Interview

FinTech-Jungunternehmer und Startup-Gründer Matthias Bryner zum Unterschied von Robo Advisor und Anlage-App

Matthias Bryner, CEO und Gründer von Findependent
Matthias Bryner, Gründer und CEO von Findependent

Plattformen für direkten Aktienhandel und Kryptos boomen. Welche Chancen haben Anlage-Apps, die sich auf ETFs beschränken, kann "einfach und praktisch" punkten?


Ein Interview mit Matthias Bryner von Findependent

MoneyToday.ch: Matthias Bryner, wer bist Du, was machst Du?

Matthias Bryner: Ich bin ein junger FinTech-Unternehmer, sehr vielseitig interessiert, neugierig und doch auch ziemlich konventionell. Mit der Anlage-App Findependent kann ich meine Leidenschaft fürs Thema Anlegen und die Finanzmärkte mit meinem Interesse an Technologie kombinieren und daraus ein innovatives Produkt schaffen, was mir viel Freude macht.

Dein Startup, Findependent, klingt wie eine finanzgewordene Unabhängigkeits-Erklärung – ist der Namen Programm? Wenn ja, warum?

Die Vermutung ist richtig. Mit unserer Anlage-App wollen wir unseren Kundinnen und Kunden ein Werkzeug in die Hand geben, mit welchem sie einfach und unkompliziert mehr aus ihren Ersparnissen machen und so ihre finanzielle Unabhängigkeit erhöhen können. Es geht dabei nicht darum, maximal viel Vermögen anzuhäufen, sondern vielmehr darum, sich mit cleverem Sparen ein erfülltes Leben zu ermöglichen und sich beispielsweise eine Weltreise, Teilzeitarbeit, eine Weiterbildung oder ein Haus leisten zu können.

Es gibt bereits zahlreiche Player und der Markt hat sich bisher nicht durchwegs wie erhofft entwickelt – warum geht Findependent unverdrossen mit dem nächsten Robo Advisor an den Start?

Als ich Findependent 2019 gegründet habe, war der Markt für Robo Advisor tatsächlich schwierig. Einige Anbieter haben damals ihr Angebot sogar eingestellt. Meiner Meinung nach war der breite Markt damals schlicht noch nicht bereit für ein solches Produkt. Die Leute müssen zuerst mit digitalen Finanzprodukten in anderen Bereichen gute Erfahrungen machen. Sie nutzen beispielsweise die Kreditkarte von Revolut, das Bankkonto von Neon und die Säule 3a bei Viac, sind zufrieden und haben dann das nötige Vertrauen, um grössere Geldbeträge bei einem FinTech Startup anzulegen.

Vor zwei Jahren war der breite Markt schlicht noch nicht bereit für ein solches Produkt

Zudem bin ich der Meinung, dass zu einer optimalen User Experience einfach eine App gehört. Deshalb bezeichnen wir uns auch nicht als Robo Advisor sondern als Anlage-App. Wir sind der erste Robo Advisor, der von Anfang an auf einen Mobile-First-Ansatz inklusive App setzt und so den Fokus ganz klar auf die Einfachheit und die Benutzerfreundlichkeit legt.

Worin unterscheidet sich Findependent nun aber konkret von Mitbewerbern, zum Beispiel von Selma oder von Yova?

Selma und Findependent setzen in ihren Anlagelösung beide auf ETFs. Findependent fokussiert dabei jedoch auf eine komplett passive Anlagestrategie, während Selma meinem Wissen mit einem aktiven Anlageansatz Unter- und Überbewertungen an den Märkten auszunutzen versucht. Mit ihrem Chatbot ist Selma der Vorreiter einer digitalen Vermögensberatung. Bei unserer Anlage-App liegt der Fokus viel weniger auf der Beratung, sondern vielmehr darauf, dass die Kunden möglichst einfach und selbstständig mit Anlegen starten können. Die Kunden können ihr Findependent-Konto selbständig online eröffnen, bereits ab CHF 500 starten und die ersten CHF 2'000 sogar ohne Gebühren anlegen. 

Yova hingegen setzt auf Aktien-Einzelanlagen. Die Kunden können so differenziert ihren Werten entsprechend anlegen und entscheiden, in welche Unternehmen sie investieren und in welche nicht. Die Gebühren sind aber dafür auch einiges höher. Ich denke, dieser Ansatz ist vor allem für diejenigen interessant, die sich vertieft mit den Unternehmen, in welche sie investieren, beschäftigen möchten. Wir nehmen unseren Kundinnen und Kunden diese Entscheidung bewusst ab und kümmern uns um alles, was Anlagen und Finanzmärkte betrifft, so dass sich die Leute nicht selbst damit beschäftigen müssen. Nachhaltiges Anlegen ist zudem auch bei Findependent ein Thema: Wir verzichten bei allen Anlagelösungen auf Anlagen in kritischen Branchen wie beispielsweise Atomkraft, Ölsand- oder Kohleabbau.

Aktuell entwickelt sich der Markt sehr dynamisch mit Vorsorgelösungen der Säule 3a – warum setzt Ihr nicht auf diese Schiene?

Gerade weil sich der Säule 3a Markt so rasant entwickelt hat und mit Viac und Frankly bereits zwei sehr gute Produkte auf dem Markt sind, haben wir uns entschieden, eine Anlage-App ausserhalb der Säule 3a anzubieten. Ich denke, dass es einige Viac- oder Frankly-Kunden gibt, die gerne mehr als den Säule 3a-Maximalbetrag pro Jahr anlegen möchten oder für einen Teil ihrer Anlagen mehr Flexibilität bezüglich Rücknahme wünschen. Für all diejenigen könnte Findependent eine spannende Ergänzung sein. Unsere Anlagelösungen sind denen von Viac oder Frankly sehr ähnlich und können ebenfalls bequem über die App verwaltet werden.

Es gibt aber auch bereits Kunden, die sich eine Findependent-3a-Lösung wünschen – also wer weiss, was die Zukunft noch bringt.

Findependent fokussiert stark auf das Argument: "Zu viele meinen, Anlegen sei kompliziert, mit viel Aufwand verbunden und nur für diejenigen, die sowieso schon viel Geld haben". Bedient Ihr ein überholtes Vorurteil oder glaubt das heute tatsächlich noch jemand?

In den letzten Jahren hat sich tatsächlich bereits vieles getan. Anlegen ist heute einfacher zugänglich und mit kleineren Beträgen möglich. Trotzdem: die Idee, man müsse sich täglich mit den Börsen beschäftigen und einen Anzug tragen, um erfolgreich anzulegen, hält sich nach wie vor hartnäckig. Und genau das wollen wir ändern. Unsere Anlage-App soll es auch denen ermöglichen, die sich nicht speziell für das Thema Anlegen und die Finanzmärkte interessieren, ermöglichen, mehr aus ihren Ersparnissen zu machen und cleverer zu sparen, als nur gerade auf dem Sparkonto.

Die Idee, man müsse sich täglich mit den Börsen beschäftigen und einen Anzug tragen, um erfolgreich anzulegen, hält sich nach wie vor hartnäckig

Wenn ich sehe, wie viele Leute ihr Geld noch unproduktiv auf dem Sparkonto rumliegen lassen oder eine Anlagelösung nutzen, an welcher die Bank mehr verdient als die Kunden selbst, dann weiss ich, dass es noch einiges zu tun gibt.

Plattformen wie Robinhood, Trade Republic oder auch Swissquote in der Schweiz haben enormen Zulauf – Millionen Menschen scheinen ihre Freude an den Börsen und am direkten Anlegen in Wertpapiere entdeckt zu haben. Die scheinen genug Durchblick zu haben – oder rennen sie alle ins Unglück?

Dank Gamification und coolem Design macht Trading mit Apps wie Robinhood oder Trade Republic tatsächlich jede Menge Spass. Eine neue Studie hat aber gerade wieder gezeigt, dass die meisten Day Trader bei Robinhood Geld verlieren, wie CNBC berichtet hat. 

Für Neuanleger können solche Apps also Fluch oder Segen sein. Ich empfehle meinen Freunden jeweils, den Grossteil der Anlagesumme in passive ETFs oder Indexfonds langfristig anzulegen. Wer Lust und Freude daran hat, kann dann problemlos noch mit kleineren Summen direkt mit Tesla-Aktien oder Kryptowährungen handeln. 

Wie unterscheidet sich Euer Startup in Bezug auf Anlagelösungen und Strategien von anderen Anbietern?

Im Unterschied zu den meisten Bankprodukten verfolgt Findependent einen passiven Anlageansatz. Das heisst, die Aufteilung unserer Anlagelösungen in Aktien, Anleihen und Immobilien ist immer gleich und wir spekulieren nicht auf die richtigen Aktien und Kauf- und Verkaufszeitpunkt, sondern wir setzen auf die regelmässigen Erträgen und langfristige Wertsteigerung unser breit abgestützten Anlagen. Mit diesem Anlageansatz können wir die Anzahl Börsentransaktionen und die damit verbundenen Kosten tief halten und erzielen so schlussendlich eine höhere Nettorendite für unsere Kunden.

Ein weiterer Vorteil dieses passiven Anlageansatzes ist die hohe Transparenz. Auf unserer Webseite sind für alle Anlagelösungen übersichtliche PDF-Factsheets verfügbar, auf denen im Detail ersichtlich ist, wie viel in welche ETFs angelegt wird. Die Kunden können sich so problemlos bereits vor der Kontoeröffnung informieren, wie ihr Geld bei Findependent angelegt wird.

Findependent betont immer wieder die Transparenz – warum habt Ihr keine erfreulich tiefe All-in-Fee, dann brauchen Kunden nicht lange zu rechnen?

Wir würden unseren Kunden tatsächlich am liebsten eine All-in-Fee bieten. Leider ist dies aktuell technisch noch nicht möglich. Aber auch mit verschiedenen Gebühren wollen wir maximal transparent sein. Deshalb gibt es auf unserer Webseite ein detailliertes Gesamtkosten-Beispiel, inklusive ETF-Kosten, Wechselkurszuschlägen sowie Börsen- und Stempelabgaben. Leider habe ich bei einer Bank etwas Vergleichbares noch nie gesehen… Zufall? Oder wäre der Realitätsschock einfach zu gross?

Ihr seid offiziell Mitte Februar gestartet, wie lief’s seither?

Wir sind bisher sehr zufrieden. Wir haben mittlerweile etwas mehr als 200 Kunden und darunter erfreulich viele, die wir nicht persönlich kennen. Natürlich haben wir noch einen langen Weg vor uns, aber die Entwicklung zeigt, dass tatsächlich ein grosses Interesse an einer einfachen und praktischen Anlage-App vorhanden ist.

Die Entwicklung zeigt, dass tatsächlich ein grosses Interesse an einer einfachen und praktischen Anlage-App vorhanden ist

War der Start mitten in der Corona-Krise für Euer Geschäft ein Nachteil, ein Vorteil oder ohne spürbare Auswirkungen?

Ich glaube, dass durch die Corona-Krise das Interesse am Thema Anlegen zugenommen hat. Ich habe das Gefühl, dass sich viele Leute im letzten Jahr verstärkt mit ihrer finanziellen Situation beschäftigt haben. Dabei ist auch das Bewusstsein gestiegen ist, dass sich Sparen nur auf dem Sparkonto nicht lohnt und dass Anlegen wichtig wäre. Gleichzeitig wächst auch das Vertrauen in komplett digitale Finanzprodukte und in FinTech-Unternehmen selbst. So gesehen war es eher ein Vorteil. 

Was steht auf dem Wunschzettel Eurer Kunden und damit auch auf Eurer Entwicklungs- oder Produkt-Agenda?

Wir arbeiten aktuell an einer Anlagelösung mit 98 Prozent Aktienanteil. Soweit ich weiss, ist dies auch bei Frankly und Viac die beliebteste Strategie und auch wir spüren eine entsprechende Nachfrage. Natürlich wollen wir auch unsere App ausbauen. Wir hören da genau hin, was unsere Kunden wollen und das meistgefragte Feature ist klar eine Grafik zur Wertentwicklung und Rendite. Deshalb wollen wir dies noch vor den Sommerferien in der App ergänzen.

Findependent in drei Jahren: Wo steht Euer Unternehmen – auch im Verhältnis zu Euren Konkurrenten?

Unser Ziel ist es, in den nächsten Jahren kundenmässig zu den bereits etwas älteren Anbietern aufzuschliessen. Wir wollen uns als praktische Anlage-App mit klarem Fokus auf Einfachheit und Benutzerfreundlichkeit im Markt positionieren und behaupten. 

Der Interviewpartner: Matthias Bryner

Matthias Bryner ist CEO und Gründer von Findependent. Das FinTech Startup hat eine praktische und einfach Anlage-App entwickelt und ist damit Mitte Februar 2021 gestartet.

Erste FinTech-Erfahrungen sammelte Bryner bereits während seiner Zeit 2018 bei der Konto-App Neon. Seither ist er überzeugt, dass neue, digitale und benutzerfreundliche Angebote das Retail Banking deutlich verändern werden.

Bryner verfügt über einen Masterabschluss in Banking & Finance an der Universität St. Gallen (HSG) sowie einen Bachelorabschluss an der Universität Zürich.