Kryptowelt

Auswirkungen des FTX-Debakels: Regulierung. Regulierung. Regulierung.

Supreme Court Buidling in Washington
Bild: Mint Images | Getty Images

Die Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (SEC), der Internationale Währungsfonds (IWF) und andere Gremien drängen auf verschärfte Krypto-Regulierung.

Dass Behörden seit einigen Wochen und Monaten aufrüsten und die Kryptowelt in regulierte Bahnen lenken wollen, erstaunt niemanden. Regierungen, Behörden und Gremien sind aufgeschreckt und schreiten entschlossener zur Tat als auch schon. 

Das kann ihnen keiner verdenken, der unreife und nicht erwachsene Teil der Kryptowelt hat ihnen genügend Steilpässe zugespielt. Zum Beispiel der Crash von Terra Luna – mit dem algorithmischen Stable Coin TerraUSD (UST) im Epizentrum – hat im Mai 2022 gezeigt, dass Stable Coins eine gute Idee bleiben, aber im Gegensatz zu ihrem Namen nicht unbedingt stabil sein müssen.

Das nun schon seit Jahren anhaltende Gezänke um den mit Abstand grössten Stable Coin zeigt weiterhin, dass ein nicht regulierter Stable Coin von der Kryptogemeinde nicht nur geduldet, sondern auch intensiv genutzt wird. Tether ist ohne Informationspflicht unterwegs und ohne lückenlos und glaubwürdig zu dokumentieren, wie die die Währung besichert und mit welchen Werten der Stable Coin hinterlegt ist. 

Was das nicht regulierte Fass zum Überlaufen gebracht hat

Der grandiose Zusammenbruch des milliardenschweren FTX-Imperiums um Sam Bankman-Fried (SBF) im November 2022 dürfte das nicht regulierte Fass zum Überlaufen gebracht haben. Die bisherigen Begründungen und das "Sorry" von SBF zum FTX-Crash waren dermassen naiv, dass sich tatsächlich die Frage aufdrängt: Wie ist es möglich, dass unbedarfte Spielernaturen quasi mit Links Milliardenwerte rumschaukeln können, ohne dass bei Behörden, Regulatoren und Investoren auch nur die geringsten Zweifel aufkommen? Die Kryptobranche selbst ist damit nicht freigesprochen, sie hat auch versagt – warum, haben wir in einer Kurzanalyse nach dem Crash zusammengefasst, hier

Die genannten Beispiele sind nur die wirklich grossen Brocken, die weltweit Wellen geschlagen haben, kleinere Katastrophen gab's und gibt's ebenfalls. Die kleinen wie auch die grossen Crashs haben zusammengenommen Milliardenwerte vernichtet, Anlegerinnen und Anleger haben ihr Geld verloren. Nicht ein Mal, in Wiederholung.

Würden Behörden jetzt nicht reagieren, müssten sie sich beim nächsten Knall den massiven Vorwurf der Untätigkeit gefallen lassen. Deshalb werden Behörden und Gemien hüben und drüben jetzt aktiv. Aufgrund der angespannten Lage teilweise auch hyperaktiv.

Regulatorische Übertreibungen bleiben im ersten Anlauf möglich

In der sich abzeichnenden Hektik bleiben in ersten Anläufen regulatorisch enge Fesseln oder auch Übertreibungen möglich. Auch hier ist die Kryptobranche nicht frei von Schuld und Sünde – zumindest jene Teile der Branche, die sich seit jeher gegen Kontrolle, Leitplanken und für alle geltende Spielregeln wehren – insbesondere auch jene, die sich diesen Spielregeln entziehen, indem sie ihr Geschäft mit Bedacht unter Jurisdiktionen betreiben, die ihnen wenige bis gar keine Einschränkungen auferlegen.

Diese Fraktion schadet der gesamten Branche und damit der seriösen Kryptobewegung – jenem Teil eben, der bereits Regulierungen untersteht oder sich freiwillig unterstellt.

Wer wird jetzt aktiv?

Die seriöse Kryptobranche hat es verpasst, durch Selbstkontrolle und durch die plakative Ächtung von Hasardeuren und Traumtänzern Unterschiede zu schaffen. Eine Art von Gütesiegel, die Anlegerinnen und Anlegern zumindest im Ansatz hilft, zwischen den Guten, den latent Gefährlichen und den Bösen zu unterscheiden.

In diese nicht gefüllte Lücke springen jetzt verstärkt verschiedene Gremien und Regulatoren, was dann mit den bereits angeführten und nicht gewünschten Übertreibungen verbunden sein kann.

Unruhe und verstärke Aktivitäten sind seit Wochen spürbar, wir nennen exemplarische nur einige Beispiele. Die Suppe kocht auch in von uns in diesem Artikel nicht explizit genannten Töpfen.

Die Europäische Zentralbank unterstreicht ihre Krypto-Aversion

Bereits im November 2022 hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Umfeld des FTX-Debakels die Gunst der düsteren Stunde genutzt, um mit verwegenen Überlegungen und Betrachtungen den Bitcoin etwas vorschnell zu Grabe zu tragen, MoneyToday.ch hat berichtet, hier.

Zwei Autoren holen zum vernichtenden Rundumschlag gegen die Branche aus, sprechen von Kryptowährungen, fokussieren dann im Weiteren jedoch praktisch ausschliesslich auf den Bitcoin. In einer Regulierung erkennen die Autoren keinen Nutzen, weil dadurch der Eindruck entstehen könnte, der Bitcoin wäre legitimiert. Die Experten prognostizieren mit bemerkenswerten Überlegungen den sicheren Niedergang des Bitcoin –  der Artikel in englischer Sprache findet sich im EZB-Blog unter dem Titel "Bitcoins's last stand".

Zurück zur Sachlichkeit: Im Zentrum der Krypto-Katastropen der letzten Monate und Jahre standen weder Bitcoin noch Ethereum, auch nicht andere seriöse Währungen oder Projekte. Sie alle werden jedoch mit in die Tiefe gerissen, wenn irgendein Krypto-Imperium implodiert oder explodiert. Es hilft, hier mit etwas Sachverstand zu unterscheiden, welche Projekte aus welchen Gründen bisher auf Grund gelaufen sind und welche in Zukunft noch explodieren könnten. Nicht alles, was "irgendwas mit Krypto" zu tun hat, ist brandgefährlich. Deshalb zielen die Salven der beiden Autoren auf den Bitcoin im Zusammenhang mit dem FTX-Debakel in die falsche Richtung – der Bitcoin hat mit dem FTX-Crash nicht das geringste zu tun.

SEC-Chef Gary Gensler übernimmt die Initiative

Zu den Gegnern neuer Technologien mit chronischen Abwehrreflexen gegenüber FinTechs und der Krypto-Branche gehörte SEC-Chef Gary Gensler nie, im Gegenteil. Als Verantwortlicher der Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde der USA macht er sich jedoch Gedanken zum Schutz von Anlegerinnen und Anlegern und damit zur Regulierung von FinTechs und Krypto-Unternehmen. Und auch generell zu den Risiken und Gepflogenheiten in Kryptomärkten. Aus dem Blickwinkel von Regulierung und Anlegerschutz zieht Gensler richtigerweise keine Trennlinie zwischen traditionellen und neuen Märkten und ihren jeweiligen Anbietern.

In neuen Technologien sieht Gensler durchaus Potenzial, räumt diesen Technologien und Branchen jedoch keinen Sonderstatus ein. Auch das ist richtig, weil Neo-Brokerage, Krypto- und DeFi-Märkte zu Breitenbewegungen werden sollen – das schaffen sämtliche Neo-Bereiche nur dann, wenn sie vernünftig reguliert sind und deshalb Anlegerinnen und Anleger auf sicherem Terrain handeln können.

Befeuert durch die Krypto-Crashs der letzten Monate übernimmt Gensler die Initiative und verschärft den bisherigen Kurs. Stable Coins scheint der SEC-Chef generell im Visier zu haben. Aktuell läuft eine Klage gegen Paxos im Zusammenhang mit dem Stable Coin Binance USD (BUSD), der von Paxos herausgegeben wird. Vorwurf: mit einem Derivat auf den BUSD emittiere Paxos ein "nicht registriertes Wertpapier". Folge: Anleger stossen den Stable Coin ab, der BUSD verliert massiv an Bedeutung, andere Stable Coins ziehen nach, ironischerweise profitiert einzig der Tether und legt zu. Allerdings: Tether kann sich nicht sicher fühlen, auch weitere Stable Coins könnten ins Visier der SEC geraten.

Die US-Kryptobörse Kraken zahlt nach dem Vorwurf, gegen das amerikanische Wertpapiergesetz verstossen zu haben, eine Strafe von 30 Millionen Dollar und stellt ihr Staking-Programm für US-Bürger ein. Die Tendenz der SEC geht in die Richtung, dass die Behörde alle Kryptowährungen als Wertpapiere erkennt (einzige Ausnahme Bitcoin), deshalb wäre auch Staking als Wertpapiertransaktion zu behandeln.

Ein Regulierungsentwurf der SEC sieht vor, dass nur noch "qualifizierte Verwahrer" Kryptowährungen halten dürfen, um die Sicherheit der Anlegerinnen und Anleger zu gewährleisten. Die meisten Krypto-Plattformen gehören in der Betrachtung der SEC nicht zur Gruppe dieser qualifizierten Verwahrer, weil man sich nicht auf sie verlassen könne, wie die jüngere Geschichte zeigt. Von einer verschärften Regulierung dieser Art würden vor allem regulierte Banken profitieren, regulierte Kryptobörsen sind (noch) die Ausnahme.

Der Internationale Währungsfonds formuliert Empfehlungen

Aus der Perspektive des Internationalen Währungsfonds (IWF) dürfen Kryptowährungen nicht den "Status einer offiziellen Währung oder eines gesetzlichen Zahlungsmittels" erhalten. Die Exponenten des IWF befürchten, dass weitere Staaten dem Beispiel El Salavadors folgen könnten – dort gilt der Bitcoin seit Ende 2021 als gesetzliches Zahlungsmittel, was der IWF damals schon scharf kritisiert hatte. Der IWF warnt vor der Gefahr, dass sich Kryptowährungen negativ auf die Stabilität der Finanzsysteme auswirken könnten.

In seinem Bericht mit mehreren Empfehlungen fordert der IWF zudem einen Schutz vor übermässigen Kapitalströmen, verlangt klare Steuervorschriften und Gesetze für Kryptowährungen sowie ebenso klare Aufsichtsvorschriften, die für alle Involvierten und Engagierten in Kryptomärkten gelten. In diesem Zusammenhang pocht der IWF auf länderübergreifende internationale Vereinbarungen, damit Krypto-Unternehmen überwacht und Vorschriften wirkungsvoll durchgesetzt werden könnten.

Digitale Vermögenswerte zu verbieten, betrachtet der IWF nicht als "erstbeste Option", will auch diese Massnahme jedoch nicht explizit ausschliessen.

Wohin führt die regulatorische Reise?

Protagonisten aus der Kryptobranche sind besorgt über die aktuellen Entwicklungen an der Regulierungsfront und teilweise regt sich auch Widerstand. Verschiedene Exponenten reklamieren, dass der SEC-Chef Gerry Hensler die Initiative übernimmt, sie sind der Ansicht, dass neue Gesetze nicht durch die Börsenaufsicht, sondern nur durch das Parlament erlassen werden können.

Dazu ist anzumerken, dass Gensler seit längerem schon Regulierungen in Arbeit hat, jetzt jedoch den Kurs forciert und den Ton deutlich verschärft. Zum einen kommt das eine wie das andere nicht von ungefähr, zum anderen darf man davon ausgehen, dass die SEC von Regierung und anderen Stellen genügend Rückenwind bekommt. Die Zeiten des Gewährenlassens mit zwei zugedrückten Augen dürften in den USA mit Sicherheit der Vergangenheit angehören. In anderen Staaten ebenfalls. Der Schock der FTX-Pleite sitzt zu tief.

Viele Marktteilnehmer bedürchten, dass Gensler und die SEC den Bogen deutlich überspannen und dadurch die Branche in ihren Rechten und Freiheiten zu sehr einschränken werden. Das ist in ersten Wellen und Vorschlägen tatsächlich möglich und sicher nicht ausgeschlossen. In Bezug auf konkrete Massnahmen und auf längere Sicht sehen wir allerdings nicht allzu schwarz. Die USA dürften wenig Interesse daran haben, eine prosperierende Branche mit Zukunft völlig abzuwürgen. 

Stehen am Schluss der aktuell laufenden Prozesse solide Regulierungen, hilft das allen Beteiligten. Sie sind notwendig, um die Zukunft der Kryptowelt in Bahnen zu lenken, die Investoren, Anlegerinnen und Anlegern Schutz und Sicherheit bieten. Dabei die richtige Waage von klaren Leitplanken und Freiheiten zu finden, ist sicher nicht einfach, aber möglich. Es ist im Interesse der gesamten Branche, dass sich Desaster wie Terra Luna und FTX, welche das Vertrauen breiter Kreise erschüttern und die gesamte Industrie jedes Mal in einen weiteren Krypo-Winter reissen, nicht wiederholen können.

Im Moment ist diese Gefahr noch nicht gebannt. Innerhalb der aktuell noch nicht regulierten Frei- und Spielräume bleiben weitere Katastrophen nicht nur möglich, sie sind so gut wie vorprogrammiert. Die schwarzen Schafe haben der ganzen Branche gezeigt, dass sie sich selbst nicht kontrollieren und regulieren kann, deshalb übernehmen jetzt andere.