroffen. Dabei habe ich viele Themen aufgenommen und neue ins Rollen gebracht. Ich hatte natürlich den Vorteil, dass ich die Bank Cler und einige Kolleginnen und Kollegen durch meine Zeit als Chief Digital Officer bei der Basler Kantonalbank schon kannte. Dadurch hatte ich keinen Kaltstart und bereits ein existierendes Netzwerk.

Die Bank Cler hat kürzlich erklärt, worauf sie besonders stolz ist: «Unsere CEO ist eine Frau und vier unserer sieben Verwaltungsratsmitglieder sind weiblich». Macht Sie das auch stolz?

Ich glaube an gemischte Teams, in jeder Hinsicht. Wenn Männer und Frauen zusammen arbeiten, ist das eine Bereicherung, da mehrere Sichtweisen berücksichtigt werden. Dazu kommt, dass wir in der Schweiz sehr gut qualifizierte Frauen haben, die tolle Leistungen erbringen könnten, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt. Dass wir bei der Bank Cler diese Strategie konsequent umsetzen, macht mich stolz.

In der Schweiz haben wir sehr gut qualifizierte Frauen, die tolle Leistungen erbringen könnten, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt

Es war aber ein Mann, BKB-Konzernchef und VR-Präsident Basil Heeb, der letztes Jahr der Geschäftsleitung der Bank Cler in Sachen Autonomie, Einfluss und Aufgaben die Flügel massiv gestutzt hat – wie kommt’s?

Dazu habe ich eine andere Meinung. Wir haben im Konzern Funktionen zusammengefasst, um eine höhere Effizienz und Qualität für den Konzern zu erzielen. Die Bank Cler profitiert enorm von dieser Möglichkeit. Im Konzern ergeben sich für beide Banken Economies of Scale, die eine kleinere Bank nicht erreichen kann. Zum Beispiel bei Investitionen in Cybersecurity, Schulungsprogramme, IT Infrastrukturen, undsoweiter.

Auf der anderen Seite hat die Bank Cler die Rolle des digitalen Kompetenzzentrums für den Konzern übernommen. Wir bringen Themen wie Mobile Banking, Data Analytics oder Digital Assets für den Konzern voran. Die Zusammenarbeit im Konzern ist sehr gut und alle Meinungen werden berücksichtigt. Der Erfolg im Konzern ist der Erfolg von beiden Banken – sowohl von der BKB als auch der Bank Cler.

Mitte August 2019 ist die Geschäftsleitung der Bank Cler geschlossen zurückgetreten, Sie haben Anfang September als CEO übernommen – eher schwierige Umstände für einen guten Start, richtig?

Der Start war anders als es normal der Fall ist, aber trotzdem gut. Ich bin sehr gut bei der Bank Cler aufgenommen worden und ich denke, ich konnte den Mitarbeitenden, aber auch der Kundschaft und den Medien schnell aufzeigen, dass ich die Bank Cler erfolgreich durch die Transformation führen werde. Ich bin auf die Mitarbeitenden sehr stolz, wie sie mit dieser Situation umgegangen sind und wie sie voll motiviert weitergearbeitet haben.

Wir bringen Themen wie Mobile Banking, Data Analytics oder Digital Assets für den Konzern voran

Sie waren zuvor schon als Chief Digital Officer (CDO) der Basler Kantonalbank für die Digitale Transformation verantwortlich. Mit Ihrem Wechsel soll die digitale Kompetenz nicht mehr beim Mutterhaus BKB, sondern bei der Bank Cler aufgebaut werden, allerdings für den gesamten Konzern – das klingt nach Umweg, liegen wir falsch?

Neue Situationen, neue Wege. Mit mir als CEO der Bank Cler hat sich die Möglichkeit entwickelt, die digitale Transformation für den Konzern weiter zu führen – sogar noch schneller. Die Themen wie Mobile Banking mit unserer Smartphone-App Zak, Data Analytics und Digital Assets werden nun bei der Bank Cler für den Konzern weiterentwickelt und umgesetzt.

Für wen schlägt denn Ihr Herz – für die BKB als Konzern oder für Ihre Bank, die Bank Cler?

Mein Herz ist gross und schlägt für beide. Es ist klar, als CEO habe ich eine grosse Verantwortung gegenüber den Kunden und den Mitarbeitenden der Bank Cler. Aber ich sehe die Bank Cler als eine starke Tochter des Konzerns und deswegen ist es in meinem Interesse, für den Konzern zu arbeiten.

Welche Rolle spielt dabei die Anfang 2019 gestartete Keen Innovation, eine Tochter der Basler Kantonalbank, deren VR-Präsidentin Sie sind?

Die Keen Innovation AG ist unser Innovation-Lab. Keen führt für den Konzern Pilottests durch, die, wenn sie erfolgreich sind, im Konzern umgesetzt werden können. Eine getrennt geführte Firma zu haben, bietet die Möglichkeit einer höheren Geschwindigkeit und einer Innovationskultur, welche in dieser Form bei den Banken noch nicht so stark ausgeprägt ist. Ich denke an die Kultur von Pilottests, an die Fehlerkultur, an die "Out-of-The-Box-Thinking"-Kultur.

Wo liegen die Hauptziele, die Sie für die BKB als Konzern, für die Bank Cler und für Keen Innovation erreichen möchten?

Wir wollen als Konzern die Kunden "end-2-end" beraten und qualitativ hochwertige Bankdienstleistungen bieten. Wir wollen wachsen und mit Innovationen die neuen Herausforderungen des Markts angehen. 

Der Konzern kann mit der Bank Cler schweizweit tätig sein und im Retailbanking neue Kunden gewinnen, sei es im Zinsdifferenzgeschäft oder als Anlagebank. 

Mit Zak wollen wir für den Konzern auch neue und jüngere Kundensegmente bedienen oder Kunden, die eher mobile affin sind. Darin liegt die Zukunft. 

Gehört Open Banking bei der BKB und der Bank Cler mit zur digitalen Strategie?

Open Banking ist sowohl bei der BKB als auch der Bank Cler ein Thema, aber wir haben andere Themen mit höherer Priorität wie Omnichannel, Ökosysteme oder Digital Assets, undsoweiter.

Zak, die digitale Smartphone-Bank der Bank Cler, ist Anfang 2018 lanciert worden, was ist Zak heute, ein Sorgenkind oder eine Erfolgsgeschichte?

Definitiv eine Erfolgsgeschichte. Wir haben Zak in nur elf Monaten entwickelt und auf den Markt gebracht, wir haben in zwei Jahren mehr als 32'000 aktive Kunden gewonnen, in einem gesättigten Markt, mit einem auf die Schweiz limitierten Potential. 90 Prozent davon sind Neukunden, die also zuvor keine Bankbeziehung bei der Bank Cler hatten. Wir wachsen täglich und bringen weitere Innovationen auf den Markt. Hinter Zak steht eine Schweizer Bank mit über 90jähriger Geschichte. Eine Bank, die den Kunden Sicherheit und Qualität gewährleistet.

Die digitale Smartphone-Bank Zak ist definitiv eine Erfolgsgeschichte

Zak hat nach Ihren Angaben Ende Februar über 30'000 Kunden, sind das aktive Nutzer?

Ja, es sind aktive Kunden, wenn auch unterschiedlich aktiv. Mit der Einführung von Mobile Payment letzten Sommer hat sich die Nutzungsintensität der Kunden nochmals erhöht. 

Ich weiss, dass Sie der in den Medien immer wieder kolportierte Vergleich ärgert: "Mit x Nutzern ist Zak noch sehr weit von den prognostizierten 200'000 Kunden entfernt, die bis 2021 mit der Smartphone-Bank arbeiten sollen" – woher kommt der Ärger?

Diese Zahl ist immer wieder falsch interpretiert worden. Für mich ist diese Zahl unwichtig. Mir ist wichtig, dass wir weiterhin stark wachsen und auf dem Schweizer Markt an Relevanz gewinnen. Das bedeutet deutlich mehr als 30'000 Kunden.

Um die Kolportage durch korrekte Ziele zu ersetzen: Wie viele aktive Nutzer wird Zak Ende 2021 haben?

Wie gesagt, wir wollen deutlich wachsen. Ob es dann 100'000 oder mehr sein werden, ist schwer zu sagen. Wir haben uns hohe Ziele gesetzt und fordern uns selbst. So entwickeln wir uns erfolgreich weiter.

Zak tritt in der Attitüde einer Challenger-Bank auf, in Du-Ansprache und in smarten Funktionen der App. Auch wenn Zak mit der Mutter Cler keine eigentliche Challenger-Bank ist, challenged oder kannibalisiert Zak das Mutterhaus?

Zak ist auf der einen Seite eine Ergänzung zur Bank Cler Cler, da lediglich 10 Prozent der Zak Kunden auch Bank Cler Kunden sind. Auf der anderen Seite ist Zak genau die richtige Lösung für die Kundensegmente, die eine Challenger-Bank, eine mobile-only-Bank nutzen wollen. 

Um im Bild zu bleiben: Zak wirkt jung, frisch und frech, operiert bei den Gebühren jedoch traditionell wie eine klassische Bank – nach aktueller Moneyland-Analyse um ein Mehrfaches teurer im Vergleich zu den Challenger-Banken Neon, Revolut oder Transferwise – wie geht das zusammen?

Wir offerieren nicht nur einzelne Dienstleistungen – Zak ist eine komplette Bank mit Kontoführung, Zahlungsverkehr, Peer-2-Peer Zahlungen, Mobile Payment, Vorsorgekonto, Zak Deals, Zaktionen und mehr. Die Basis Option ist in der Schweiz komplett kostenlos. In dieser Option sind aber Auslandszahlungen mit der Kreditkarte kostenpflichtig. Wir haben eine Zak Plus Option, die für eine kleine monatliche Gebühr noch mehr Dienstleistungen offeriert, inklusive kostenloser Bargeldbezüge weltweit.

Wir wollen unseren Kunden nicht nur kostengünstige Optionen offerieren, sondern auch Sicherheit. Dies können Neo-Banken grösstenteils nicht. Zak-Kunden können jederzeit eine unserer Geschäftsstellen besuchen oder unser Beratungscenter anrufen. Und wenn ein junger Kunde zu einem späteren Zeitpunkt ein komplexeres Geschäft wünscht, wie eine Anlageberatung oder eine Hypothek, dann kennt er die Bank Cler bereits. Wir sehen dies als grossen Vorteil – gerade für das zukünftige Wachstum.

Wir haben uns hohe Ziele gesetzt und fordern uns selbst – so entwickeln wir uns erfolgreich weiter

Sind die Schweizer Challenger Neon und bald Yapeal oder die internationalen Neo-Banken Revolut und N26 für Zak Konkurrenten – oder eher Mitstreiter, weil alle Neos gemeinsam Kundengruppen sensibilisieren und das Terrain ebnen für ein neues Banking?

Ich würde sagen beides. Einerseits zielen sie auf die gleichen Kunden in der Schweiz und sind deswegen Konkurrenten. Auf der anderen Seite bestätigen sie die eingeschlagene Strategie, noch mehr in digitale Lösungen zu investieren.

Was uns differenziert und meiner Meinung nach auch ein grosser Vorteil von Zak ist, ist dass Zak zur Bank Cler gehört und damit eine Omnichannel-Lösung anbieten kann. Wir glauben daran, dass der Kunde viele Themen rein digital abwickeln möchte, aber durchaus eine physische Präsenz für komplexere Beratungen schätzt.

Wohin geht die Reise mit Zak, was ist geplant für die nächsten Monate?

Wir wollen demnächst ein einfacheres Online Onboarding auf den Markt bringen, damit dieser Prozess beschleunigt wird. Dazu kommen Zusatzleistungen bei den aktuellen Paketlösungen mit zum Beispiel Auslandsoptionen, die Zusammenarbeit mit neuen Partnern und wir arbeiten an einer Cryptowallet-Lösung. Diese wird vermutlich 2021 auf den Markt kommen.

Wir gehen ins Finale: Welche Frage habe ich vergessen, Ihnen zu stellen, die jedoch unbedingt beantwortet gehört?

Ja, und zwar: «Was ist die Strategie der Bank Cler?» Die Antwort ist: Wir sind die digitale Bank mit physischer Präsenz, welche die Bedürfnisse der Kunden versteht und mittels Data Analytics und Innovationen genau die Angebote auf den Markt bringt, welche die Kunden brauchen und wollen.

Die Interviewpartnerin: Mariateresa Vacalli

Mariateresa Vacalli ist seit Herbst 2019 CEO der Bank Cler. Zuvor war sie bei der Basler Kantonalbank in der Konzernleitung als Chief Digital Officer engagiert. 

Ihre früheren Stationen: CEO von Moneyhouse, der zur NZZ Mediengruppe gehörenden Plattform für Wirtschaftsinformationen, davor während rund vierzehn Jahren aktiv in verschiedenen Managementfunktionen bei den Schweizer Telekom-Unternehmen Sunrise und UPC.

Mariateresa Vacalli hat 1998 ihr Studium als diplomierte Betriebs- und Produktionsingenieurin an der ETH abgeschlossen und verschiedene Managementausbildungen absolviert – unter anderem am renommierten Institut Insead in Fontainebleau bei Paris und am IMD in Lausanne.